Wie viel darf ein Lebensjahr kosten?

Dieses Thema im Forum "Politik, Umwelt, Gesellschaft" wurde erstellt von Siebenstein, 26. September 2014 .

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  1. 26. September 2014
    Bin auf diesen Bericht gestoßen und muss sagen, ich bin baff. Da diskutieren die darüber, auf gut deutsch, ob es eine Grenze gibt/geben soll ab wann ein Mensch zu teuer für die Kasse ist und lieber sterben soll. Das kann doch echt nicht angehen. Dann sollen die halt die Medikamente günstiger machen, ist doch eh alles Betrug !!!

    Beweis: (alt bekannt): ZDF heute-Show: Martin Sonneborn im Interview mit Pharma-Lobbyist - YouTube



    BERICHT:



    Die moderne Medizin ermöglicht immer speziellere Behandlungen. Manche Therapien aber sind so teuer, dass die Gemeinschaft sie nicht für alle finanzieren kann. In den Niederlanden wird deshalb über den Maximalpreis eines Lebensjahres diskutiert.


    Was kann eine Gesellschaft für einen einzelnen Menschen ausgeben? Darf ein Maximalpreis für ein Lebensjahr existieren? An Astrid Nollens Leben hing das Preisschild von 80.000 Euro. Im Januar 2010 entdeckte der Arzt bei ihr Hautkrebs. Vom ersten Tumor, der kleiner war eine Bleistiftspitze, hatten sich Metastasen im ganzen Körper ausgebreitet, sogar im Kopf. Eine Chemotherapie und zwei Operationen halfen nicht. Die letzte Möglichkeit war eine Immuntherapie: mehrere Infusionen des Medikamentes Ipilimumab, 80.000 Euro.


    Astrid Nollen sitzt am Küchentisch in einem Städtchen nicht weit von Amsterdam. Sie wurde geheilt. Sie lebt, weil sie die Therapie bekommen hat.
    Nollen erzählt, sie habe nach der Diagnose begonnen, sich in die medizinischen Studien einzulesen. Nur bei etwa zwanzig Prozent der Patienten wirke die Immuntherapie, sagt sie. Bezahlt werden muss die Behandlung jedoch in jedem Fall. In den Niederlanden wird deshalb diskutiert, in welchen Fällen sich eine medizinische Behandlung lohnt, ein Maximalbetrag ist im Gespräch.

    Eine Kosten-Nutzen-Rechnung

    Wie genau das System funktionieren soll, ist noch offen. Möglich wäre eine Kosten-Nutzen-Rechnung:

    Wann ist die Wahrscheinlichkeit zu groß, dass eine teure Behandlung nicht wirkt?
    Sind hohe Kosten gerechtfertigt, wenn eine Therapie lediglich ein bisschen mehr Lebenszeit bringt, aber keine Heilung?
    Ein Maximalbetrag - genannt wurden 80.000 Euro pro gewonnenem Lebensjahr - wäre die Grenze. Eine Therapie würde nicht mehr bezahlt, wenn die Kosten diesen Betrag überschreiten. Damit soll das Gesundheitssystem finanzierbar bleiben.

    Es geht nicht nur um die Finanzierung von Krebstherapien. Die Behandlung von Patienten mit Nierenversagen, die drei Mal pro Woche zur Dialyse müssen, kostet in den Niederlanden beispielsweise 216.000 Euro pro Jahr. Will man diese Kranken also nicht mehr behandeln?

    Die Therapie seltener Krankheiten kann noch teurer sein. Solange es um wenige Patienten gehe, sei eine Finanzierung noch möglich, sagt Christian Blank. Nollens behandelnder Arzt ist ein deutscher Mediziner am Amsterdamer Antoni-van-Leeuwenhoek-Krankenhaus.

