Künstliche Intelligenz im Spiegel der Philosophie: Ein Gespräch mit Shannon Vallor

Die British Library in London, ein Ort voller Wissen – 170 Millionen Objekte, darunter Bücher, Zeitungen und Karten. Hier treffe ich die Philosophin Shannon Vallor. Sie ist bekannt durch ihre Arbeit als AI-Ethischin. Inmitten des menschlichen Körpers, der menschlichen Sprache und der ladenden Präsenz der KI versucht Vallor, Licht auf die komplexen Beziehungen zwischen Mensch und Maschine zu werfen.

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Künstliche Intelligenz im Spiegel der Philosophie: Ein Gespräch mit Shannon Vallor

17. Dezember 2024 von   Kategorie: Wissenschaft
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Die Ambivalenz der Künstlichen Intelligenz


Artificial Intelligence – das Wort verwendet Vallor oft. Sie erkennt die enorme Potenzial der KI an. Doch echte Gefahren sieht sie an anderer Stelle. In ihrem kommenden Buch, "The AI Mirror", stellt sie Behauptungen auf, die uns zum Nachdenken anregen. Das Bild der KI als intelligente, vorausschauende Entität ist eine Illusion. Wir neigen dazu, Maschinen Eigenschaften zuzuschreiben, die wir in Menschen sehen – und das ist gefährlich.

Vallor konstatiert: „Es ist einfach, eine Verwandtschaft zwischen Maschinen und Menschen anzunehmen, wenn Menschen als gedankenlose Maschinen betrachtet werden.“ Ein interessanter Ansatz. Erstaunlich, wie wir oft zu vereinfachten Ansichten neigen.

Das menschliche Denken im Schatten der Maschinen


Vallors Buch hat die Ambition, tiefere Fragen zu stellen. Die etablierten Ängste wie Datenschutz und Fehlinformationen sind wichtig, doch sie vergaßen die zugrunde liegenden menschlichen Aspekte. „Unsere Fähigkeit zu sinnvollem Denken wird untergraben, wenn wir uns selbst als algorithmische Entitäten betrachten“, sagt sie. Gedanken sind nicht nur Produkte von Algorithmen, sondern Ergebnisse von Erfahrungen und Emotionen. Die Kluft zwischen menschlichem und maschinellem Denken ist gewaltig.

AI als Spiegel; kein Ersatz für menschliche Kreativität


Im Kontrast zu herkömmlichen Ansichten stellt Vallor die Idee auf, AI ist wie ein Spiegel. Dieser reflektiert – jedoch nicht authentisch wieder. Wenn wir in den Spiegel blicken, sehen wir keine lebendige Seele, nur ein Abbild. In ähnlicher Weise gibt AI, etwa ChatGPT, lediglich wider, was wir einbringen. „Sie hat keine Tiefe oder Wärme“, erklärt Vallor.

Für Vallor erzeugen diese Maschinen Inhalte, die auf vergangene menschliche Erfahrungen basieren. „Zwei große Denker, Geoffrey Hinton und Alan Turing, haben die Bedeutung von AI stark unterstrichen.“ Doch Hinton irrt, wenn er vorschlägt, dass Maschinen erkennen und fühlen können. Vallor sagt: Das sind nur Muster ohne eigentlichen Verstand.

Die Gefahren von Übertreibung und Verwirrung


Wir neigen dazu, über die Fähigkeiten von KI zu spekulieren. Das Wort „Kognition“ wird oft in Verbindung mit KI gebraucht. Vallor ist skeptisch. Die Vorstellung, dass aktuelle Modelle, wie LLMs (Large Language Models), die menschlichen Denkprozesse replizieren können, ist eine Übertreibung. „Der menschliche Verstand ist nicht einfach einalgorithmusgesteuertes Gerät“, so Vallor. „Unser Denken ist von Erfahrungen geprägt, während Maschinen nur Muster recyceln.“

Das Potenzial der Technologien muss jedoch beachtet werden. Vallor sieht eine wertvolle Rolle für KI in Bereichen wie Medizin und Klimawandel. Solche Lösungen sind wichtig, und durch die richtige Governance könnten sie große Vorteile bringen.

Schlussgedanken: Menschliche Identität in der Ära der Maschinen


Der Einfluss der Silicon-Valley-Kultur auf die AI-Entwicklung ist laut Vallor tiefgreifend. Es ist ein schmaler Ansatz, der den Wert menschlicher Erfahrungen oft in den Hintergrund stellt. „Es ist besorgniserregend, wie Menschen dazu tendieren, die menschliche Entscheidungsfindung zu verneinen“, sagt sie.

Vallor warnt vor einem „Religiösen Glauben“ an die Maschine. Der Glaube an AI kann gefährlich sein – insbesondere wenn er als Lösung für alle menschlichen Probleme betrachtet wird. „Wir müssen die Wertschätzung für menschliches Denken wiederherstellen“, fordert sie. Der Schlüssel liegt darin, die Maschinen zu nutzen, ohne unsere eigene Menschlichkeit aus den Augen zu verlieren.

Quelle: https://nautil.us/ai-is-the-black-mirror-1169121/