Der Fall David Reynard und der Beginn des Zweifels
1993 verklagte ein Mann aus Florida, David Reynard, die NEC America. Er warf dem Unternehmen vor, dass die Strahlung seines Handys zum Tod seiner Frau durch einen Gehirntumor beigetragen habe. Die Antenne des Handys soll, so der Vorwurf, zu einer übermäßigen und unsicheren Mikrowellenstrahlung im Tumorgebiet geführt haben. Obwohl die Klage 1995 abgewiesen wurde, wirkte der Fall als Katalysator – viele Menschen begannen, Mobiltelefone mit einem erhöhten Krebsrisiko in Verbindung zu bringen.
WHO und die Einstufung als potenzieller Karzinogen
Im Jahr 2011 kam die WHO, in Zusammenarbeit mit der International Agency for Research on Cancer (IARC), zu dem Schluss, dass Mobiltelefonstrahlung als möglicher menschlicher Karzinogen eingestuft werden sollte. Währenddessen wurden 2016 in einer Tierstudie bei Ratten und Mäusen Tumoren in Gehirn und Nebennieren im Zusammenhang mit der Strahlung von Handys festgestellt. Diese Ergebnisse sorgten für weitere Verunsicherungen.
Das neue WHO-Studie: Eine Analyse von über 5.000 Studien
Trotz der Berichte und der alarmierenden wissenschaftlichen Errungenschaften war der Zusammenhang zwischen Mobiltelefonstrahlung und Krebs über die Jahre hinweg eher unklar. Die neueste Studie, durchgeführt von der Australian Radiation Protection and Nuclear Safety Agency (ARPANSA), schließt nun mehr als 5.000 Studien ein. Von diesen wurden 63 zwischen 1994 und 2022 ausgewählt, um umfassend analysiert zu werden. Die Ergebnisse sind nahezu unmissverständlich.
Das Ergebnis: Keine Zunahme von Gehirntumoren
Die Forscher stellten fest, dass der massive Anstieg der Mobiltelefon-Nutzung in den letzten zwei Jahrzehnten nicht mit einer Zunahme von Gehirntumoren oder anderen Kopf- und Halskrebsarten einherging. Sogar bei den intensivsten Handynutzern, denen das Gerät über zehn Jahre zur Hand wortwörtlich geblieben war, gab es keine signifikante Zunahme dieser Erkrankungen. Zusätzliche Untersuchungen zu den Strahlungswellen von Mobilfunkmasten und Berufen mit erhöhtem Funkstrahlungskontakt ergaben ebenfalls keine krebserregenden Zusammenhänge.
Ein tieferer Blick auf die Funkstrahlung
Mark Elwood, ein ehrenamtlicher Professor für Krebs-Epidemiologie an der Universität Auckland und Co-Autor der Studie, erklärte: "Die radiofrequente Strahlung bezieht sich auf elektromagnetische Energie in den Wellenlängen von 300 Hz bis 300 GHz. Sie ist niedriger in Frequenz und Energie im Vergleich zu sichtbarem Licht.” Geräte wie Mobiltelefone, Radio und Fernsehen nutzen diese Frequenzen. Selbst Babyphone oder WLAN-Anschlüsse sind Teil dieses Systems.
Wachstum versus Krebsraten – Warum es keine Korrelation gibt
In Anbetracht der Tatsache, dass amerikanische Nutzer täglich rund vier Stunden und 37 Minuten mit ihren Handys verbringen, ist es durchaus bemerkenswert – die Gehirntumorraten blieben seit 1982 weitgehend konstant. Die Forscher betonen, dass bei einem so massiven Mobiltelefon-Gebrauch ein proportional steigender Trend in der Krebsrate zu erwarten gewesen wäre. Dieses Phänomen blieb jedoch aus.
Eindeutige Daten und Schlussfolgerungen
Ken Karipidis von ARPANSA stellte fest: "Die vorherige Klassifikation von Funkwellen als potenzielle Karzinogene durch die IARC basierte auf begrenzten Beweisen." Die jetzt durchgeführte systematische Überprüfung beruht hingegen auf einer viel größeren Datenbasis und aktuelleren Studien. Daher seien die Wissenschaftler zuversichtlich, dass die Exposition gegenüber Funkwellen durch drahtlose Technologien keine Gesundheitsgefahr für Menschen darstellt.
Fazit: Mobiltelefone und Gesundheit – Ein Missverständnis?
Insgesamt ist die neue Studie der WHO eine ermutigende Nachricht für die Millionen von Mobiltelefon-Nutzern weltweit. Die Erkenntnisse könnten die Sorgen über Mobiltelefonstrahlung und deren Einfluss auf die Gesundheit in einem neuen Licht erscheinen lassen. Die Furcht vor Mobiltelefonen als Krebsgenerator hat sich nicht bewahrheitet. Die Diskussion könnte jetzt einem notwendigen, rationalen Dialog weichen, der auf realen Daten und nicht auf spekulativen Ängsten basiert.
Quelle: The effect of exposure to radiofrequency fields on cancer risk in the general and working population: A systematic review of human observational studies – Part I: Most researched outcomes DOI: https://doi.org/10.1016/j.envint.2024.108983