Warum starb Oury Jalloh

Dieses Thema im Forum "Politik, Umwelt, Gesellschaft" wurde erstellt von johnny mnemonic, 7. Januar 2010 .

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  1. 7. Januar 2010
    Aufs Große und Ganze gesehen, lenkte die Provinzstadt Dessau bisher zweimal erhöhte Aufmerksamkeit auf sich: Durch das Bauhaus und durch das Gartenreich in Wörlitz. Im vergangenen Jahrzehnt aber zog Dessau ein Augenmerk auf sich, das die Stadt und das Land Sachsen-Anhalt in unrühmlichem Licht erscheinen ließ – als Ort von Fremdenfeindlichkeit und Polizeiversagen. Vor bald zehn Jahren wurde der Moçambiquaner Alberto Adriano von Rechtsradikalen ermordet. An ihn erinnert eine Gedenkstelle im Stadtpark. Vor fünf Jahren verbrannte der Asylbewerber Oury Jalloh in Polizeihaft. Die Demonstration zu seinen Ehren – selbst aus Berlin reiste ein Bus an – am Donnerstagnachmittag wurde beflügelt durch das Urteil des Bundesgerichtshofs vom Morgen, das den Freispruch eines Polizisten aufhob und zur Neuverhandlung nach Magdeburg verwies.

    Das Karlsruher Urteil wurde nur möglich, weil Freunde des jungen Mannes Oury Jalloh in Dessau und Bürgergruppen Polizei, Politik und die Öffentlichkeit immer wieder drängten. Die Geschichte um ihn war voller Widersprüche und Pannen und wohl auch von bewusster Einflussnahme, den Todesablauf zu vertuschen. Erst eine zweite Obduktion brachte Zeichen von Verletzungen oder auch Misshandlungen zum Vorschein, einen Nasenbeinbruch und ein verletztes Trommelfell.


    Schlampige Ermittlungen und Vertuschungsversuche

    Das Landgericht Dessau lehnte zunächst ein Verfahren ab. Erst nach öffentlichem Druck und weiteren Gutachten begann gut zwei Jahre nach dem Tod der Prozess gegen zwei Polizisten wegen Körperverletzung mit Todesfolge. Sie wurden im Dezember 2008 freigesprochen – die Beweislage schien nach fast fünf Jahren schwer aufzuklären. Zahlreiche Polizisten mauerten bei ihren Zeugenaussagen oder widerriefen frühere Aussagen, so etwa eine Polizistin, die – angeblich unter Druck – zunächst einem der beiden Angeklagten, ihrem Vorgesetzten, Nachlässigkeiten vorgeworfen hatte. Der Vorsitzende Richter sagte in seiner Urteilsbegründung, was die Polizisten bei ihren schlampigen Ermittlungen und vor Gericht boten, habe mit Rechtsstaatlichkeit nichts mehr zu tun; deshalb habe er den Prozess für gescheitert erklären müssen. Selbst die Polizeigewerkschaft sprach von „unstrittigen Defiziten“ und forderte von Polizisten den Mut, auch gegen ihre Kollegen auszusagen.

    Vor gut fünf Jahren kannten nur einige seiner afrikanischen Freunde den rastalockigen Asylbewerber Oury Jalloh aus Sierra Leone – und die Polizei. Die Freunde schildern ihn als freundlich, unter Alkoholeinfluss indes auch mal jähzornig. Der Polizei war er wegen Rauschgiftdelikten aufgefallen. Bei seiner Festnahme indes und bei der ärztlichen Untersuchung – das belegen aufgezeichnete Telefongespräche – ging sie rabiat vor. Sie warf ihm vor, er habe Reinigungsfrauen „sexuell belästigt“ – Jalloh aber, das wird von den Frauen bestätigt, hatte lediglich gebeten, deren Mobiltelefon nutzen zu dürfen.

    Weil er keinen Ausweis hatte, wurde Jalloh in eine Polizeizelle gesperrt, obwohl er fast drei Promille Alkohol im Blut hatte, und an ein Bett gefesselt. Wie es ihm gelang, seine „feuerfeste“ Matratze mit einem Feuerzeug, das er nicht hätte haben dürfen, anzuzünden, blieb ungeklärt wie manches andere. Gesichert ist dank Überwachungskameras, dass es sich nicht um eine gezielte Tötung handelte, wohl aber um grobe Nachlässigkeiten, herablassendes Verhalten und um Vertuschungsversuche auf vielen Ebenen.

    Seitdem hat sich in Sachsen-Anhalt manches getan. Die Gewahrsamsordnung des Landes wurde geändert. Personen mit mehr als zwei Promille Alkohol im Blut müssen nun ins Krankenhaus gebracht werden statt in eine Polizeizelle. Ministerpräsident und Innenminister sprachen von beschämenden Ereignissen, die ein schlechtes Bild auf die Polizei und das Land werfen. Ihnen ist bewusst, dass Jalloh für viele, auch im Ausland, zum Symbol wurde. Menschenrechtsorganisationen und Bürgergruppen beobachteten den Prozess und zeigten sich am Donnerstag beglückt über das Karlsruher Urteil. Aus Südafrika kamen Prozessbeobachter, afrikanische Zeitungen berichten, Dritte-Welt-Zentren von Berlin bis Wuppertal zeigen eine Wanderausstellung zum „Fall Jalloh“.


