Evolutionsforschung: »Mein Rat: Heiraten Sie eine Nigerianerin«

Dieses Thema im Forum "Politik, Umwelt, Gesellschaft" wurde erstellt von graci, 23. Mai 2009 .

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  1. 23. Mai 2009
    DIE ZEIT, 08.04.2009 Nr. 03 [http://www.zeit.de/zeit-wissen/2009/03/Interview-Steve-Jones]


    Wir werden auch weiterhin unter schlechten Zähnen und Erbkrankheiten leiden, weil wir die Evolution angehalten haben, sagt der Genetiker Steve Jones. Schuld seien treue Väter, die Kleinfamilie und Verhütungsmittel. Fänden sich aber die richtigen Partner, könne die Menschheit gesünder werden.

    ZEIT Wissen: Herr Professor Jones, wann befreit uns die Evolution endlich von Rückenschmerzen und Dummheit?

    Steve Jones: Leider müssen wir uns darum selbst kümmern – der Mensch wird sich in absehbarer Zeit nicht mehr an äußere Bedingungen anpassen. Unsere Evolution ist beendet.

    ZEIT Wissen: Warum werden wir Menschen dann immer größer?

    Jones: Die Größe hat immer geschwankt. In der Steinzeit waren die Menschen groß, dann erfanden sie die Landwirtschaft – und wurden kleiner, im Durchschnitt sechs Zentimeter in nur 100 Jahren. Seit der Industrialisierung wachsen wir wieder. Das hat wohl mit der Ernährung zu tun.

    ZEIT Wissen: Wohl jedem von uns fallen Regionen seines Körpers ein, die verbesserungswürdig wären – warum arbeitet die Natur nicht daran, dass kommende Generationen gesünder, schlauer und schöner werden?

    Jones: Weil wir sie nicht lassen. Meinen Studenten sage ich immer: »Schaut euch eure Banknachbarn an. Zwei von dreien werden an Krankheiten sterben, die genetisch bedingt sind: Herzkrankheiten, Diabetes, Krebs!«

    ZEIT Wissen: Ein hoffnungsvoller Studienbeginn…

    Jones: Ich sage dann ja auch: »Hätte ich diese Vorlesung zu Shakespeares Zeiten gehalten, wären zwei von dreien schon tot.« Damals starben viele Kinder an Infektionen oder Hunger. Nur wer widerstandsfähig war, überlebte und verbreitete seine Gene. Das ist heute anders. 99 Prozent der Menschen werden so alt, dass sie sich fortpflanzen können, es gibt es keine natürliche Selektion mehr. Zudem unterscheiden sich die Menschen kaum noch in ihrem Fortpflanzungserfolg. Fast jeder hat zwei Kinder.

    ZEIT Wissen: Aber es gibt doch Menschen, die viele Kinder haben – und viele, die keines haben.

    Jones: Früher waren die Unterschiede viel größer. Frauen können im Leben nicht mehr als 20 Kinder bekommen, aber Männer können theoretisch Tausende haben. Sultan Moulay Ismael von Marokko hatte im 19. Jahrhundert 500 Frauen und 888 Kinder. So einen Fall gibt es heute nicht mehr.

    ZEIT Wissen: Die Männer verhindern durch Treue, dass der Mensch sich weiterentwickelt?

    Jones: Sie müssen nicht treu sein, heute gibt es ja Verhütungsmittel. Aber Männer beeinflussen in der Tat die Entwicklung stärker als Frauen. Denn in den Spermien häufen sich mit steigendem Alter die Mutationen. Im Westen werden Männer aber heute zu früh Vater, um die Evolution voranzubringen.

    ZEIT Wissen: Männer werden doch immer später Vater.

    Jones: Aber mit dem Kinderzeugen sind sie früh fertig. Die meisten reproduzieren sich zwischen 28 und 35. Früher haben sie so lange Nachwuchs gezeugt, wie sie konnten.

    ZEIT Wissen: Oft wird auch behauptet, die Zähne der Menschen würden schlechter, weil so viele Fastfood essen – stimmt das?

