British Airways - Ausstand der Aristokraten

Dieses Thema im Forum "Politik, Umwelt, Gesellschaft" wurde erstellt von graci, 21. März 2010 .

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  1. 21. März 2010
    Unternehmen

    Der Streik kostet Unsummen, doch British Airways ist zum Kampf gegen die Privilegien des Personals bereit. Die Briten zeigen kaum Verständnis.
    Von Jürgen Krönig
    20.3.2010 - 22:52 Uhr

    © Facundo Arrizabalaga/dpa
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    Streikende protestieren gegen die Arbeitsbedingungen und den Airline-Chef Willie Walsh

    In Großbritannien drohe ein "Frühling der Unzufriedenheit", verkünden die Konservativen. Man kann nachvollziehen, warum sie diese eigentlich höchst beunruhigende Nachricht so frohgemut kundtun. Sie wollen Erinnerungen wachrufen an den "Winter of Discontent", den "Winter der Unzufriedenheit vor gut 30 Jahren.

    Gewisse Parallelen lassen sich nicht leugnen. Auch damals regierte Labour, das Land steckte in einer schweren wirtschaftlichen Krise, es war hoch verschuldet und Streik gepeinigt, mit drei Tage Woche, Engpässen in der Energieversorgung und Müllbergen auf den Straßen. Bei den Trade Unions dominierten damals die militanten Klassenkämpfer.

    So schlimm ist die heutige Situation nicht. Aber das heißt nicht, dass es sich nicht ändern kann, wenn erst einmal die drastischen Kürzungen des Staatshaushaltes beginnen werden. Selbst Premier Gordon Brown fürchtet, der Bazillus der Militanz könnte ansteckend wirken, weshalb er den Streik als "schändlich und unakzeptabel" verdammt.

    Streiks sind selten populär. Doch dieser Arbeitskampf stößt bei den meisten Briten auf keinerlei Verständnis. Und das aus gutem Grund: Die Gewerkschaft hat im Dauerkonflikt mit British Airways (BA), der die Fluggesellschaft bereits hunderte von Millionen Pfund gekostet hat, die Sympathie von Medien und Öffentlichkeit schon seit längerem systematisch verscherzt. Vor Weihnachten erregte die Trade Union Unwillen, weil sie just über die drei Weihnachtswochen streiken wollte, eine Absicht, die nur auf Grund eines Gerichtsurteils vereitelt wurde.

    Auch hat sich inzwischen herumgesprochen, dass es sich beim Kabinenpersonal von BA nicht um arme Schlucker sondern die Aristokratie des Berufstandes handelt. Seine Privilegien stammen aus der Zeit, als BA ein Staatsunternehmen war.

    Die Privatisierung vor 23 Jahren hat an diesen Privilegien nichts geändert. Nach wie vor erfreut sich das Kabinenpersonal von British Airways deutlich besserer Gehälter – sie liegen rund 40 Prozent höher – und Arbeitsbedingungen als die Angestellten der Konkurrenz. Vor drei Jahren brach die Gewerkschaft einen Streit vom Zaun über verwachsene Zehnägel; sie sollten nicht in der Liste der Beschwerden enthalten sein, die durch die automatisch gewährten zwölf Krankheitstage im Jahr abgegolten werden.

    Wer häufig British Airways fliegt oder fliegen muss, aus Mangel an Alternativen, dürfte die Folgen allzu generöser Praktiken am eigenen Leib zu spüren begonnen haben: Verspätete Ankunftszeiten in London sind bei BA eher die Regel denn die Ausnahme; ein Grund dafür ist, dass BA Jets gelegentlich leer nach London geflogen werden müssen, wo man sie braucht, weil die Besatzung auf ihr verbrieftes Recht auf zwei Tagen Pause zwischen Einsätzen pocht und zurückbleibt, untergebracht in Luxusherbergen, auch das ist garantiert, und nicht in Flughafenhotels.

    Eine andere Spätfolge der Vergangenheit als Staatsbetrieb ist, dass Beförderungen nicht nach Eignung oder Leistungsfähigkeit sondern nach Alter und Dienstjahren erfolgen und niemand gekündigt werden kann. Das mag die "eisige Höflichkeit" des Personals erklären, von der Passagiere auf BA Flügen des öfteren berichten.

