Ist Übergewicht gleichbedeutend mit Krankheit?
Adipositas wird oft als Krankheit betrachtet. Doch ist das wirklich so? Wissenschaftler stellen immer wieder in Frage, ob der Body-Mass-Index (BMI) ein passendes Maß für die Gesundheit ist. Eine kritische Betrachtung des BMI ist von größter Bedeutung. Die Medizinergruppe schlägt vor, die bestehenden Diagnoserichtlinien zu überarbeiten. Sie plädiert dafür, neben dem BMI auch andere Faktoren wie Körperfett und die Verteilung des Fettes zu berücksichtigen. Dies haben sie im renommierten Fachjournal „The Lancet Diabetes & Endocrinology“ veröffentlicht.Fettleibigkeit und ihre weitreichenden Folgen
Ein Viertel der Erwachsenen in Deutschland wird als adipös eingestuft. Der BMI, erklärt Bartelt, wird berechnet, indem das Körpergewicht in Kilogramm durch die Körpergröße in Metern zum Quadrat geteilt wird. Ab einem BMI von 30 gilt man als adipös. Das Robert-Koch-Institut liefert alarmierende Zahlen. Übergewicht kann hauptsächlich zu schweren Erkrankungen führen, wie Typ-2-Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Doch nicht jeder Mensch mit hohem BMI ist automatisch krank.
Fettverteilung: Warum sie entscheidend ist
Die Kritik am BMI ist nicht neu. Experten warnen seit längerem, dass der BMI keine differenzierte Auskunft über die Fettverteilung im Körper liefert. Robert Eckel von der University of Colorado in Aurora bringt es auf den Punkt: „Sich allein auf den BMI zu verlassen, ist problematisch.“ Ein erhöhter Taillenumfang könnte ein höheres Gesundheitsrisiko anzeigen als das gleiche Übergewicht an den Beinen. Daher ist es wichtig, zusätzliche Messdaten – wie den Taillenumfang – in Betracht zu ziehen.
Neue Begriffsdefinitionen für Adipositas
Professor Francesco Rubino vom King’s College London schlägt vor, die Adipositas als „klinische Fettleibigkeit“ zu definieren. Dies bedeutet, dass eine Person dann als adipös gilt, wenn ihre Organfunktionen beeinträchtigt sind. Zu den gesundheitlichen Kriterien gehören Herzprobleme, ein hoher Cholesterinspiegel oder Schlafapnoe. Für Menschen ohne gesundheitliche Beschwerden könnte die Bezeichnung „präklinische Adipositas“ gewählt werden. Auch hier ist eine regelmäßige Überwachung notwendig, jedoch keine sofortige medizinische Behandlung.
Zugänglichkeit zur Gesundheitsversorgung
Rubino sieht in der rein risikofokussierten Betrachtung der Adipositas ein großes Problem. Diese Perspektive könnte Patienten, die unter Adipositas leiden, schwerer zugänglich machen für notwendige Therapien. Eine pauschale Kategorisierung könnte zudem zur Überdiagnose führen. Mangelnde Überwachung könnte zu ernsthaften gesundheitlichen Problemen führen, was die Notwendigkeit eines differenzierten Ansatzes verdeutlicht.
Ernährungsmedizinische Perspektiven und Herausforderungen
Professor Hans Hauner von der TU München ist skeptisch. „Die Definition von Adipositas wird seit 25 Jahren diskutiert“, stellt er fest. Er bezeichnet die neuen Vorschläge als ungenau und sieht nur begrenzte Fortschritte darin. Hauner warnt davor, dass eine Spezifizierung des Wertes von 40 BMI für Behandlungen zu Mythen führen könnte, dass diese erst ab diesem Punkt notwendig wären.
Prävention statt Reaktion
Die Experten sind sich einig, dass die beste Therapie die Prävention ist. Bartelt betont, dass Ernährungsberatung und Physiotherapie wichtige Rollen spielen. Zudem könnten Medikamente wie die Abnehmspritze eine Unterstützung bieten, um langfristig teuren Therapien für chronische Folgeerkrankungen vorzubeugen. Prävention kann die Lebensqualität der Patienten erheblich steigern und langfristige Kosten reduzieren.
Mit Informationen von br/dpa und AFP.
Hier stellt sich die Dringlichkeit dar – eine Revision der Diagnoserichtlinien für Adipositas könnte nicht nur den Betroffenen helfen, sondern ebenso das Gesundheitssystem hinsichtlich seiner Effizienz fördern.