Filesharing-Prozess: US-Richter stellt Argumentation der Musikindustrie in Frage

Dieses Thema im Forum "Netzwelt" wurde erstellt von Melcos, 30. April 2008 .

  1. 30. April 2008
    Filesharing-Prozess: US-Richter stellt Argumentation der Musikindustrie in Frage

    In einem der zahlreichen Gerichtsverfahren der US-Musikindustrie gegen mutmaßliche Filesharer hat der prozessführende Verband der großen US-Labels (RIAA) einen weiteren Rückschlag hinnehmen müssen. Ein Richter des Bundesgerichts für den District of Arizona wies im Fall eines verklagten Ehepaares den Antrag der Kläger auf ein Urteil im beschleunigten Verfahren ab und stellte damit die Weichen für eine Verhandlung des Falles (Atlantic Records vs. Howell). Die Begründung des Richters geht detailliert auf die bestehende Rechtsprechung sowie deren Anwendbarkeit auf Filesharing-Fälle ein und dürfte damit auch Bedeutung für vergleichbare Verfahren haben.

    Richter Neil Wake befasst sich in seiner 17 Seiten umfassenden Begründung (PDF-Datei) eingehend mit der umstrittenen Rechtsauffassung der RIAA-Anwälte, nach der die Bereithaltung von urheberrechtlich geschützter Musik im Shared-Ordner der Kazaa-Software schon eine Rechtsverletzung im Sinne des US-Copyrights darstelle. Das Angebot zum Download, so die Argumentation, stelle schon eine Verbreitung ("Distribution") im Sinne des Gesetzes dar und verletze damit die exklusiven Verbreitungsrechte der Labels. Diese "Making available"-Theorie wird in anderen Verfahren von der Verteidigung in Zweifel gezogen. Das amerikanische Urheberrecht, so sehen es die RIAA-Gegner, verlange den Nachweis, dass eine Kopie auch tatsächlich weitergegeben wurde.

    Der Richter hält die Argumentation der RIAA für nicht stichhaltig und sieht sich damit im Einklang mit aktueller Rechtsprechung. Die Mehrheit der Bundesgerichte habe die "Making available"-Theorie verworfen. Die Bereithaltung eines Musikstückes im Shared-Folder, folgert Wake, sei an sich kein Nachweis, das eine Kopie weitergegeben wurde. Sie beweise lediglich den Versuch, gegen den das Gesetz aber keine Handhabe biete.

    Darüber hinaus geht Richter Wake auch auf die Ausführungen seines New Yorker Kollegen Kenneth Karas ein, der den Begriff der "Verbreitung" mit dem der "Veröffentlichung" gleichgesetzt hatte und damit im Anbieten von Songs eine Verbreitung im Sinne des Copyrights sieht. Wake hält das für eine nicht tragfähige Konstruktion. Selbst unter der Annahme, dass Veröffentlichung und Verbreitung gleichzusetzen seien, verlange das Gesetz immer noch den Nachweis der erfolgten Weitergabe einer Kopie an Dritte.

    Zudem sieht Wake in weiteren Punkten Klärungsbedarf. So sei noch nicht hinreichend geklärt, ob der Beklagte die strittigen 12 Songs mit Absicht in das P2P-Netz eingestellt habe. Auch sei noch zu klären, ob das Anbieten der Songs über Kazaa nicht lediglich Beihilfe zur Urheberrechtsverletzung durch Dritte darstelle. Zu Gunsten des Beklagten sieht der Richter in diesen Punkten noch ausreichenden Klärungsbedarf, der eine Verhandlung des Falles rechtfertigt und ein Urteil im beschleunigten Verfahren ausschließt. Die RIAA bezeichnete die Entscheidung gegenüber Ars Technica als "seltsam" und "nicht im Einklang mit zahlreichen Gerichtsurteilen in dieser Sache". Jetzt will der Verband seine weiteren Schritte erörtern.

    Die Electronic Frontier Foundation (EFF), die den sich selbst verteidigenden Beklagten mit einer Eingabe und einer mündlichen Stellungnahme zur Seite standen, bezeichnete Wakes Entscheidung als "großen Sieg" und "bisher eindeutigste Zurückweisung" der RIAA-Argumentation. Allerdings zeigte sich Wake auch unbeeindruckt von den Ausführungen der EFF, die unrechtmäßige Verbreitung könne schon deshalb nicht nachgewiesen werden, weil die Ermittler der Musikindustrie von dieser legitimiert und die zur Beweisführung heruntergeladenen Songs damit legale Vervielfältigungen seien.

    Der Fall Atlantic gegen Howell ist bisher ungewöhnlich verlaufen. Das Ehepaar Howell war 2006 von der Musikindustrie verklagt worden. Der Ehemann, obwohl kein Anwalt, übernahm selbst die Verteidigung. Richter Wake hatte einem ersten Antrag der RIAA auf beschleunigtes Verfahren stattgegeben und den Klägern die Übernahme von Anwaltskosten und Schadensersatz in Höhe von insgesamt 40.850 US-Dollar zugesprochen, diese Entscheidung dann aber revidiert, nachdem Howell widersprochen und seine eigene Schilderung des Sachverhalts eingebracht hatte. Die EFF will Howell für die Verhandlung, die der Organisation zufolge für September zu erwarten ist, bei der Suche nach einem Anwalt helfen.

    Quelle: heise.de - 30.04.2008
     
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