Kürzlich wurde in einer umfassenden Studie ermittelt, was über die Gemeinschaften von Mikroorganismen bekannt ist, die in Krebsgewebe leben – das Tumormikrobiom. Dies betrifft verschiedene Krebsarten. Die Untersuchung ist revolutionär, da sie auf deren Einfluss auf Tumorentwicklung und -verhalten eingeht – Wissen, das die Art und Weise verändern könnte, wie Krebserkrankungen diagnostiziert, behandelt und überwacht werden.
Forschungsergebnisse nach Krebsart
Die Forscher analysierten Daten nach der Krebsart: Brust-, Lungen-, Prostata-, Bauchspeicheldrüsen-, Magen-, Dickdarm-, Eierstock-, Melanom-, Leber-, Speiseröhren-, Gehirn- und Knochenkrebs. Eine erhebliche Erkenntnis waren die unterscheidbaren mikrobiellen "Signaturen". Lungengewebe, bislang als steril betrachtet, beherbergt beispielsweise Mikroben wie Proteobacteria und Firmicutes. In kranken Lungen ist eine geringere bakterielle Diversität zu beobachten, wobei Streptococcus und Neisseria häufig in höheren Konzentrationen vorkommen. Prostatakrebs zeigt ein breites Spektrum an Mikroben – besonders Proteobacteria und Actinobacteria sind zahlreich vertreten, ebenso wie Viren und Pilze.
Bei Eierstocktumoren dominieren Firmicutes, Proteobacteria, Chlamydien, Mykoplasmen und diverse Pilze; Infektionen mit humanen Papillomaviren (HPV) und Cytomegaloviren (CMV) sind ebenfalls häufig. Interessanterweise zeigt eine Analyse, dass bestimmte Bakterien wie Thermus und Legionella mit fortgeschrittenen Lungenkrebserkrankungen und Metastasen in Verbindung stehen.
Zusammenhänge zwischen Mikrobiota und Überleben
Die Studienergebnisse deuten darauf hin, dass die mikrobielle Diversität bei Bauchspeicheldrüsenkrebs mit dem Überleben korreliert – dies könnte als prognostischer Marker dienen. Auch bei Dickdarmkrebs fand sich ein Zusammenhang zwischen der Zusammensetzung der Mikrobiota, dem Tumorstadium und der Überlebensrate. Solche Entdeckungen eröffnen neue Perspektiven.
Mechanismen der Beeinflussung durch Mikroben
Die Wissenschaftler haben mehrere Mechanismen untersucht, durch die Mikroben Krebs beeinflussen können. Einige Bakterien fügen ihr genetisches Material in das Genom des Wirts ein – ein Beispiel ist HPV bei Ovarialkarzinomen – andere produzieren Toxine, die DNA schädigen können (wie bei E. coli) und Mutationen auslösen. Diese Theorie ist nur eine von vielen. Eine andere besagt, dass mikrobielle Stoffwechselprodukte krebserregende Signalwege aktivieren, die das Tumorwachstum und die Ausbreitung fördern. Der dritte Mechanismus sieht vor, dass Mikroben das lokale Immunsystem vor Ort verändern. Sie können die Anti-Tumor-Immunität verringern oder Entzündungen fördern. So reduziert Fusobacterium nucleatum die T-Zell-Aktivität – ein Phänomen, das bei Dickdarm- und Speiseröhrenkrebs beobachtet wird.
Das Potenzial des Tumormikrobioms
Fast alle Krebsarten haben ihre spezifischen mikrobiellen Ökosysteme. Diese Mikroben können das Tumorwachstum fördern oder hemmen, Immunantworten verändern und Behandlungsergebnisse beeinflussen. Ein Verständnis und die gezielte Ansprache des Tumormikrobioms könnte einige weitreichende Effekte hervorbringen. Dies könnte zu früheren, genaueren Diagnosen führen. Zudem könnte es personalisierte Behandlungen ermöglichen, die auf mikrobiellen Profilen basieren. Ein zusätzlicher Vorteil wäre die Überwindung der Medikamentenresistenz, was die Überlebensraten verbessern könnte.
Dennoch bleibt zu klären, ob diese Mikroben Krebserkrankungen verursachen oder sich einfach an die tumoralen Umgebungen anpassen. Die vorliegende Studie wurde in der Fachzeitschrift Genes & Diseases veröffentlicht.
Fazit: Die Zukunft der Krebsforschung
Die Erkenntnisse über das Tumormikrobiom eröffnen neue Wege für das Verständnis von Krebs und seiner Behandlung. Der Einfluss der Mikrobiota könnte nicht nur zur Prüfung neuer diagnostischer Methoden führen, sondern auch zu bahnbrechenden therapeutischen Ansätzen.
Quelle: Genes & Diseases