Neandertaler und ihre Fett-Fabrik: Ein neues Licht auf die prähistorische Ernährung

Die Art und Weise, wie wir essen, formt unser Wesen. Darum beschäftigt sich die Paleoanthropologie intensiv mit der Ernährung unserer Vorfahren. Essen erzählt Geschichten, um zu überleben, benötigten Frühmenschen essentielle Nährstoffe. Ein entscheidendes Element? Fett! Für Sammler und Jäger, speziell jene, die stark auf Fleisch angewiesen waren – tierische Fette waren eine fundamentale Energiequelle.

Neandertaler und ihre Fett-Fabrik: Ein neues Licht auf die prähistorische Ernährung

16. Juli 2025 von   Kategorie: Wissenschaft
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Die Kunst des Fett-Harvestings


Seltener boten Escorte. Manche Jäger mühten sich über Stunden damit ab, Knochen zu kochen, um auch den letzten Tropfen aus dem Mark zu gewinnen. Diese Methode des intensiven Ressourcen-Harvestings galt frühestens als eine Praxis des Spätpaläolithikums, das vor etwa 50.000 Jahren begann. Neueste Erkenntnisse zeigen jedoch, dass diese Technik weit verbreitet gewesen sein könnte. Unsere Vorfahren waren also nicht nur einfache Jäger – sie waren auch schlaue Fettsucher.

Ein neuer Forschungsbericht aus „Science Advances“ bringt Licht ins Dunkel. Archäologische Daten aus der Seenlandschaft Neumark-Nord in Deutschland zeigen, dass Neandertaler vor über 125.000 Jahren "Fett-Fabriken" aus Knochen betrieben. Lange vor dem modernen Menschen hatten diese intelligenten Homininen ein Lager am Wasser eingerichtet. Sie verarbeiteten systematisch die Knochen von mindestens 172 großen Tieren, zu denen Rehe, Pferde und sogar Auerochsen zählten.

Ein Weg zur Energiequelle


Diese Technik, die Knochen zu zermahlen und sie anschließend zu kochen, um Fett zu gewinnen, zeigt das Wissen der Neandertaler über die Nutzung von Energieressourcen. Diese Verfahren wurden lange Zeit nur späteren menschlichen Gruppen zugeschrieben. Die Stätte Neumark-Nord in Zentraldeutschland entwickelte sich zu einem prähistorischen Goldgruben, die seit den 1980er Jahren erkundet wird.

Dietrich Mania, ein Wegbereiter der Archäologie, legte den Grundstein. Ein Team hat im Zeitraum von 2004 bis 2009 die Fundstelle Neumark-Nord 2 ganzjährig ausgegraben. Über 175 internationale Studierende erhielten Anleitung und wertvolle Erfahrungen. Die Entdeckungen des Teams sind schlicht revolutionär.

Fossile Zeugen des Jagens und Aufbehaltens


Bereits 2023 wurde bekannt, dass Neandertaler gerade geraden Stoßzähnen von Elefanten nachstellten – diese 13 Tonnen schweren Giganten konnten eine ganze Gemeinschaft ernähren. Mehr als 2.000 Portionen täglich! Auch der Einsatz von Feuer zur Kontrolle von Vegetation zeigt ein Maß an Umweltbeherrschung, das einst als undenkbar galt.

Mit der Entdeckung dieser „Fett-Fabrik“, wo Neandertaler Fett aus Hunderte von Säugetierknochen gewannen, erhellt sich das Bild ihrer Welt weiter. Neandertaler lebten nicht nur; sie betrieben strategisches Ressourcenmanagement mit allem, was sie aus der Umwelt schöpfen konnten – von Rehen, über Elefanten bis hin zu Pflanzen.

Ein regionales kulturelles Netzwerk


„Was Neumark-Nord so außergewöhnlich macht, ist die Erhaltung einer gesamten Landschaft. Es handelt sich nicht um eine einzelne Fundstelle", sagte Wil Roebroeks, Mitautor der Studie. Über pflanzliche Nutzung gibt es auch einige Hinweise – relativ seltene Funde. Diese Vielzahl an Verhaltensweisen innerhalb einer Landschaft bietet ein reicheres Bild ihrer Kultur.

Neandertaler waren nicht bloß Gelegenheitsjäger. Sie betrieben vollumfängliches Fleischmanagement – das zeigt die Forschung. Während einer warmen Phase des Letzten Interglazials "ernähten" diese frühen Menschen regelmäßig hohe Zahlen an pflanzenfressenden Tieren.

Länderwürfe in der Nachbarschaft


Die Entdeckung beschränkt sich nicht nur auf diese eine Region. Nahegelegene Stätten wie Rabutz, Gröbern und Taubach zeigen ähnliche Zeichen großangelegten Jagens. Beispielsweise wurden allein am Taubach-Szenario markierte Knochen von 76 Nashörnern und 40 Elefanten gefunden – ein erstaunliches Zeugnis der Jagdkünste der Neandertaler.

Diese Erkenntnisse vermitteln ein kühn neues Bild von Neandertalern: Sie überlebten nicht lediglich, sondern blühten auf, strategische große Sammler, die wussten, wie sie das Land effizient nutzen konnten. Zu Ehren ihrer bemerkenswerten Fähigkeiten gilt den Neandertalern nun ein neuer Respekt in der wissenschaftlichen Gemeinschaft – nicht die groben, primitiven Jagdgesellschaften, für die sie lange gehalten wurden.

Die Studie ist veröffentlicht in Science Advances.

Quelle: Leiden University