#1 18. Juli 2007 Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble hat sich erneut für Initiativen des Gesetzgebers ausgesprochen, um Gefahren aus dem Internet besser begegnen zu können. "Wenn wir uns jetzt als zukunftsfähige Informationsgesellschaft aufstellen wollen, benötigen wir Gesetze, die Freiheit und Rechtsstaatlichkeit auch im virtuellen Raum herstellen", sagte der CDU-Politiker am gestrigen Dienstag in Berlin. Auf Einladung seines Hauses debattierten dort Vertreter aus Wissenschaft und Verwaltung auf einer Fachkonferenz über die E-Government-Forschung für die öffentliche Hand. Schäuble forderte dazu auf, die Gesetzgebung zu überdenken und "konsensfähige Antworten" etwa auf die Frage zu finden, welche Rolle der Nationalstaat "dabei einnehmen soll und einnehmen kann". Dies gehe hin bis zu sicherheitsrelevanten Technologie. Aktuelle Streitthemen wie die heimliche Online-Durchsuchung von Computer nannte er dabei nicht konkret. "Der Innenminister hat in dieser Frage immer zwei Seelen in seiner Brust. Auf der einen Seite die Informationstechnologien sicher zu machen. Auf der anderen Seite nicht aus dem Auge zu verlieren, dass in der Menschheitsgeschichte neue Technologien auch neue Bedrohungen geschaffen haben", erklärte er vielmehr allgemein. Die Behörden müssen dem Minister zufolge in die Lage versetzt werden, den elektronischen Kommunikationsraum ebenenübergreifend und in Europa auch länderübergreifend nutzen zu können. "Wir werden eine Menge Rechtsanpassungen vornehmen müssen, um die Behörden zu vernetzen", sagte der Christdemokrat. Dabei werde es auch Debatten mit dem Datenschutz geben: "Das ist ganz klar". Anfang Juni hatte Schäuble angekündigt, einen "sicheren Kommunikationsraum im Internet schaffen" zu wollen. Er drängte dabei auf die Verabschiedung europäischer Standards, insbesondere bei der Online-Identifizierung von Nutzern. Petra Pau, stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion, sieht ebenfalls Handlungsbedarf, aber in anderer Richtung als der Minister. "Wir brauchen in der Tat neue Gesetze. Und zwar solche, die den Datenschutz im 21. Jahrhundert sichern." Der Schutz der Privatsphäre sei zwar laut Bundesverfassungsgericht eine unverzichtbare Grundlage für die Demokratie. "Praktisch aber droht der Datenschutz irreversibel verloren zu gehen. Und Bundesinnenminister Schäuble ist dabei ein eifriger Gefährder", knüpfte die Innenexperten der Linken an die heftig umstrittenen jüngsten Äußerungen des Ministers zum Umgang mit potenziellen Terroristen an. Linke-Chef Oskar Lafontaine hielt Schäuble vor, selbst zu einer Gefahr für die innere Sicherheit geworden zu sein: "Der Verfassungsminister ist ein Fall für den Verfassungsschutz." Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat dagegen an ihrem gestrigen Geburtstag die Überlegungen Schäubles zur Sicherheitspolitik im Grundsatz erneut verteidigt. Regierungssprecher Ulrich Wilhelm sagte, Aufgabe eines Innenministers sei es, sich Gedanken über die äußere und innere Bedrohungslage zu machen und Fragen zu stellen. "Das hat er gemacht." Jetzt sei es der Job der Bundesregierung, auf gesetzlicher Grundlage auf die neuen Terrorbedrohungen konkret zu antworten und "das Instrumentarium des Rechtsstaates eventuell noch modifizieren". Auf die Kritik von Bundespräsident Horst Köhler an dem Vorschlags-"Stakkato" des Innenministers wollte Wilhelm nicht direkt eingehen. Äußerungen des Staatsoberhauptes seien aber "stets von Gewicht". SPD-Generalsekretär Hubertus Heil hätte sich dagegen "gewünscht, dass nicht der Bundespräsident gezwungen gewesen wäre, deutliche Worte zu finden, um Herrn Schäuble wieder einzufangen. Das wäre Aufgabe der Bundeskanzlerin gewesen", sagte er der Tageszeitung Die Welt. Künftig müsse Merkel schneller und beherzter eingreifen, wenn Minister aus der Union "wieder wilde Debatten anzetteln. Die CDU-Vorsitzende muss ihre Partei im Griff haben." Mit einem klaren Bekenntnis zur großen Koalition begann am Dienstag im oberfränkischen Kloster Banz derweil die traditionelle Sommerklausur der Berliner CSU-Landesgruppe. Deren Chef Peter Ramsauer betonte, zu dem Bündnis aus Union und SPD gebe es derzeit "keine verantwortbare Alternative". Er sei ganz sicher, dass es trotz der jüngsten "Reibungspunkte" keine vorzeitigen Neuwahlen geben werde. Als "wichtiges Markenzeichen" der CSU bezeichnete Ramsauer das Thema innere Sicherheit. Die CSU müsse jedoch auch "die Grenzen aufzeigen, die dort liegen, wo individuelle Freiheitsrechte möglicherweise tangiert sind". Und während einige Netizens unter die "Widerständler" gegangen sind, haben andere besorgte Netzbürger und Blogger unterdessen die Aktion NoPSIS gestartet. Sie wenden sich damit gegen die Überwachungs- und Sicherheitspläne, für die ihrer Ansicht nach stellvertretend das Programm zur Stärkung der Inneren Sicherheit (PSIS) aus dem Innenministerium steht. Alle Bürger, die etwa gegen die Vorratsdatenspeicherung oder die Bespitzelung von Festplatten und Speicherplattformen im Netz sind, sollen sich an einer Unterschriftensammlung beteiligen. Weiter können Teilnehmer ihre persönlichen Gedanken zum Ausbau des Überwachungsnetzes in Form von Protestbriefen einsenden. Die Aktion soll bis zum 11. September 2007 laufen. Anschließend ist geplant, alle bis dahin gesammelten Unterschriften und Texte den Bundestagsfraktionen zu übergeben. Andere Betreiber von Webjournalen regen sich über eine "Instrumentalisierung" der Aktion "Schicken Sie Schäuble das Grundgesetz" durch die als "Trittbrettfahrer" enttarnten Jusos auf, die inzwischen selbst einen entsprechenden Vorschlag gemacht haben. Zu den Auseinandersetzungen um die erweiterte Anti-Terror-Gesetzgebung, die Anti-Terror-Datei sowie die Online-Durchsuchung siehe auch: * Von der Anti-Terror-Gesetzgebung über die Anti-Terror-Datei zum "Schäuble-Katalog" (Stefan Krempl) / (jk/c't) Quelle:http://www.heise.de/newsticker/meldung/92863 + Multi-Zitat Zitieren