Sozialstaat: Anarchismus der Barmherzigkeit

Dieses Thema im Forum "Politik, Umwelt, Gesellschaft" wurde erstellt von Kritiker, 4. Januar 2010 .

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  1. 4. Januar 2010
    Sozialstaat: Anarchismus der Barmherzigkeit
    04. Januar 2010 | ZEIT ONLINE | Martin Mosebach

    Quelle: ZEIT ONLINE
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    ein ziemlich kontroverser artikel... wie lautet eure meinung zu den ansichten des autors?
     
  2. 5. Januar 2010
    AW: Sozialstaat: Anarchismus der Barmherzigkeit

    Mit Verlaub, du liest ziemlich viel Müll.

    Aber er spricht sehr schön den tatsächlichen Grund des Sozialstaats für den Kapitalismus aus.
    "Eine auf Massenkonsum eingerichtete Wirtschaft braucht Massen von Konsumenten; die Sicherheit eines Landes gewinnt, wenn es keine größeren Gruppen in ihm gibt, die nichts zu verlieren haben; dem Land bleiben die bisweilen unbeherrschbaren politischen Spannungen zwischen Besitzenden und Besitzlosen erspart."

    Es ist kein Zufall, dass der Neoliberalismus den Sozialstaat aufweicht und gleichzeitig seinen Repressions- & Überwachungsapparat ausbaut. Wenn angesichts konjunkturell unabhängig etablierter Massenarbeitslosigkeit & wachsendem Niedriglohnsektor immer mehr vom gesellschaftl. Abstieg bedroht sind, so sind jene auch potentielle "Ausreißer" d.h. kriminell, subversiv oder sonstwie nicht staatsbürger-konform. Also ist jeder verdächtig und der Präventivstaat muss her.
    Um auf den Sozialstaat zurückzukommen: Genau diese Aufweichung des Sozialstaats muss natürlich ideologisch gefüttert werden, damit die Untertanen das auch brav schlucken. Siehe auch aktuelle Diskurse um Sarrazin, Sloterdijk & co die alle in die selbe Richtung gehen.
    Die Taktik ist wie immer die Individualisierung von Auswirkungen kapitalistischer Vergesellschaftung: Die Arbeitslosen sind nicht arbeitslos, weil der postfordistische Kapitalismus unfähig ist alle mit halbwegs annehmbarer Lohnarbeit zu versorgen und die Produktivkräfte immer mehr Menschen überflüssig machen, sondern sie sind faul, dumm oder ähnliches aber prinzipiell selbst Schuld an ihrer Lage. So müssen die vom Kapitalismus als übeflüssig sortierten nicht nur mit immer weniger Sozialleistungen kämpfen, sondern werden auch noch gesellschaftlich gedemütigt. Auf die Idee den Begriff Leistungsgerechtigkeit auch mal auf per Definition leistungslose Kapitaleinkommen auszudehnen kommen die Apologeten der "Leistung" hingegen erstaunlich selten.
    {bild-down: http://www.tonkurier.de/forum/beitraege/text_05_clip_image002.gif}


    Passend zu den Bemerkungen zur christl. Barmherzigkeit:
    »Als ich den Armen etwas zu essen gab, nannten sie mich einen Heiligen; aber als ich nach den Ursachen für die Armut fragte, nannten sie mich einen Kommunisten.«
    (Don Helder Camara, brasilianischer Bischof und Mitbegründer von Pax Christi)
     
  3. 6. Januar 2010
    AW: Sozialstaat: Anarchismus der Barmherzigkeit

    gebe dir vollkommen recht
    das einzige was wirklich nervt ist das wort arbeitslos
    wir sollten nicht von arbeitslos sprechen (passiert mir auch immer wieder)
    sondern von erwerbslos
    also ich persönlich kenne keinen einzigen menschen der frei von arbeit ist
    man hat immer was zu tun (wäsche waschen/kochen/reparaturen/spülen ect)
    doch ich denke das jede fortschrittliche gesellschaft
    sich vollarbeitslosigkeit wünscht...
    warum sonst erfinden wir werkzeuge und machinen die uns die arbeit wegnehmen??
    (z.B waschmachine, hammer, auto, kühlschrank, säge ect usw usw)
    vieleicht sind wir in 1000 jahren geistig und technisch so weit das niemand mehr arbeiten muss die realitätskeulenschwinger können sich das wohl kaum in ihrem beschränkten horizont
    vorstellen doch träumen darf man ja noch
     
  4. 6. Januar 2010
    AW: Sozialstaat: Anarchismus der Barmherzigkeit

    diese maschinen, von denen du sprichst, sind ja nicht in erster linie dazu da, den menschen die arbeit "wegzunehmen", sondern sie haben die funktion, die allgemeine produktivität zu steigern, was sich letztendlich positiv auf die gesamte gesellschaft auswirkt. ein nebeneffekt davon ist, dass nun mal bestimmte arbeiten wegfallen und die menschen sich an die neuen gegenheiten anpassen müssen.

    arbeit wird in dem sinne nie verschwinden, die tätigkeitsbereiche der menschen werden sich einfach verändern - es wird in zukunft andere arbeit verrichtet als es gegenwärtig der fall ist.

    ich kann mir nicht vorstellen, dass die menschheit jemals einen "finalen status" erreichen wird, in dem arbeit nicht mehr nötig ist. wenn nicht mehr gearbeitet wird, dann bedeutet das stillstand - es deutet zur zeit und in anbetracht der historischen entwicklung nichts darauf hin, dass es jemals zu so einer stagnation kommen wird.
     
