Die neue Perspektive auf Gewicht und Gesundheit: Dünn vs. Übergewicht

In der heutigen Welt wird Schlankheit oft mit Gesundheit gleichgesetzt. Eine neue dänische Studie hat diese Annahme jedoch auf den Kopf gestellt. Es zeigt sich, dass leichtes Übergewicht oder sogar mildes Übergewicht möglicherweise weniger gesundheitsschädlich ist als lange angenommen. Tatsächlich könnte es in einigen Fällen sogar sicherer sein als ein niedriges Gewicht.

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Die neue Perspektive auf Gewicht und Gesundheit: Dünn vs. Übergewicht

von   Kategorie: Wissenschaft
Being too thin linked to a higher death risk than excess weight.jpg

Ergebnisse der dänischen Studie


Die Forschung wurde auf der Konferenz der Europäischen Vereinigung zur Studie von Diabetes (EASD) in Wien präsentiert. Hier wurde das Phänomen unterstützt, das manchmal als "dick, aber fit" bezeichnet wird. Diese Erkenntnisse stellen die weit verbreitete Ansicht in Frage, dass dünner immer gesünder ist.

Der grundlegende Mechanismus des Körpers


Lebensmittel sind mehr als nur Brennstoff; sie sind das Fundament des Überlebens. Wenn der Körper lebenswichtige Nährstoffe entbehrt, schaltet er in einen katabolischen Zustand. In diesem Zustand beginnt der Körper, eigenes Gewebe abzubauen. Dazu gehören Muskeln, Fett und sogar lebenswichtige Organe, um Energie zu gewinnen. Das Gehirn genießt Priorität, da es das zentrale Kommando ist. Um es am Laufen zu halten, werden Ressourcen umgeleitet – oft auf Kosten anderer Körpersysteme.

Eines der ersten Systeme, das beeinträchtigt wird, ist das Immunsystem. Es kann sich verlangsamen oder ganz abschalten. Dies lässt den Körper anfällig für Infektionen und Krankheiten werden. Reparaturprozesse kommen zum Stillstand. Das Gleichgewicht der Hormone gerät ins Wanken. Selbst die Temperaturregulation und die Herzfunktion können beeinträchtigt werden. Aus diesem Grund können Energiereserven lebensrettend sein.

Details zur Untersuchung und deren Befunde


In der Studie wurden über 85.000 Erwachsene verfolgt – die Ergebnisse sind alarmierend. Individuen mit einem Body-Mass-Index (BMI) im Übergewicht-Spektrum hatten während einer fünfjährigen Nachverfolgung kein erhöhtes Sterberisiko im Vergleich zu denen am oberen Ende des "normalen" Bereichs. Überraschend ist, dass Personen mit BMIs im Untergewichtsfeld oder im unteren Bereich der „gesunden“ Kategorie signifikant höhere Sterberaten aufwiesen.

Der BMI ist ein international anerkanntes Maß zur Beurteilung, ob eine Person ein „gesundes“ Gewicht hat. Er wird ermittelt, indem die Körpermasse durch das Quadrat der Körpergröße geteilt wird – das Resultat ist eine Zahl in kg/m². Ein Wert zwischen 18,5 und <25 kg/m² gilt im Allgemeinen als normalgewichtig. Untergewicht liegt bei <18,5 kg/m², Übergewicht bei 25 bis <30 kg/m² und Adipositas bei über 30 kg/m².

Die Risiken von Untergewicht und Übergewicht


Die Daten der Untersuchung zeigen eine U-förmige Kurve im Sterberisiko. In der Studie verstarben 7.555 von 85.761 Teilnehmern – dies entspricht 8 % der Probanden. Untergewichtige hatten ein fast dreimal höheres Risiko zu sterben. Jene mit einem BMI zwischen 18,5–20,0 hatten das doppelte Risiko. Besonderes bedenklich ist, dass schon jene im Bereich von 20,0–22,5 ein 27 % höheres Risiko aufwiesen. Im Gegenteil zeigten Übergewichtige (25 bis <30 kg/m²) und mild Fettleibige (30,0 bis <35,0 kg/m²) kein erhöhtes Sterberisiko. Nur bei stark fettleibigen Personen (BMI ≥ 40) war eine signifikant erhöhte Sterberate von 23 % festzustellen – mehr als doppelt so viel wie bei anderen Gruppen.

