Die „Schlüssel“ des Virus
Festzuhalten ist, dass sich auf der Oberfläche des Influenza-Virus zwei entscheidende Moleküle befinden. Diese werden als Hemagglutinin (HA) und Neuraminidase (NA) bezeichnet. Ihre Funktion? Sie dienen als Lockpicks, um in die menschlichen Zellen einzudringen. Aber wie genau passiert das? Der Virus lässt sich nicht einfach hineinbitten – er hat einen Plan.
- Influenza-Virus agiert wie ein Dieb auf der Suche nach offenen Türen.
- HA und NA binden sich an Moleküle, die als Sialinsäuren bekannt sind.
- Der Virus rutscht entlang der Zelloberfläche und sorgt dafür, dass die Zelle ihn wie einen unerwünschten Gast aufnimmt.
Dieser Vorgang wird als Endozytose bezeichnet.
Die Technologie des Sehens: ViViD-AFM
Traditionelle Mikroskope stoßen jedoch oft an ihre Grenzen. Die kleinen und schnellen Schritte der Viren bleiben unsichtbar. Doch kürzlich haben Forscher aus der Schweiz und Japan einen Durchbruch erzielt. Sie entwickelten ein neues „Supermikroskop“, das zwei leistungsstarke Bildgebungstechniken kombiniert. Dies wird als Virus-View Dual Confocal und AFM (ViViD-AFM) bezeichnet. Mit dieser Methode können Wissenschaftler lebende menschliche Zellen in erstaunlicher Detailgenauigkeit beobachten.
Die Ergebnisse waren überwältigend. Zum ersten Mal konnten Forscher die nanoskaligen Abläufe während der Infektion direkt beobachten. Was besonders überraschte, war die Reaktion der Zielzelle. Anstatt passiv zu bleiben, zeigte die Zelle aktive Abwehrmechanismen. Sie streckte sich, verschob sich und schien sogar zu versuchen, den Virus einzufangen.
Das „Tanzspiel“ zwischen Virus und Zelle
Yohei Yamauchi von der ETH Zürich beschreibt diesen Prozess als ein „Tanzspiel“ zwischen Virus und Zelle. Die neue Technik ermöglichte das Beobachten von Einzelvirus-Partikeln unter verschiedenen Bedingungen. Verschiedene Faktoren wie blockierte Virusproteine oder geänderte Bindestellen wurden ebenfalls untersucht. Hierbei interessierte es die Forscher besonders, wie sich die Zellmembran vor und während des Eindringens des Virus verformt.
Die Bedeutung von aktinischen Wölbungen
Die Studie zeigte, dass Influenza-Viren größere Wölbungen auf der Zelloberfläche benötigen, um einzudringen. Diese Wölbungen entstehen durch das Protein Aktin, welches die Zellgestalt beeinflusst. Überraschenderweise erkannten die Wissenschaftler, dass bestimmte Inhibitoren diesen Prozess nicht beeinflussten. Dies deutet darauf hin, dass der Mechanismus möglicherweise auch bei anderen Zellaktivitäten eine Rolle spielt.
Sobald der Virus an Rezeptorcluster bindet, sendet er Signale aus. Diese Signale bewirken, dass die Zelle sich um den Virus wickelt, während sie eine Clathrin-Hülle bildet. Dadurch wird der Virus in einen Vesikel eingeschlossen und tiefer in die Zelle Richtung Zellkern transportiert.
Ausblick: ViViD-AFM und die Medikamente der Zukunft
Ein derart fortschrittliches Mikroskop könnte künftig eine wesentliche Rolle in der Arzneimittelforschung spielen. Forscher können damit in Echtzeit testen, wie effektiv antivirale Medikamente wirken. Darüber hinaus könnte dieses Werkzeug auch für die Untersuchung anderer Viren verwendet werden. Es stehen viele Fragen im Raum – etwa, wie Impfstoffe mit Zellen interagieren.
ViViD-AFM könnte damit ein „Fenster“ in die geschäftige Welt der Zellen bieten. Die Möglichkeit, unterschiedliche biologische Interaktionen zu beobachten, ist vielversprechend. Eine neue Ära des Verständnisses darüber, wie zelluläre Mechanismen funktionieren, könnte uns bevorstehen.
Die Ergebnisse dieser faszinierenden Studie wurden in der renommierten Fachzeitschrift PNAS veröffentlicht.