  5. 6. Januar 2010
    AW: Sozialstaat: Anarchismus der Barmherzigkeit


    und genau dort ist der hund begraben. denn der mensch ist mit zunehmendem alter eben nicht mehr einfach so "umzuschulen" bzw. nicht mehr so mobil wie früher. Wie soll sich jemand der 20+ Jahre als Mechatroniker gearbeitet hat, sich von heute auf morgen zum Chemischen Assistenten umbilden lassen, und das mit Anfang / Ende 40?


    Desweiteren sind wirtschaftliche Umschwünge und Booms schwer vorherzusagen und Umschulungen dauern einige Jahre, können also nur verzerrt auf die neue Situation reagieren. Bis dahin kann sich die Situation schon wieder geändert haben. Und wer soll die Umschulungen denn Bezahlen?

    Was die Folge ist, und das sehen wir hier in Deutschland, ist, das die Sockelarbeitslosigkeit weiter steigt. Dies ist aber unter Anderem auch darauf zurückzuführen das Deutschland in der Bildung mehr auf Quantität als auf Qualität gesetzt hat. Und nun da Qualität gefordert ist da Maschinen die einfachen Tätigkeitsbereiche übernehmen können, stehen viele unverschuldet vor arbeitslosigkeit.


    Im Allgemeinen finde ich es ziemlich populistisch, wiedermal die "Sozialschmarotzer-Keule" zu brignen, ist es doch schon durch zahlreiche Studien erwiesen das sie den absolut kleinsten Teil der Sozialhilfeempfänger ausmachen.

    Ich für meinen Teil sehe in dem Artikel nicht mehr als neoliberalistisch angehauchte Propaganda, um den Sozialstaat weiter schlecht zu machen. Vielmehr sollten wir Stolz sein auf die Errungenschaften der sozialen Absicherung.


    //achja, und deutschland als pleite zu bezeichnen ist absoluter nonsens. Deutschland hat eine sehr moderate Verschuldung im globalen Vergleich. Und diese Schulden kommen nicht, wie in dem Artikel suggeriert, durch die hohen Sozialausgaben, sondern durch missglückte Konjunkturankurbelungsprogramme in Folge der 2 Ölkrisen.
     
  6. 6. Januar 2010
    AW: Sozialstaat: Anarchismus der Barmherzigkeit

    Nein, die Tätigkeitsbereiche werden sich nicht einfach verändern. Selbst die Sockelarbeitslosigkeit ist schon sehr hoch, ganz zu schweigen von der "reelen". Es wird in Deutschland NIE WIEDER Vollbeschäftigung geben _können_, selbst bei (maximalen) 10% Wirtschaftswachstum etc.

    Man muss das System einfach umstrukturieren, es hat langsam ausgedient und sollte an die Modernisierung angepasst werden.

    Ausschließliche Konsumbesteuerung, bedingungsloses Grundeinkommen sind durchaus realistisch für die Zukunft.
     
  7. 6. Januar 2010
    AW: Sozialstaat: Anarchismus der Barmherzigkeit

    Grundeinkommen wär ein erster Schritt. Per Konsumsteuer finanziert wäre das aber immernoch eine Umverteilung von unten nach oben, da die Reichen prozentual weniger von ihrem Einkommen verkonsumieren. Langfristig muss aber die Lohnabreit und damit der Kapitalismus weg.
     
  8. 6. Januar 2010
    AW: Sozialstaat: Anarchismus der Barmherzigkeit

    ich frage mich da eher, ob es sich überhaupt lohnt, die ewige soziale frage zu bekämpfen, bei der armut lediglich ein statistisches konzept ist...

    die offizielle armutsstatistik sagt nichts über die wahre armut aus, wohl aber über die verteilung der einkommen. warum verdient ein sechstel der bevölkerung erheblich weniger als der durchschnitt? betrachten wir jene gruppen näher, die zu den armen gezählt werden.

    den größten anteil an den relativ armen haben die ledigen und geschiedenen mütter, die von den vätern ihrer kinder nicht genügend unterstützt werden. an dieser mißlichen situation haben dritte keine schuld. es handelt sich hierbei um ein rein privates problem, für das ausschließlich die beiden elternteile die verantwortung tragen.

