Das neuartige Gel wird Anwendung finden, ähnlich dem klassischen Fluoridverfahren, das Zahnärzte verwenden. Es bildet eine eine dünne Schicht, die durch den Zahnschmelz dringt. Diese Schicht kräftigt den bestehenden Zahnschmelz und repariert ihn aktiv. Dabei erzeugt das Gel eine Art Gerüst, das Mineralien anzieht. Ein Prozess, der als epitaxiale Mineralisierung bekannt ist, begünstigt das weitere Wachstum durch diese neu gebildeten Mineralien. Dies führt zu einer Fusion neuer Ablagerungen mit dem vorhandenen Gewebe. Letztlich entsteht dadurch ein effizienterer Zahnschmelz – eine bemerkenswerte Errungenschaft.
Dr. Abshar Hasan, der Hauptautor der Studie und Postdoktorand an der Universität Nottingham, erklärte: „Die Struktur des Zahnschmelzes ist einzigartig. Diese Struktur verleiht dem Zahnschmelz seine bemerkenswerten Eigenschaften. Sie schützt unsere Zähne ein Leben lang vor physischen, chemischen und thermischen Belastungen.“ Wenn das Gel auf demineralisierten oder erodierten Zahnschmelz aufgetragen wird, fördert es das Wachstum von Kristallen auf eine integrierte und organisierte Weise. Somit wird die Architektur des gesunden, natürlichen Zahnschmelzes wiederhergestellt.
Zahngesundheit als globales Problem
Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind schätzungsweise 3,7 Milliarden Menschen weltweit von irgendeiner Form von Zahnkrankheit betroffen. Die Erosion des Zahnschmelzes ist ein erhebliches Problem und trägt stark zur Kariesbildung bei. Hintergrund sind zahlreiche chemische und mechanische Einflüsse. Dazu zählen etwa der häufige Konsum von säurehaltigen und zuckerhaltigen Lebensmitteln – Beispiele hierfür sind Limonade und Fruchtsäfte. Auch nächtliches Zähneknirschen oder das aggressive Zähneputzen sowie Reflux und trockener Mund tragen zur erosiven Abnutzung bei.
Schmerzhaft ist die Erkenntnis, dass wir den Verlust von Zahnschmelz bis heute nicht reparieren können. Dadurch leiden viele Menschen unter abgebrochenen oder rissigen Zähnen sowie Karies. Fluorid-Werkstoffe spielen eine Rolle, jedoch reparieren sie nur eingeschränkt – sie heilen die bereits erlittenen Schäden nicht.
Die Lösung im Detail
Das Forschungsteam hat eine anpassbare und widerstandsfähige supramolekulare Matrix entwickelt. Sie basiert auf elastinähnlichen Recombiner, die die Struktur und Funktion der schmelzbildenden Matrix imitieren. Wenn dieses Gel auf Zähne mit unterschiedlichen Erosionsgraden aufgetragen wird, stabilisiert sich die Matrix. Sie regt das epitaxiale Wachstum von Apatit-Nanokristallen an. Dies ermöglicht es, die Mikroarchitektur der verschiedenen anatomischen Bereiche des Zahnschmelzes nachzubilden. Das Ergebnis? Eine Wiederherstellung der mechanischen Eigenschaften des Zahnschmelzes.
Die Wissenschaftler arbeiteten dabei mit extrahierten menschlichen Molaren, um verschiedene Stadien der Zahnerosion zu simulieren. Zunächst wurde die Oberfläche mit Säure behandelt. Dann wurde eine Schicht des biomimetischen elastinähnlichen Recombiner-Gels aufgetragen. Nach dem Trocknen wurden die Zähne in speziell gesteuerten Mineralisationsbädern platziert. Diese Bäder simulierten die ionische Umgebung des Speichels. Innerhalb von etwa zehn Tagen konnte das ELR-Gel passiv Kalzium- und Phosphat-Ionen anziehen. Diese Ionen kristallisierten sich innerhalb der Gerüststruktur und führten zur epitaxialen Bildung von Fluorapatit-Nanokristallen.
Was geschah anschließend? Mithilfe von Elektronenmikroskopie bestätigte das Team, dass die neu gebildeten Apatitkristalle nahtlos mit dem darunterliegenden Zahnschmelz oder Dentin wuchsen. Der neue Zahnschmelz zeigte eine kontinuierliche Gitteranordnung. Nanoindentationstests bestätigten, dass der remineralisierte Zahnschmelz fast identisch zum gesunden Zahnschmelz war. Erstaunlicherweise wiesen die Zähne, nach Simulation alltäglichen Verschleißes, eine überlegene Widerstandsfähigkeit auf – gegenüber Abnutzung, Brüchen und Säureangriffen war die neue Schicht deutlich resistenter als der natürliche Zahnschmelz.
Zukunftsperspektiven für Patienten
Professor Alvaro Mata, Lehrstuhlinhaber für Biomedizinische Technik und Biomaterialien an der Universität Nottingham, äußerte sich optimistisch: „Wir sind sehr begeistert, weil die Technologie sowohl für Kliniker als auch Patienten konzipiert wurde. Diese ist sicher, lässt sich leicht und schnell anwenden und ist skalierbar.” Das Forschungsteam plant, die Technologie weiterzuentwickeln. Eine Jungunternehmung namens Mintech-Bio wurde bereits gegründet, um die ersten Produkte zu entwickeln. In naher Zukunft könnten Patienten weltweit von dieser Innovation profitieren.
Es ist wichtig zu betonen, dass die präsentierten Ergebnisse vorläufig sind – die Tests fanden ex vivo unter kontrollierten Bedingungen statt. Der ELR-Beschichtungsfilm war zudem nur wenige Mikrometer dick – dünner als natürlicher Zahnschmelz – weshalb die Langzeitbeständigkeit unbekannt bleibt. Dennoch zeigt das Gel vielversprechende Perspektiven in der Regeneration des Zahnschmelzes. Weitere Entwicklungen und Tests sind nötig, bevor die Anwendung im alltäglichen Gebrauch Einzug hält.
Quelle: Nature.com