Die Rolle von Viren bei der Auslösung von Alzheimer: Neue Erkenntnisse der Forschung

In einer bemerkenswerten, kollektiven Forschungsarbeit, die im Jahr 2022 veröffentlicht wurde, untersuchten Wissenschaftler der University of Oxford und der Tufts University die mögliche Verbindung zwischen zwei häufigen Viren und der Entstehung der Krankheit Alzheimer. Diese Studie erweiterte die bereits existierenden Beweise für die Rolle des Herpesvirus in neurodegenerativen Erkrankungen. Ein zweiter Virus, der das Windpocken-Virus darstellt, erhielt dabei ebenfalls Aufmerksamkeit. Die Erkenntnisse dieser Studie können weitreichende Implikationen für die Diagnose und Behandlung von Alzheimer haben.

Die Rolle von Viren bei der Auslösung von Alzheimer: Neue Erkenntnisse der Forschung

26. Februar 2025 von   Kategorie: Wissenschaft
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Viren im Fokus: Herpes und Windpocken


Bereits seit über fünf Jahrzehnten gibt es in der Neurowissenschaft Diskussionen darüber, ob mikrobiologische Infektionen durchaus Auslöser für neurodegenerative Erkrankungen sein könnten. In den 1980er Jahren führten mehrere Studien zu Assoziationen zwischen dem Auftreten von Alzheimer und Infektionen mit dem Herpes-simplex-Virus. Welche Mechanismen dabei eine Rolle spielen, blieb jedoch weitgehend unklar.

Ein Aufschluss über diese Zusammenhänge kam durch eine wegweisende Studie aus dem Jahr 2020 von einem Team der Tufts University. Diese Arbeit zeigte, wie eine Infektion mit dem Herpesvirus mehrere pathologische Merkmale der Alzheimer-Krankheit triggern könnte. Dabei verwendeten die Forscher ein neuartiges, bioengineering-Modell, das eine schwammartige Struktur mit neuralen Stammzellen bevölkerte – Zellen, die in verschiedene Gehirnzellen umgewandelt werden konnten.

Die Verbindung zwischen Herpesvirus und Alzheimer


Diese innovative Modellierung des Gehirngewebes war bahnbrechend. Die Ergebnisse dieser Studie zeigten zum ersten Mal explizit, wie eine weit verbreitete Virusinfektion zu den pathologischen Anzeichen von Alzheimer führen konnte. Doch eine zentrale Frage blieb bestehen. Angesichts der Tatsache, dass mehr als zwei Drittel der Weltbevölkerung Träger des Herpes-simplex-Virus Typ I (HSV-1) sind, müssen andere Faktoren existieren, die das ruhende Virus reaktivieren und schließlich diese Kaskade von Ereignissen auslösen, die zur Alzheimer-Krankheit führen.

Im Jahr 2022 zielte eine weitere Studie auf ein weiteres häufiges Virus ab, das ebenfalls mit Alzheimer in Verbindung gebracht wurde – das Varizella-Zoster-Virus (VZV), das Windpocken verursacht und später im Leben zu Gürtelrose führen kann. Dieses Mal ließen sich die Forscher von dem vorangegangenen Modell inspirieren und untersuchten, ob eine VZV-Infektion die Gehirnzellen beeinflusst, die bereits mit ruhendem Herpesvirus besiedelt waren.

Doppelschlag zweier Viren: HSV-1 und VZV


Hungrig nach Wissen entdeckten die Forscher, dass die Exposition von Gehirnzellen, die das ruhende HSV-1 beherbergen, gegenüber VZV zur Reaktivierung des Herpesvirus führte. Dies wiederum löste eine Kaskade von toxischen Plaques aus, welche die charakteristischen Zeichen der Alzheimer-Krankheit repräsentieren. Es war jedoch bemerkenswert – diese Alzheimer-typischen Anzeichen erschienen nicht, wenn Gehirnzellen isoliert dem VZV ausgesetzt waren, ohne den Einfluss des Herpesvirus.

„Es ist ein Doppelschlag von zwei sehr häufigen und normalerweise harmlosen Viren“ – so kommentierte Dana Cairns, eine Forscherin, das Ergebnis 2022. Diese Laborstudien legen nahe, dass bei einer Neuaussetzung des VZV das ruhende HSV-1 aufwachen könnte und dadurch potenzielle Probleme verursacht werden. Die Voraussetzungen waren gegeben – ein relativ harmloser Virus und eine gut verbreitete Erkrankung.

Zukünftige Herausforderungen und Perspektiven


Trotz dieser Erkenntnisse blieb klar, dass dies nur ein möglicher Weg unter vielen war, der zur Alzheimer-Krankheit führen könnte. Ein reaktiviertes HSV-1 könnte die Entstehung vorantreiben, jedoch gibt es wahrscheinlich viele andere Wege, wie dies geschehen könnte. Risikofaktoren wie Kopfverletzungen, Fettleibigkeit oder Alkoholkonsum könnten zum Beispiel im Zusammenspiel mit der Reaktivierung von HSV eine Rolle spielen. Dies könnte ein komplexes Netz von Ursachen und Wirkungen darstellen.

Ein weiterer Aspekt, der die Forscher besorgt, ist die COVID-19-Pandemie. Infektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus sind bekannt dafür, ruhende VZV- und HSV-1-Infektionen zu reaktivieren. Wissenschaftler befürchten, dass die Pandemie möglicherweise die zukünftigen Raten von neurodegenerativen Erkrankungen steigern könnte. Kliniker werden aufgefordert, in den kommenden Jahren besonders auf ältere Patienten zu achten.

Die Studie aus 2022 wurde in der renommierten Fachzeitschrift „Journal of Alzheimer’s Disease“ veröffentlicht. In der darauffolgenden Zeit wurden zahlreiche neue Ergebnisse vorgestellt, die die Verbindung zwischen den Viren und Alzheimer weiter untermauerten. So berichteten im Jahr 2024 gleich vier separate Studien über reduzierte Demenzraten im Zusammenhang mit Herpes-Impfungen. Auch eine weitere Studie stellte fest, dass eine Gürtelrose-Impfung mit einem geringeren Risiko für Demenz assoziiert ist.

Zusammengefasst zeigt die Aufarbeitung der Daten, dass die Forschung zur Bedeutung von Viren in der Alzheimer-Pfadlänge von Bedeutung ist. Die Mechanismen bleiben komplex, jedoch wächst die Sammlung an Beweisen, die eine Verbindung zwischen häufigen Virusinfektionen und neurodegenerativen Erkrankungen unterstützen.

Quelle: DOI: 10.3233/JAD-220287