Alter, Komorbiditäten und deren Einflüsse


Das mittlere Alter der Teilnehmer betrug 66,4 Jahre. Die meisten wurden gesundheitlich durchleuchtet, was die Daten möglicherweise zugunsten jener mit bereits bestehenden Gesundheitsproblemen verzerrte. Alle Ergebnisse wurden unter Berücksichtigung von Geschlecht, Komorbiditäten und Bildungsgrad angepasst.

Diese Ergebnisse fordern die gängige Überzeugung heraus, dass Dünnheit nicht immer schützend ist. Übergewicht ist nicht immer schädlich. Untergewicht kann insbesondere bei älteren Erwachsenen gesundheitliche Risiken erhöhen.

Die Rolle des Körperfetts und persönliche Gesundheitsprofile


Ein gewisses Maß an Körperfett unterstützt den Körper dabei, Krankheiten zu bewältigen. Krebsbehandlungsbedingter Gewichtsverlust ist ein Beispiel dafür. Personen mit höherem Ausgangsgewicht haben Reserven, um essenzielle Funktionen aufrechtzuerhalten. Sehr dünne Individuen kämpfen möglicherweise mit der Genesung. Plötzlicher Gewichtsverlust kann verborgene Gesundheitsprobleme wie Krebs oder Typ-1-Diabetes signalisieren. Ein niedriger BMI steht also nicht immer für gute Gesundheit – manchmal weist er auf eine zugrunde liegende Krankheit hin.

Dr. Sigrid Bjerge Gribsholt von der Aarhus Universität führt die Forschung an und betont, dass sowohl Untergewicht als auch Übergewicht große globale Gesundheitsprobleme darstellen. Übergewicht könnte den Stoffwechsel stören, das Immunsystem schwächen und zu Krankheiten wie Typ-2-Diabetes führen – darüber hinaus stehen bis zu 15 verschiedene Krebsarten in Zusammenhang mit Übergewicht. Untergewicht hingegen führt oft zu Mangelernährung und Nährstoffmangel.

Eine neue Sicht auf den BMI und Gesundheit


Konfliktbeladene Erkenntnisse gibt es zum optimalen BMI-Bereich, der mit der niedrigsten Sterblichkeit verbunden ist. Früher galt ein BMI von 20 bis 25 als ideal, heute könnte dieser Wert aufgrund medizinischer Fortschritte höher liegen. Eine überraschende Entdeckung war, dass ein BMI bis 35 nicht das Sterberisiko erhöht. Dr. Gribsholt spricht von „umgekehrter Kausalität“. Manche Menschen verlieren Gewicht wegen einer versteckten Erkrankung – nicht das Gewicht selbst erhöht das Sterberisiko.

Professor Jens Meldgaard Bruun ergänzt – BMI ist nicht das einzige Indiz für gefährliche Fettansammlungen. Die Dosierung von Körperfett und dessen Verteilung hat größere Bedeutung als die Menge. Viszerales Fett – fettet tief im Bauch – schädigt die metabolische Gesundheit. Zwei Menschen mit gleichem BMI können ganz unterschiedliche gesundheitliche Profile aufweisen.

Diese Erkenntnisse stimmen mit jüngsten Forderungen überein, die Diagnostik von Adipositas zu überdenken. Laut einer Studie der Global Commission on Clinical Obesity berücksichtigt der BMI nicht die Körperzusammensetzung und gibt nicht preis, ob ein erhöhter BMI auf Übergewicht basiert. Daher wird ein neues Konzept vorgeschlagen, das metabolische Marker und die Lage des Fettes betrachtet. Harvard-Forscher haben herausgefunden, dass der Körperfettanteil und dessen Verteilung bessere Prädiktoren für Herzkrankheiten sind als der BMI.

Der personalisierte Ansatz zur Gewichtsdebatte


Brunn fordert einen personalisierten Behandlungsansatz für Übergewicht, der Faktoren wie die Verteilung des Fettes und das Vorhandensein von Erkrankungen berücksichtigt. Diese Studie spricht nicht gegen die Bemühungen, Fettleibigkeit zu bekämpfen. Vielmehr fordert sie eine individuell angepasste Herangehensweise, die das Alter, die Muskelmasse sowie das Vorhandensein gesundheitlicher Probleme miteinbezieht.

Das ist ein Paradigmenwechsel in der Gewichtsdebatte.

Quelle: ScienceDaily