    Jones: Unsinn wäre zu glauben: Die Leute essen nur Hamburger, entwickeln schlechte Zähne – und deshalb erben ihre Kinder ein mangelhaftes Gebiss. Das wäre ein falsches Verständnis von Evolution. Vergleicht man aber unseren Kiefer mit dem von Schimpansen, sieht man, dass er durch Mutationen stark verkümmert ist. Das hat damit zu tun, dass wir unsere Speisen kochen und Schimpansen nicht. Es kostete den Körper viel Energie, Muskeln und Zähne im Kiefer herzustellen. Wenn man sie nicht braucht, rationalisiert die Evolution sie weg.

    ZEIT Wissen: Also gibt es doch eine Evolution – aber nur zum Schlechteren hin?

    Weitere spannende Themen im ZEIT Wissen-Magazin© ZEIT WissenJones: Früher starben Menschen mit einem mangelhaften Gebiss früh und bekamen weniger Kinder. Heute überleben sie und geben ihre Gene weiter. Solange aber alle Menschen gleich viele Kinder haben und diese alle überleben, werden sich schlechte Zähne nicht ausbreiten können – selbst wenn wir alle nur noch Hamburger äßen.

    ZEIT Wissen: Könnte eine tödliche Epidemie die Evolution wieder in Gang setzen?

    Jones: Die Natur hält hässliche Dinge für uns bereit, und am wahrscheinlichsten ist eine Grippeepidemie, die in Asien ausbricht.

    ZEIT Wissen: Wer mehr Abwehrkräfte hat, würde überleben: Die Evolution käme wieder in Fahrt.

    Jones: Ich sage nicht: Die Evolution steht für immer still. Aber es lohnt sich, darüber nachzudenken, dass eine Epidemie wie die Spanische Grippe, die 1918 mehr Menschen umgebracht hat als der Erste Weltkrieg, sich nicht wiederholt hat. Wir sind gut darin geworden, unser Gehirn zu benutzen, um das zu verhindern. Im Fall einer globalen Influenzaepidemie würde in der westlichen Welt wahrscheinlich das Gleiche passieren wie bei HIV. Dieses Virus bedroht unsere Gesellschaft nicht, weil wir uns anders verhalten und neue Medikamente haben.

    ZEIT Wissen: Wenn die Evolution des Menschen stillsteht, wäre dann ein Szenario wie in »Der Planet der Affen« denkbar – Orang-Utans, Gorillas und Schimpansen überholen uns und regieren die Welt?

    Jones: In 50 Jahren wird es Menschenaffen nur noch in Zoos geben, weil ihr Lebensraum zerstört sein wird. Aber auch falls die Menschenaffen überleben würden: Nein.

    ZEIT Wissen: Was macht Sie da so sicher?

    Jones: Menschenaffen haben sich in eine andere Richtung entwickelt, sie sind perfekt angepasst – aber an ein komplett anderes Leben als wir. Nur eine Spezies, die eine ähnliche Kultur entwickeln könnte, wäre konkurrenzfähig. Die gibt es aber nicht.

    ZEIT Wissen: Was unterscheidet uns so stark von allen anderen Lebewesen?

    Jones: Vergleicht man unsere DNA mit der unserer nächsten Verwandten, der Schimpansen, sieht man, dass sich diese schneller entwickelt haben. Säße heute ein Steinzeitmensch neben mir in der U-Bahn, würde ich es nicht merken. Vielleicht würde er grunzen, aber das tun heute auch viele.

    ZEIT Wissen: Aber wir haben uns doch schon ein bisschen weiterentwickelt seit der Steinzeit.

    Jones: Natürlich, aber die Menschheit hat sich auch schon zu jener Zeit eine Umwelt konstruiert, die sie zum Teil vor der Evolution schützte. Menschen benutzten Werkzeuge, betrieben Landwirtschaft, bauten Hütten. Schon unsere Urahnen schützten sich so vor Hunger und Kälte.

    ZEIT Wissen: Die Menschheit hat sich kulturell entwickelt anstatt durch Evolution?

