#1 5. Januar 2008 Brüssel. Ob Musikliebhaber oder Filmfreund - das Jahr 2008 dürfte alle empfindlich treffen. Denn die EU-Kommission will spätestens Mitte des Jahres neue Regeln für das Herunterladen aus dem Internet erlassen, der zuständige Kulturausschuss des Europa-Parlamentes wird bereits im Januar beschließen, wie den zwar illegalen aber nach wie vor verbreiteten Downloads ein Riegel vorgeschoben werden soll. Und man will dabei offenbar dem Wunschzettel folgen, den der Internationale Branchenverband der Musikindustrie IFPI einen Tag vor dem Jahreswechsel in Brüssel vorgelegt hat. Worauf das hinausläuft, fassen Internet-Experten mit dem Wort «Zensur total» zusammen. Tatsächlich brennt das Problem auf den Nägeln. Nach Angaben der Wirtschaft werden pro Jahr rund 20 Milliarden Mal Musik-Stücke illegal aus dem Netz geladen. Das sind deutlich mehr, als legal online verkauft werden. Allein in Deutschland sprechen Künstler und Musikindustrie von Verlusten in Höhe von einer Milliarde Euro für das Jahr 2006. 25.000 Strafanzeigen wurden im gleichen Zeitraum von der Branche bei den Strafverfolgungsbehörden eingereicht, Millionen für Aufklärungskampagnen in Schulen und anderen Medien aufgewendet. EU-Medienkommissarin Viviane Reding fürchtet bereits um die Zukunft eines Marktes, auf dem bis 2010 Umsätze von rund 8,3 Milliarden Euro erwartet werden. 20 Prozent der Einnahmen der Musikbranche und 33 Prozent der Videospiele-Hersteller kommen aus dem Online-Geschäft. Das soll mehr werden, aber dazu drängt die Industrie auf einschneidende Maßnahmen. So sollen die Internet-Provider nach den Vorstellungen des Verbandes IFPI künftig den gesamten Datenverkehr der Kunden filtern. Fallen dabei typische Musik- oder Videoformate auf, müssten die mit einer Datenbank der legalen Produkte abgeglichen werden. Wird das Werk dort nicht gefunden, soll die Datenübertragung erst gar nicht gestartet werden. Dienste, die «bekanntermaßen Urheberrechte verletzen», sollen von den Providern blockiert und Web-Seiten gesperrt werden, die nicht mit den Rechteinhabern zusammenarbeiten. Solche Sperren, so heißt es in einem zweiseitigen Brief an die EU-Kommission, hätten sich bei Anbietern graphischer Inhalte als technisch möglich erwiesen und bewährt. IFPI-Geschäftsführer John Kennedy appelliert offen an die Internet-Zugangsanbieter, «ihre Verantwortung wahrzunehmen». Verfahren gegen einzelne Nutzer, die geschützte Inhalte illegal auf den Rechner laden, seien «zu mühselig und teuer». Die Offensive aber soll offenbar noch sehr viel weiter gehen und keineswegs nur auf die vergleichsweise kleine «Gemeinde» der illegalen Internet-Tauschbörsen begrenzt bleiben. Kurz vor Weihnachten attackierte die Elite der Plattenfirmen Sony BMG, Warner, Universal und EMI den Online-Versandhändler Amazon, weil der billige CD-Importe aus Nicht-EU-Ländern im Programm hatte. Bei Amazon reagierte man prompt und nahm praktisch die komplette Top Ten der aktuellen Hitparade mit Stars wie Celine Dion oder James Blunt aus dem Angebot - sehr zum Unwillen der Weihnachtseinkäufer in letzter Minute. Die Verschärfung des Kampfes um den Milliarden-Markt zieht Kreise. In den USA ist der Import einer eigentlich legalen CD bereits illegal, weil dadurch die regionale Preispolitik umgangen wird. Frankreich Staatspräsident Nicolas Sarkozy will Mitte des Jahres eine eigene Aufsichtsbehörde ins Leben rufen, die bei Verstößen gegen das Urheberrecht sogar den Internetzugang sperren kann. Brüssel wird da nachziehen und auch die gerade erst in Deutschland erfolgte Reform des Urheberrechtsschutzes noch einmal verschärfen wollen. Quellen: Aachener Zeitung
#2 5. Januar 2008 Zuletzt von einem Moderator bearbeitet: 15. April 2017 AW: Brüssel will «Zensur total» für Online-Musik Bald Zensur total im Internet - RR:Board