    Die Financial Times gelangte zum resignierenden Schluss, dass sich die "dysfunktionalen Arbeitsbeziehungen" bei BA wohl erst dann bessern werden, wenn "die derzeitige Generation des äußerst großzügig bezahlten Kabinenpersonals in den Ruhestand gegangen ist".

    British Airways macht jedenfalls seit Jahren Verlust. Allein die Ankündigung der geplanten Streiktermine durch die Gewerkschaft, während noch verhandelt wurde, hat den Konzern 27 Millionen Pfund und rund 100.000 Passagiere gekostet. Der Arbeitskampf war unausweichlich.

    Willie Walsh, CEO von BA, will, ja muss die hohen Kosten loswerden, die aus der Zeit vor der Privatisierung herrühren. Ansonsten hat BA keine Zukunft mehr in einer Welt, in der sich Billigflieger und clevere Konkurrenten wie Virgin tummeln. Virgin hat British Airways längst den Rang als beliebteste nationale Fluggesellschaft abgelaufen. Der Slogan, von BA, "the Worlds favorite Airline" zu sein, wird heute nur noch ironisch verwendet.

    Mit einer aggressiven Gangart will Walsh das Unternehmen retten und gleichzeitig die Gewerkschaften ein für allemal in die Knie zwingen. Die City von London rechnet mit seinem Sieg. Der Aktienkurs von BA ist weiter gestiegen. Im aktuellen Disput zeigen sich selbst Konkurrenten hilfsbereit. Der Billigflieger Ryan Air, der sich ansonsten bei jeder sich bietenden Gelegenheit lustig macht über BA und die mittlerweile notorischen Verspätungen, stellte drei Jets samt Personal als Streikbrecher zur Verfügung.

    Auch "Unite" mobilisierte internationale Unterstützung; man verbündete sich sogar mit den berühmt-berüchigten "Teamsters", der Transportarbeiter-Gewerkschaft der USA. Es wird sich zeigen müssen, ob es sich lediglich um Bekundungen der Solidarität handelt oder ob dies praktische Auswirkungen haben wird.

    Der Schaden ist jedenfalls angerichtet: Passagiere, deren Reisepläne durchkreuzt werden, reagierten erzürnt, auch die Labourregierung verhehlt nicht ihren Ärger über die Militanz der Gewerkschaft "Unite", der größten Gewerkschaft des Landes. Ein Arbeitskampf, der auf dem Rücken der Bevölkerung ausgetragen wird, ist das letzte, was Gordon Brown so kurz vor Neuwahlen brauchen kann. Zumal es am kommenden Wochenende weitergeht und es damit im Osterreiseverkehr ausgesprochen ungemütlich werden wird, sollte auch noch der Schienenverkehr durch einen nationalen Eisenbahnstreik lahm gelegt werden.

    Gewinner des Disputes dürften die Konservativen sein, die froh sind, dass vom Steuerstatus ihres wichtigsten Spenders Lord Ashcroft abgelenkt wird, der es vorzieht, in Belize zu leben. Labour ist finanziell auf Gedeih und Verderb auf die Hilfe ausgerechnet von "Unite" angewiesen, die den Konflikt mit BA gesucht hat.

    In den vergangenen Jahren erhielt Labour von Unite elf Millionen Pfund. Charley Wheelan, politischer Direktor von Unite und vormaliger Spindoktor Gordon Browns, ist nach wie vor enger Vertrauter des Premiers und geht in Downing Street ein und aus. Das ist eine Gemengelage, die sich schwer vermitteln lässt. Kein Wunder, dass Gordon Brown und sein Kabinett angesichts der Streikposten vor London Heathrow und anderen britischen Flughäfen ungute Gefühle beschleichen.

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    sehr interessant. Meistens hört man ja eher von den bösen Managern da oben und dass alle Unternehmer eh Rabkautzen sind und sich gegenseiten am liebsten umbringen würden. Doch an dem Text kommt das Gegenteil: Privilegien bei Mitarbeitern, Unterstützung aus der Konkurrenz.
     
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