    Jones: Absolut. Warum bleiben so viele Kinder am Leben, warum können sich alle fortpflanzen? Weil wir das so entscheiden! Nehmen wir das Beispiel der Erbkrankheit Hämophilie. Noch vor wenigen Jahrzehnten war die Chance, dass Bluter selbst Kinder bekamen, gering. Meistens verbluteten sie, bevor sie erwachsen waren. Heute kann man den fehlenden Blutfaktor ersetzen, die Erkrankten überleben und bekommen selbst Kinder. Biologisch ist das Unsinn.

    ZEIT Wissen: Werden Erbkrankheiten wie Hämophilie häufiger werden?

    Jones: Das Gen wird häufiger werden, sehr langsam, einfach deswegen, weil es selten ist. Aber das ist nicht schlimm, wir können die Krankheit ja gut behandeln.

    ZEIT Wissen: Das heißt, wir müssen mit Erbkrankheiten leben?

    Jones: Nehmen wir an, in Ihrer Familie kommt die Mukoviszidose vor. Sie wollen Vater werden und haben Angst, dass Ihr Kind krank sein würde. Der beste Rat, den ich Ihnen geben kann, ist: Heiraten Sie eine Nigerianerin!

    ZEIT Wissen: Bitte?

    Jones: Ein Kind bekommt die Krankheit nur dann, wenn es zwei kranke Gene erbt, eines von seinem Vater und eines von seiner Mutter. In Schwarzafrika kommt Mukoviszidose aber gar nicht vor – also könnte Ihr Kind nicht daran erkranken. Für eine Nigerianerin wären Sie auch eine gute Partie. In Afrika ist vererbbare Sichelzellenanämie verbreitet, die wiederum in Europa nicht vorkommt.

    ZEIT Wissen: Glauben Sie im Ernst, Menschen suchen sich ihren Partner aus, weil sie denken, mit ihm gesunde Kinder zu zeugen?

    Jones: Das weiß ich nicht. Aber die gleiche Hautfarbe zu haben ist inzwischen weniger wichtig für die Partnerwahl als zum Beispiel eine ähnliche Bildung. Ich sehe das täglich in London, und diese Partnerschaften werden die Gesellschaft gesünder machen.

    ZEIT Wissen: Schön, das von Ihnen zu hören. Biologen lieferten einst Argumente für Rassismus.

    Jones: Das Problem war: Als die Rassenlehre entstand, wusste man nichts. Daher würde ich sie auch nicht Wissenschaft nennen. Damals dachten viele, die Rassen müssten sehr unterschiedlich sein. Heute wissen wir, dass das nicht stimmt. Isländer und Aborigines unterscheiden sich weniger als zwei Schimpansengruppen, die 50 Kilometer voneinander entfernt leben.

    ZEIT Wissen: Wieso sehen wir dann so verschieden aus?

    Jones: Wir unterscheiden uns in der Hautfarbe zwar mehr als andere Säugetierarten. Aber ansonsten sind wir weitgehend gleich. In den Sechzigern arbeitete ich in einem Labor, das Blutproteine untersuchte. Die Leute waren überrascht, dass es zwischen Afrikanern und Europäern kaum Unterschiede gab.

    ZEIT Wissen: Das war die Zeit, als Martin Luther King den Rassismus anprangerte. Welche Reaktionen gab es auf diese Erkenntnisse?

    Jones: Nicht alle Weißen hörten sie gern. Andererseits gab es junge Linke, ich war einer davon, die sagten: Wunderbar, das beweist, dass Rassismus falsch ist. Aber schon damals begann ich zu zweifeln.

    ZEIT Wissen: Daran, dass Rassismus ein Fehler sei?

    Jones: Nein, aber ich dachte mir: Was passiert, wenn wir eines Tages herausfinden, dass es doch einen Unterschied zwischen Afrikanern und Europäern gibt? Heißt das dann, dass Rassismus richtig ist? Und tatsächlich hat man dank Gensequenzierung festgestellt, dass es zwei Gruppen von Menschen gibt: die Afrikaner und alle anderen.

