In diesem Monat wurden die Ergebnisse auf dem 38. Kongress des Europäischen Colleges für Neuropsychopharmakologie (ECNP) in den Niederlanden präsentiert. Wenn auch nicht jeder Mensch mit Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) als kreativ gilt, zeigen viele neuartige Denker in dieser Bevölkerungsgruppe eine ausgeprägte Kreativität. Die Forschung könnte also das Verständnis für die Verbindung zwischen ADHS und kreativen Fähigkeiten erweitern.
Neue Erkenntnisse zur Gedankendrift
Die Forscher untersuchten zwei unterschiedliche Gruppen von ADHS-Patienten. Eine Gruppe stammte aus einem europäischen Kontext und die andere aus Großbritannien. Insgesamt nahmen 750 Teilnehmer an den Studien teil. "Wir analysierten die Daten aus zwei unabhängigen Gruppen. Dadurch hatten wir mehr Vertrauen in die Ergebnisse", erklärte Han Fang, der Hauptforscher. Eine interessante Entdeckung: In beiden ADHS-Gruppen gab es keine signifikanten Unterschiede in den Symptomen, die sich in einer hohen Prävalenz von Unaufmerksamkeit, Impulsivität und Konzentrationsprobleme äußerten.
Die Teilnehmer der ADHS-Gruppen, die schwerwiegendere Symptome berichteten, hatten jedoch eine deutlich höhere Rate an "Wandern des Geistes". Dabei handelt es sich um den Prozess, bei dem sich die Aufmerksamkeit vom aktuellen Thema entfernt. Dies unterscheidet sich vom Tagträumen, da es eine aktive Ablenkung von der Aufgabe darstellt.
Mind-Wandering vs. Tagträumen – Ein tieferer Einblick
"Vorherige Studien betrachteten das Wandern des Geistes als möglichen Zusammenhang zwischen ADHS und Kreativität", erläuterte Fang. Es gibt zwei Haupttypen dieser Gedankendrift. Erstens das spontane Wandern, bei dem Gedanken ziellos von einem Thema zum nächsten springen. Zum anderen gibt es das gezielte Wandern, bei dem Personen bewusst erlauben, von einem Thema abzuschweifen. Psychiater haben heutzutage Methoden entwickelt, um diese unterschiedlichen Tendenzen zu messen.
Eine spannende Verknüpfung entsteht, wenn die Daten des Wanderns mit Kreativitätspunkten der Teilnehmer abgleichen. Tests, die Einfallsreichtum und Originalität messen, bieten dafür eine Bewertungsgrundlage. Es stellte sich heraus, dass es einen klaren Zusammenhang zwischen der Häufigkeit des Wanderns des Geistes und den Kreativitätsergebnissen gab. Auf den ersten Blick mag dies verwirrend erscheinen; dennoch zeigen die Ergebnisse, dass der oft als negativ geltende Zustand des Geisteswanderns in der Tat eine Quelle der Kreativität darstellen könnte.
ADHS und die Förderung kreativer Potenziale
Die Implikationen sind weitreichend. Die Forscher empfehlen ADHS-Coaching- oder Therapieprogramme, die darauf abzielen, das Wandern des Geistes in kreative Outputs umzuwandeln. Solche Interventionen könnten den neurodivergenten Menschen das Gefühl der Selbstbestimmung und Unterstützung ihrer natürlichen Fähigkeiten geben. "Achtsamkeitsbasierte Interventionen, die sich auf ADHS konzentrieren, könnten die spontane Gedankendrift reduzieren und in gezielte Formen umwandeln", bemerkte Fang. Die Wirksamkeit solcher Programme könnte letztlich die Funktionsfähigkeit steigern und die Therapieergebnisse verbessern.
Die Ergebnisse der Studie wurden bislang nur vorläufig präsentiert und sind noch nicht vollständig veröffentlicht. Dennoch ist es das erste Mal, dass dieser spezifische Zusammenhang untersucht wurde. Fang schloss, dass das Wandern des Geistes eine essentielle Ressource für die bemerkenswerte Kreativität von hochfunktionalen ADHS-Individuen darstellt. Er hob hervor, dass diese Fähigkeit sie zu wertvollen Ressourcen für die Gesellschaft und die Zukunft unseres Planeten macht.
Fazit und Ausblick
Das Zusammenspiel zwischen ADHS und kreativen Denkprozessen erfordert weitere Forschung. Die Erkenntnisse eröffnen neue Perspektiven für Therapieansätze und das allgemeine Verständnis von Kreativität. In der Zukunft könnten umfassendere Studien mehr Licht auf diese interessante Verbindung werfen und dazu beitragen, das Wesen der Kreativität besser zu erfassen.
Quelle: Radboud University Medical Centre