    Die Frage betrifft auch Deutschland

    Schon bald aber könnte die Immuntherapie bei Patienten mit Lungen-, Blasen- und Nierenkrebs angewendet werden. Dann geht es in den Niederlanden nicht mehr um Hunderte, sondern um Tausende Patienten. Noch laufen die Studien, aber im nächsten Jahr werden möglicherweise die Preisverhandlungen mit den Pharmafirmen beginnen.

    Blank rechnet vor: In Deutschland erkranken jedes Jahr mehr als 50.000 Menschen an Lungenkrebs. Wenn man von einem möglichen Preis von 100.000 Euro für die neue Immuntherapie ausgeht, wären das fünf Milliarden Euro. "Die Frage, was das Gesundheitssystem leisten kann, betrifft auch Deutschland", sagt der Arzt. 2012 hatten die gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland rund 30,6 Milliarden Euro für Medikamente ausgegeben.


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    Bericht: Ärzte verordnen zu oft unnötig teure Medikamente

    Arzneimittelpreise: Umstrittener Ablasshandel mit der Pharmaindustrie Einige neue Therapien wirken nur bei wenigen Personen oder verlängern ein Leben nur relativ kurz. "Bei der Diskussion um eine Obergrenze geht es im Kern darum, ein transparentes Kriterium dafür zu entwickeln, welche Gesundheitsleistungen sich eine Gesellschaft nicht leisten möchte", sagt Harald Tauchmann, Professor für Gesundheitsökonomie an der Uni Erlangen. Transparenz sei wichtig, weil sonst im Einzelfall zufällig und unsystematisch entschieden werde, erklärt er.
    Befürworter in den Niederlanden meinen, ein vereinbarter Maximalbetrag würde Ärzte entlasten und für mehr Gerechtigkeit sorgen, weil weitreichende Entscheidungen nicht mehr der einzelne Mediziner treffen müsse. Außerdem sei die Diskussion wichtig, weil sonst die Illusion entstehe, es könne jede Leistung finanziert werden. Tatsächlich gebe es in der Praxis heute bereits eine Art Grenze, weil Krankenhäuser in den Niederlanden nur einen bestimmten Betrag zur Verfügung hätten, sagte Wouter Bos, Direktor des Amsterdamer Universitätsklinikums, in der Fernsehsendung "Een Vandaag". Für die Sendung wurden 2000 Spezialisten in den Niederlanden befragt, 71 Prozent sprechen sich für die Einführung einer Obergrenze aus.

    Es braucht eine Debatte


    Gegner argumentieren, ein Maximalbetrag sei weder politisch machbar noch in der Praxis umzusetzen. Zu viele Patienten würden durch das Raster fallen. Zudem hätte das Gesundheitssystem genügend Reserven.
    In Deutschland stehe eine Kostenbegrenzung deshalb nicht zur Debatte, sagt Ann Marini vom Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen. Eher brauche es eine gesellschaftliche Debatte über die Grenze zu unverhältnismäßigen Gewinninteressen der Pharmafirmen.

    Astrid Nollen sagt, mit einer Obergrenze hätte sie die Immuntherapie wahrscheinlich nicht bekommen. Durch die Fenster scheint die Sonne eines Spätsommertags. In einer Stunde holt sie die Kinder von der Schule ab. Sie ist zurück in einem normalen Leben. "Natürlich war es die Kosten wert", sagt sie. Sie verstehe die Notwendigkeit der Debatte. Sie sei wohl nicht das richtige Beispiel, sagt Nollen am Ende. Sie war bei der Diagnose 36 Jahre alt, sie hat drei kleine Kinder. "Jeder versteht, dass in dieser Situation jeder Monat Lebenszeit unbezahlbar ist und man alles versucht." Schwierig werde es erst in anderen Fällen: Wäre man bei einer 75 Jahre alten, alleinstehenden Frau auch bereit, 80.000 Euro auszugeben bei der großen Wahrscheinlichkeit, dass die Behandlung nicht hilft?


    Quelle: Immuntherapie: Diskussion um die Kosten in den Niederlande - SPIEGEL ONLINE
     
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