Geschmäcker sind bekanntlich verschieden. Unterschieden wird zwischen süß, sauer, salzig und bitter. Seit 2023 reiht sich womöglich ein sechster Grundgeschmack ein: Salmiak. Der salzig-säuerliche Aromastoff steckt etwa in Salzlakritz. Er verleiht der Süßigkeit die bittersalzige und feinsäuerliche Note, die die einen genießen und die anderen hassen.
Diese spannende Erhebung zeigt, dass die Zunge möglicherweise neben den traditionellen Geschmacksrichtungen süß, salzig, sauer, bitter und umami auch Ammoniumchlorid wahrnehmen kann. Dieser Stoff ist beispielsweise in salziger Lakritze enthalten. Bei bestimmten Geschmacksrichtungen scheiden sich die Geister. Lakritz etwa wird entweder gemocht oder gemieden. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um das Naschwerk an sich oder den Lakritz-Geschmack in E-Zigaretten handelt.
Umami wurde im Jahr 1908 von Kikunae Ikeda entdeckt und erhielt erst 1990 offiziell den Status eines eigenständigen Geschmacks. Die frisch durchgeführte Studie unter der Leitung des USC Dornsife College of Letters, Arts and Science deutet nun auf einen sechsten Grundgeschmack hin: Ammoniumchlorid.
Die Anfänge von Salmiak
Emily Liman, die Hauptautorin der Studie, bemerkte, dass skandinavische Länder mit dem Geschmack von salziger Lakritze vertraut sind. Dieses Süßigkeitenstück ist durch die Zugabe von Ammoniumchlorid recht einzigartig in seinem Geschmack – es vereint Bitterkeit, Salz und eine gewisse Säure.
Geschmack resultiert aus der Interaktion chemischer Substanzen mit spezialisierten Geschmacksrezeptorzellen (TRCs) auf der Zunge und im Gaumen. Diese Zellen reagieren auf die fünf grundlegenden Geschmäcker und senden Signale an das Gehirn, um den Geschmack zu erkennen.
Wissenschaftliche Erkundung von Ammoniumchlorid
Die Forschung konzentrierte sich darauf, wie saure TRCs und OTOP1 bei der Wahrnehmung von Ammoniumchlorid zusammenwirken. Die Gruppe führte das Otop1-Gen in menschliche Zellen ein und setzte diese Substanzen unterschiedlichen Geschmäckern aus. Sie entdeckten, dass Ammoniumchlorid den OTOP1-Rezeptor nahezu ebenso effektiv aktivierte wie Säuren. Experimentelle Tests an Mäusen bestätigten, dass jene mit dem Otop1-Gen Ammoniumchlorid mieden, während Mäuse ohne das Gen dies nicht taten.
Ammonium – ein Abbauprodukt von Aminosäuren – wird häufig als giftig für viele Tiere betrachtet. Daher spekulieren die Forscher, dass die Fähigkeit, Ammoniumchlorid zu schmecken, eine Entwicklung darstellt, um gefährliche Substanzen zu meiden.
Warum der Geschmack Ekel auslösen kann
Liman erklärt, dass Ammonium als giftig gilt – es ist ein Signal für den Körper, auf der Hut zu sein. Aber nicht jeder empfindet diesen Geschmack gleich. Salmiak, zum Beispiel, führt bei einigen Menschen instinktiv zu Ekel, vor allem, weil die Warnsignale intensiver sind. Fäulnis in Lebensmitteln produziert Ammonium. Obwohl Ammoniumchlorid an sich nichts mit Verfall zu tun hat, kann das Gehirn diesen Geschmack als Gefahr interpretieren.
Durch Gewöhnung, besonders in skandinavischen Ländern, wo Ammoniumchlorid traditionell verwendet wird, verbindet ein Teil der Bevölkerung den Geschmack mit positiven Kindheitserinnerungen.
Artenspezifische Reaktionen auf Salmiak
Auch Tiere reagieren auf Ammoniumchlorid unterschiedlich. Hühner zeigen stärkere Abneigung gegen Salmiak im Vergleich zu Fischen, was auf evolutionäre Anpassungen hinweist.
Kriterien für die Anerkennung eines neuen Geschmacks
Ob Salmiak als eigenständiger Grundgeschmack anerkannt wird, bleibt ungewiss.
Hierzu müssen spezielle Rezeptoren vorhanden sein, und es muss nachgewiesen werden, dass die Geschmacksknospen diese Reize über Nervenbahnen zum Gehirn weiterleiten. Geschmacksrezeptoren sind auf der Zunge, dem Gaumen und am Kehldeckel zu finden. Jedes Geschmacksnerv besitzt zwischen 50 und 150 Zellen, die elektrische Signale zur Großhirnrinde weiterleiten.
Ein Beispiel für die langen Prozesse zur offiziellen Anerkennung eines Geschmacks ist umami. Obwohl Kikunae Ikeda diesen Geschmack bereits vor über 100 Jahren entdeckte, dauerte es bis 2001, bevor er als solcher anerkannt wurde.
Die Forscher werden weiterhin die Reaktion des OTOP1-Rezeptors auf Ammoniumchlorid untersuchen, um mehr über dessen evolutionäre Bedeutung zu erfahren. Ob es den Geschmack Salmiak also bald als Grundgeschmack geben wird, bleibt spannend abzuwarten.
Obwohl es nicht besonders attraktiv ist, Lebensmittel als "Ammoniumchlorid" zu bezeichnen, kann es sein, dass Feinschmecker einen besseren Namen finden und dass dieser eines Tages zu den anderen fünf Grundgeschmäckern hinzugefügt wird.
Quellen:
- https://dornsife.usc.edu/news/stories/the-sixth-taste/
- Liang, Z., Wilson, C.E., Teng, B. et al. The proton channel OTOP1 is a sensor for the taste of ammonium chloride. Nat Commun 14, 6194 (2023). doi.org/10.1038/s41467-023-41637-4