    ZEIT Wissen: Was schließen Sie daraus?

    Jones: Dass Wissenschaft und Politik nichts miteinander zu tun haben. Ob Antirassisten Afrikaner lieben oder Rassisten sie hassen – beide werden bleiben, was sie sind, egal, was Forscher sagen. In ein paar Jahrzehnten wird Rassismus aber wohl absolut irrelevant sein.

    ZEIT Wissen: Es gab allerdings eine Zeit in der Politik, in der sich viele auf das Recht des Stärkeren berufen haben, den Sozialdarwinismus…

    Jones: Die Darwinitis war eine sehr infektiöse Krankheit damals. Hitler hat Darwin zwar nie erwähnt, aber er war ein absoluter Sozialdarwinist. Karl Marx war auch ein Anhänger. Er schrieb: »Es ist bemerkenswert, dass Darwin in der Natur die Wirkung von bourgeoisen Gesellschaften sieht.« Jeder fand bei Darwin, was er wollte.

    ZEIT Wissen: Wie kann das Fressen und Gefressenwerden der Natur als Blaupause für den Kommunismus gedient haben?

    Jones: Kommunisten rühmten zum Beispiel den Bienenstock als Vorbild für unsere Gesellschaft, weil die Tiere so schön kooperieren. Für die Sozialdarwinisten waren die Ameisenstaaten vorbildlich, weil man sie als kriegerische Gesellschaften ansah. In Wirklichkeit leben Ameisen und Bienen sehr ähnlich. Es ist einfach sinnlos, Erkenntnisse aus der Biologie auf die Gesellschaft anzuwenden.

    ZEIT Wissen: Werden wir eines Tages unsere eigene Evolution machen, indem wir durch Gentechnik unser Erbgut verändern?

    Jones: Das ist Science-Fiction. Tatsache ist: Menschen wurden noch nicht gentechnisch manipuliert, außer bei wenigen sehr seltenen Krankheiten. Die Idee, dass wir dank Gentechnik etwa intelligente Kinder bekommen könnten, ist Quatsch. Wer das will, muss in ihre Bildung investieren.

    Das Gespräch führte Frederik Jötten.

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    wie schön, dass ich eh auf schwarze Frauen stehe und auf treue
    verstehe aber nicht, warum verhütung antievolutionär sein soll.
     
  2. 23. Mai 2009
    AW: Evolutionsforschung: »Mein Rat: Heiraten Sie eine Nigerianerin«

    Verhütung ist deswegen antievolutionär, weil es weniger Nachkommen gibt, die dann durch natürliche Selektion entweder überleben oder nicht. Außerdem verhindert sie die Vermischung von Genen in einem neuen Kind, wo dann eben Mutationen entstehen können, die evtl. recht vorteilhaft sind.

    Das Interview find ich nicht so prickelnd. Der Typ redet, als müsste man Menschen züchten. Evolution findet trotzdem statt, wenn auch langsam. Außerdem kann man das mit weltlichen Maßstäben doch gar nicht messen, dafür erstreckt sich die Evolution über zu lange Zeiträume bzw. ist zu kleinschrittig.
    Und dann sagt er noch selbst, dass man Erkenntnisse aus der Biologie nicht auf die Gesellschaft anwenden soll.. Das nenne ich ein Eigentor.
     
  3. 23. Mai 2009
    AW: Evolutionsforschung: »Mein Rat: Heiraten Sie eine Nigerianerin«

    ja bei ein paar Dingen musste ich auch schmunzeln und dass seine Sicht hier in Europa nicht so ganz willkommen sind, habe ich beim Lesen auch gedacht, so starke amerikanische konservative Werte spiegelt er wieder. aber dass er vollkommen unrecht hat, kann man ja auch nicht sagen. Denn Evolution findet ja auch innerhalb einer Generation statt, nicht nur wenn du eine Entwicklung von Hunderttausen Jahren nimmst und auf einmal eine neue Tierart entsteht.
     
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