    Die Polizei hat nicht allzu viel gerlernt

    Auch in Dessau-Roßlau hat sich seitdem vieles getan. Vor fünf Jahren interessierte sich der damalige Oberbürgermeister nicht für den Fall. Am Donnerstag legte der parteilose Oberbürgermeister Klemens Koschig nach einer Gedenkfeier einen Kranz nieder am Eingang des Polizeireviers. Es gibt seit dem Mord an Adriano und dem Brandtod von Jalloh ein Netzwerk gegen Rechtsextremismus in der Kreisstadt, eine Beratungsstelle für Opfer des Rassismus und ein Begegnungsfest.

    Dass die Polizei in Dessau-Roßlau indes nicht allzu viel gelernt hat, zeigt der Umgang mit Mouctar Bah. Der Guineer hatte einen Telefonladen eröffnet, der rasch Anlaufpunkt für Afrikaner wurde, die dort alles von Jamswurzeln bis zu afrikanischem Haargel fanden. Auch Jalloh war des Öfteren dort. Nach seinem Tod spürte Bah die Familie auf und informierte sie. Er trug dazu bei, dass der Übergriff bekannt wurde, drang auf eine zweite Obduktion und ermöglichte, dass die Eltern beim Prozess als Nebenkläger zugelassen wurden. So galt Bah Behörden und Polizisten als Störenfried. Das Ordnungsamt entzog ihm Ende 2005 die Gewerbelizenz für den Telefonladen – trotz lobender Worte der Handelskammer und des Finanzamtes.

    Dabei berief das Ordnungsamt sich auf zwei Zusammenstöße mit einem Nachbarn – Aussagen von Zeugen aber belegen, dass dieser Bah beleidigt und angegriffen habe. Bah wurde zum Angestellten eines Deutschen in seinem eigenen Laden, gab aber nicht auf. Die Polizei aber auch nicht.

    Am 13. Dezember vorigen Jahres erhielt Mouctar Bah in Berlin die Carl-von-Ossietzky-Medaille der Internationalen Liga für Menschenrechte für seine Zivilcourage. Vier Tage später, just als Bah und andere Mitglieder der „Initiative in Gedenken an Oury Jalloh“ sich auf den Weg zu einem Termin beim Bundesgerichtshof nach Karlsruhe machen wollten, kamen mehrere Polizisten ohne richterlichen Beschluss oder ein abschließendes Protokoll in den Telefonladen, durchsuchten ihn mehr als vier Stunden lang und befragten Anwesende. Der Einsatzleiter war während der gesamten Aktion für Bah „unerreichbar“.

    Quelle: Asylbewerber Oury Jalloh: Das Schweigekartell der Polizei - Inland - FAZ

    Wenn man bedenkt dass im Oktober 2002 schon malein Inhaftierter in Dessauer Polizeigewahrsam an inneren Verletzungen starb und der Dienstgruppenleiter auch Andreas S war wie bei Jalloh auch dann frage ich mich was sucht so ein Kerl bei der Polizei?
    Genauso wie alle Beamte die in dem Fall Jalloh vor Gericht gelogen haben um ihren Leiter zu decken.

    Oury Jalloh war sicherlich kein einfacher Zeitgenosse aber wenn sich die Vermutungen beim zweiten Verfahren bewahrheiten sollte dann ist das eine große Schande für die Polizei in Dessau. Es sind einfach zuviele komischen Sachen in dem Fall vorgefallen, Falschaussagen, nicht auffindbares Feuerzeug mit dem das Feuer entzündet worden ist, Nasenbeinbruch und ein verletztes Trommelfell das erst bei der zweiten Obduktion festgestellt wurde....
     
  2. 8. Januar 2010
    AW: Warum starb Oury Jalloh

    Ich wäre nicht allzu hoffnungsvoll.
    Ausserdem geht es hier wieder mal nicht um das Opfer, sondern um die Restauration der Behörde, welche wahrlich im Namen des Volkes agiert. Das tägliche Racial Profiling und das Rastern von Volksschädlingen an den Bahnhöfen, Obdachlosentreffpunkten, Punkerhäusern und Junkietreffs wird dabei nicht Thema sein. Der Durchschnittspolizist ist ein Rassist, das ist hinlänglich bekannt. Der Effekt des BGH-Urteils, wenn es dann wider Erwarten doch zu einer Verurteilung kommt, dient nur dem Aburteilen einiger Einzelpersonen, der gesamte gewalttätige Apperat, dessen Opfer in die tausenden gehen jedes Jahr, wird damit in seinem Ansehen noch gestärkt und der Deutsche kann sich wieder zurücklehnen, weil die Amnesty-Dossiers nun scheinbar überflüssig werden und alles im Lot ist in der deutschen Volksgemeinschaft.
     
  3. Video Script

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