Störungen des zirkadianen Rhythmus und ihre Folgen
Es wird seit längerem vermutet, dass Personen mit ADHS einen gestörten zirkadianen Rhythmus aufweisen. Bisher blieb der genaue Mechanismus, der Schlafprobleme und ADHS miteinander in Verbindung bringt, jedoch unklar.
Die bahnbrechende Studie der Nagoya Universität
Eine neue Studie, die von der Nagoya University Graduate School of Medicine in Japan durchgeführt wurde, scheint nun eine Antwort auf diese Fragen zu liefern. In der Forschung wurde eine Assoziation zwischen der nächtlichen Melatoninproduktion und der Schwere von ADHS-Symptomen bei Kindern entdeckt. Der leitende Autor der Studie, Associate Professor Nagahide Takahashi, MD, PhD, äußerte sich zu den Ergebnissen: „Unsere Funde zeigen, dass Störungen in der Melatoninsynthese die Schwierigkeiten der Kinder mit ADHS erklären könnten, regelmäßige Schlafmuster aufrechtzuerhalten.“
Daten von verschiedenen Studienkohorten
Für die Studie wurden Daten aus drei unterschiedlichen Kohorten erhoben.
- Die dänische iPSYCH-Studie, beinhaltete 14.584 Teilnehmer mit ADHD und 22.492 Teilnehmer ohne ADHD.
- Daten von 2.373 Erwachsenen aus dem Taiwan Biobank wurden verwendet. Hierbei wurde ein Maß namens UMCR (Urin-6-Hydroxymelatonin-Sulfat-zu-Kreatinin-Verhältnis) zur Analyse genetischer Marker in Bezug auf die Melatoninsekretion zugrunde gelegt.
- Die japanische Hamamatsu Birth Cohort (HBC) umfasste 729 Kinder im Alter von acht bis neun Jahren. Dies beinhaltete sowohl genetische Daten als auch Ergebnisse zu ADHS-Symptomen.
Die Forscher verwendeten UMCR als Ersatz für die nächtliche Melatoninsekretion. Zudem wurden ADHS-Symptome, Schlafverhalten von Kindern und polygenetische Risikoscores (PRS) gemessen.
Zusammenhang zwischen Melatonin und ADHS-Symptomen
Nach der Analyse dieser Messungen wurde eine statistisch signifikante genetische Korrelation zwischen einer verringerten Melatoninsekretion und einem höheren ADHS-Risiko festgestellt. In der HBC-Kohorte wiesen Kinder mit einem höheren genetischen Risiko für einen reduzierten Melatoninspiegel mehr ADHS-Symptome auf, insbesondere in Bezug auf Unaufmerksamkeit. Auffällig war auch der Zusammenhang zwischen höherem genetischen Risiko in Bezug auf Melatonin und verzögertem Schlafbeginn; dennoch konnte dieser nicht als alleinige Erklärung für die Verbindung zwischen Genetik und ADHS-Symptomen dienen.
Biologische Mechanismen und Entzündungsmarker
Die Forscher stellten zudem fest, dass ein tiefergehendes Verständnis der biologischen Mechanismen erforderlich ist, die die Verbindung zwischen Melatoninsekretion und ADHS-Symptomen erklären könnten. Dazu prüften sie die IL-6-Werte (Interleukin-6) im Blut der betroffenen Kinder. Frühere Studien ergaben, dass Kinder mit ADHS deutlich erhöhte IL-6-Werte aufweisen. Dies deutet darauf hin, dass IL-6 möglicherweise zur Entwicklung der Erkrankung beitragen könnte.
Die Studie identifizierte verschiedene immunologische Signalwege, insbesondere die, die mit IL-6 in Verbindung stehen, als assoziiert mit sowohl der Melatoninsekretion als auch ADHS. Diese spannende Entdeckung wirft Fragen bezüglich der Wechselwirkungen zwischen Melatonin und Immunantworten auf.
Einschränkungen der Studie und Ausblick auf künftige Forschung
Es sind jedoch Einschränkungen der Studie zu beachten. Die Forscher maßen in der japanischen Kohorte keine tatsächlichen Melatonin- oder UMCR-Werte. Lediglich das genetische Risiko wurde erhoben. Auch fehlte eine zweite Kohorte zur Bestätigung der PRS-Ergebnisse. Aus diesem Grund sind die Ergebnisse vorläufig und bedürfen einer weiteren Verifizierung durch zukünftige Studien.
Praktische Implikationen für ADHS-Betroffene
Unabhängig von diesen Einschränkungen haben die Erkenntnisse das Verständnis der komplexen Wechselwirkungen zwischen Schlaf und neurodevelopmentalen Störungen wie ADHS erheblich erweitert. Der praktische Nutzen dieser Daten ist ebenfalls nicht zu unterschätzen. „Diese Erkenntnisse deuten darauf hin, dass Kinder mit ADHS-Diagnosen Schwierigkeiten haben könnten, ihren zirkadianen Rhythmus aufgrund eines gestörten Melatoninsekretionssystems aufrechtzuerhalten“, bemerkten die Forscher. Gute tägliche Schlafgewohnheiten und Schlafhygiene könnten entscheidend sein.
Die Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift “Psychiatry Research Communications” veröffentlicht.
Quelle: University of Osaka