    langzeitarbeitslosigkeit führt häufig zu armut. viele arbeitslose aus dieser kategorie haben einen schlechten bildungsstand. wenn jemand keinen schulabschluß oder keine abgeschlossene berufsausbildung vorzuweisen hat, kann man die schuld dafür nicht den schulen zuschreiben. wir haben zwar kein vertrauen in die leistungsfähigkeit des staatlichen schulwesens, aber es wäre völlig falsch, das schulversagen einer kleinen minderheit von schülern mit dem versagen der lehrer erklären zu wollen. der lernerfolg ist zum überwiegenden teil von der angeborenen begabung des schülers abhängig.

    empirische untersuchungen weisen darauf hin, daß bei vielen angehörigen der oben genannten gruppen ein mangel an kognitiven fähigkeiten anzutreffen ist. nach heutigem kenntnisstand scheint dieses defizit überwiegend durch erbanlagen verursacht zu sein. der markt ist nicht für die armut verantwortlich. seine einkommensverteilung ist nur ein spiegel der naturgegebenen ungleichheit der menschen. die ursachen der armut sind in der menschlichen natur zu finden, auf die der mensch kaum einfluß hat.

    „Das einzige Mittel, um ‚Vollbeschäftigung’ zu erreichen, ist ein von Eingriffen freier Arbeitsmarkt. Das gilt für jede Art von Arbeit und für jede Art von Gütern.“ - Ludwig von Mises, Vom Wert der besseren Ideen, 78.

    wie soll man gegen die arbeitslosigkeit vorgehen, wenn der staat im niedriglohnsektor mit den unternehmen konkurriert, indem er für's nichtstun geld bezahlt?
     
  9. 7. Januar 2010
    AW: Sozialstaat: Anarchismus der Barmherzigkeit

    Klar *****, die millionen überflüssigen Arbeitskräfte sind Schuld daran... Du würdest die Hälfte verhungern lassen und den Rest mit Jobs "beglücken", von denen sie noch nichtmal annähernd leben könnten, wie es schon heute für viele Realität ist.
    Fakt ist, die fortschreitende Technik und die Intensivierung der Arbeit geht unweigerlich einher mit der Überflüssigmachung von Millionen Arbeitskräften sowie einer Verelendung der Arbeiterschicht einher. Das ganze auf die Sozialhilfe zu schieben ist Rethorik von kurzsichtigen Marktideologen, die noch nichtmal drei Schritte weit denken können.
     
  10. 7. Januar 2010
    AW: Sozialstaat: Anarchismus der Barmherzigkeit

    Sklavenhalter ich tu alles für dich,
    Sklavenhalter du bist der Gott für mich.

    JAJA BITTE lass mich meine Rücken Kaputt schuften für einen
    Lohn, der einen gerade verhungern lässt.

    Neeeeee, dann frag ich mich doch, wieso
    in einer Wohlstandsgesellschaft in der Täglich Tonnenweise
    Lebensmittel weggeworfen werden Leute verhungern sollen, wenn sie nicht
    in der Form Arbeiten wollen, wie Staat und Gesellschaft sich das vorstellen.

    Die Supermärkte bräuchten nur Ihre Lebensmittel(abfall?)tonnen wieder erreichbar machen,
    und es würden eine Menge Leute weniger Stütze beim Staat einklagen.

    Nebenbei würden Leute, da sie sich weniger um Nahrung kümmern bräuchten
    auch mal wieder auf die Idee kommen aus eigenem Antrieb etwas zu machen.
    (und sei es nur ein altes Haus zu besetzen, es wieder Wohnlich herzurichten und dort eine Band zu Gründen)

    Aber nein, alles was eigenem Antrieb bzw. Kreativität entspringen könnte,
    ist bei uns seltsamerweise verpönt, wenn es nicht Mainstream bzw. Gesellschaftskonform ist.

    Also Sorgen wir dafür das diese Leute in das Soziale Netz geschleudert werden und
    machen sie dann für alles sschuld, was an diesem Staat schlecht läuft. Ist ein Programm,
    das schon seit Einführung des Kapitalismus so läuft.


    grüz
    KK

    btw: Anarchismus ist ein widerspruch in sich.
    Anarchie ist nicht Anarchismus
     
  11. 7. Januar 2010
    AW: Sozialstaat: Anarchismus der Barmherzigkeit


    das ist schwachsinn, vielmehr führt die sozialhilfe dazu, dass die löhne hoch gehalten werden. Immerhin haben die Arbeitnehmer dann ja die Wahl zwischen ALG und der Arbeit haben. Arbeitslosengeld und Löhne bedingen sich gegenseitig!

    Im Zuge der Hartz4 Reformen, sind auch zahlreiche Entlohnungen für einfache Arbeiten stark zurückgegangen. Und was haben wir nun? Eine steigende Zahl von Menschen, die trotz Arbeit vom Amt zuschüsse bekommen weil sie von ihrem Lohn nicht leben können.

    Die Abschaffung des Sozialstaats führt nicht zu mehr Gerechtigkeit, sondern zu einer noch konsequenteren Umverteilung von Unten nach Oben!
     
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