Das weltweite Patentsystem am Scheideweg

Dieses Thema im Forum "Politik, Umwelt, Gesellschaft" wurde erstellt von Inquisito, 26. April 2008 .

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  1. 26. April 2008
    Die Präsidentin des Europäischen Patentamtes (EPA), Alison Brimelow, sieht die Münchner Behörde sowie ihre wichtigsten Partnerämter weltweit an den Grenzen der Kapazitäten und damit der Leistungsfähigkeit. "Das weltweite Patentsystem ist an einem Scheideweg angelangt", erklärte die britische Diplomatentochter am heutigen Freitag bei der Feier (PDF-Datei) des "Tags des geistigen Eigentums" durch Wirtschaft und Politik in Berlin. Gemeinsam müssten die größten Patentämter auf globaler Ebene Wegmarken setzen, damit diese ihre Aufgaben weiter erfüllen könnten. Dabei sei vor allem eine verstärkte Kooperation bis hin zur gemeinsamen Nutzung von Patentprüfungen erforderlich, um "ressourcenintensive Doppelarbeit" zu vermeiden.
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    Die Probleme des Patentwesens sind laut Brimelow enorm und nicht mehr durch ein einfaches "weiter so" oder eine personelle Aufstockung zu bewältigen. Schuld sei eine "Überfrachtung des Systems", an der etwa ein "zunehmendes Ungleichgewicht zwischen privaten und öffentlichen Interessen" Schuld sei. Vor allem die ständig zunehmende Flut an Anmeldungen für gewerbliche Schutzrechte sei bedrohlich. Diese habe "Arbeitsrückstände" produziert, die sich negativ auf die Innovation auswirken und die eigentlich angestrebte Rechtssicherheit verringern würden. Konkret führte die EPA-Chefin Zahlen des US-Patentamtes an, wonach rund zehn Millionen Anträge in einer Warteschleife bei den großen Patentbehörden in Europa, USA und Japan anhängen. Faktisch werde daher bereits ein System der "aufgeschobenen Prüfung" angewandt. Das EPA habe sich daher das Ziel gesetzt, die durchschnittliche Bearbeitungsdauer eines Antrags auf 36 Monate zurückzuführen.

    Laut Brimelow, die im vergangenen Jahr bereits wiederholt vor einem "Global Warming" des Patentwesens und einem sinnlosen "Wettrüsten" bei gewerblichen Schutzrechten warnte, liegt eine Patentlösung nicht auf der Hand. So sei eine gegenseitige Anerkennung erteilter Patente auf globaler Ebene wegen offensichtlicher Systemunterschiede nicht akzeptabel. Als besseren Ansatz bezeichnete die Britin die stärkere Kooperation von Patentämtern. Als Vorbild bezeichnete sie den Zusammenschluss des EPA mit nationalen Behörden zum gewerblichen Rechtsschutz zu einem "europäischen Patent-Netzwerk". In diesem Verbund "unabhängiger Kooperationspartner" laufe derzeit ein Pilotprojekt zur Nutzung von Rechercheergebnissen der nationalen Ämter durch das EPA. Darüber hinaus müssten auch die Anwender des Systems einbezogen werden. So lasse die Qualität der eingereichten Anmeldungen zu wünschen übrig, weshalb das US-Patentamt bereits auf eine Eigenprüfung des Stands der Technik durch den Antragsteller poche.

    Der Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII) und die Unternehmerinitiative patentfrei.de haben derweil anlässlich des von der WIPO ausgerufenen morgigen "Welttags des geistigen Eigentums" erneut vor Softwarepatenten gewarnt. Zur Veranschaulichung der befürchteten Gefahren haben sie eine aktualisierte Version des Schaubilds "Ihr Webshop ist patentiert" veröffentlicht und an über einhundert Vertreter aus Politik und Wirtschaft, darunter Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) sowie Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD), versandt. Das Plakat zeigt eine Auswahl von 20 aus mehreren zehntausend bereits vom Europäischen Patentamt erteilten Softwarepatenten, die einen üblichen Webshop im Internet betreffen.

    FFII-Vorstand Hartmut Pilch forderte zugleich, dass die Patentierbarkeit von Software in Europa effektiv ausgeschlossen werden müsse. Das deutsche Patentamt sollte seiner Ansicht nach eine Vorreiterrolle bei der Verhinderung der "absurdesten Gesetzeswidrigkeit auf diesem Gebiet" in Form sogenannter Programmansprüche übernehmen. Pilch appellierte an den Bundestag, eine Novelle oder Ausführungsbestimmung zum Patentgesetz zu verabschieden, in der diese Auswüchse ausgeschlossen und darüber hinaus die vom Europäischen Patentübereinkommen vorgesehenen Grenzen der Patentierbarkeit konkretisiert werden sollten.

    Quelle : heise online - IT-News, Nachrichten und Hintergründe
    Journalist : (Stefan Krempl) / (pmz/c't)
     
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