Interview : Kodimey

Dieses Thema im Forum "Musik & Musiker" wurde erstellt von -Amaro-, 6. Juli 2009 .

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  1. 6. Juli 2009
    Es ist Freitag, früh am Abend. Man könnte fast glauben, es sei nun wirklich Sommer. Wir befinden uns vor der lauschigen Kulisse der HipHop-Bühnen-Kehrseite auf dem "Ract!"-Festival in Tübingen. Auf der Bühne performt Tua gerade einen Hit nach dem anderen, während ich es mir mit dem tatsächlich ein Meter neunzig großen Rapper Kodimey auf einer Bierbank gemütlich gemacht habe. Was er und der Rest der Affenbande aus dem Hause Chimperator so treibt, erzählt er mir jedoch trotz hitbedingt hohem Ablenkungspotential bereitwillig und vergisst auch nicht, Kumpel Jacko hin und wieder zu erwähnen.

    rappers.in: Hallo, Kodimey. Wie groß bist du?

    Kodimey: Ein Meter neunzig. Soll ich dir meinen Ausweis zeigen?

    rappers.in: Ne, ich glaub's dir. Mir scheint, als wärst du ein ziemlicher Tausendsassa. Beschreibe uns doch mal, worum sich dein Leben momentan, besonders in musikalischer Hinsicht, dreht.

    Kodimey: Also, besonders in musikalischer Hinsicht und sehr aktuell ist, dass wir seit gestern im Studio sind. Das ganze Chimperator-Team. Und einen Sampler aufnehmen, der anders ist. Chimperator ist – man mag es kaum glauben – schon zehn Jahre alt. Uns gibt's seit '99 und wir machen einen Sampler und gehen dann im Dezember auf Tour. Und jetzt ist gerade mein Hauptanliegen, diesen Sampler zu machen. Nebenher mache ich noch 'ne EP, die nächsten Monat schon kommt. Das wird wohl so ein Michael Jackson-Ding. Zu den Konzerten in London gehe ich und bin ein verrückter Fan! Und dann wird's wohl ein Album geben, aber wann das kommt, kann ich noch nicht so direkt sagen. Und sonst – der Rest meines Lebens ist meine Magisterarbeit, die ich gerade am fertig schreiben bin.

    rappers.in: Welches Fach?

    Kodimey: Amerikanistik.

    rappers.in: Nebenfach?

    Kodimey: Germanistik. Das sind zwar beides Hauptfächer, aber man schreibt nur in einem...

    rappers.in: Aha! Was erwartest du dir von der eben eröffneten Festivalsaison?

    Kodimey: Ganz viel Spaß für meine Kollegen, weil ich nirgendwo dabei bin. Die Jungs, Maeckes, Plan B, Kaas und Tua sind viel unterwegs. Meine Festivalsaison ist in London: sieben Michael Jackson-Konzerte. Von allem anderen will ich nichts wissen, ich hab' nichts mit HipHop zu tun, ich gehe nur noch auf Michael Jackson-Konzerte. (lacht)

    rappers.in: Ha! Schön. Welche Rolle spielen Affen in deinem Leben?

    Kodimey: Ich hätte gerne einen, hab' aber keinen, weil die teuer sind und viel Dreck machen. Die schmeißen mit ihrem Kot gegen die Wände! Wenn die sauer auf einen sind, schmeißen die mit . Wir sind ja hier im HipHop, da darf man sowas sagen. Ich finde[, Affen sind so mit die faszinierendsten Tiere. Und es ist auch der Grund, warum der Affe unser Logo ziert, warum der Affe unser Symbol ist.

    rappers.in: Was ist das Besondere an ihnen?

    Kodimey: Ihre Menschenähnlichkeit finde ich sehr faszinierend. Und es sind einfach schöne Tiere, von der Ästhetik her, wie sie sich bewegen und sind. Das ist einfach eine Affensympathie. Klingt komisch, aber ja.

    rappers.in: Würdest du viele Rapper auf einem Haufen mit einer Affenhorde vergleichen?

    Kodimey: Ja, also das letzte Mal, als ich viele Rapper auf einem Haufen gesehen habe, haben sie auch mit ihrem Kot in der Gegend rumgeschmissen. Ich nenne keine Namen. Ja, Rapper sind schon Affen, aber im positivsten Sinn! Ich denke mir, wir sind alles Affen, in dem was wir tun und machen. Wir sind alles Primaten. Wir wollen Bananen essen und Sex haben, sonst wollen wir nichts!

    rappers.in: Du bist ja viel unterwegs und hast auch einen multikulturellen Background. Was beeinflusst dich davon besonders beim Musikmachen?

    Kodimey: Ich war 2007 in Japan. Das war schon lange mein Traum, ich wollte da schon immer mal hin. Diese Animé- und Videokultur ist das, was mich gerade musikalisch auch am meisten beeinflusst. Weil ich davon viel nehme und mein nächstes Album sehr davon geprägt sein wird.

    rappers.in: Fühlst du dich als Rapper in der Pflicht, bestimmte sozialkritische Themen aufzugreifen, oder hast du dafür eher persönliche Gründe?

    Kodimey: Also, eher persönliche Gründe. Ich fühl' mich als Rapper in keiner Pflicht, zu gar nichts. Wobei ich mir mittlerweile auch immer mehr Gedanken darüber mache, wer hört das. Gerade auch Familie. Wenn zum Beispiel meine kleinen Cousins meine Lieder hören und ich irgendwelche politisch unkorrekten Sachen sage. Deshalb überlege ich mir mittlerweile schon zweimal, was ich sage. Aber ich habe viele sozialkritische Texte, weil mich das einfach beschäftigt. Ich glaube, wenn man ein halbwegs intelligenter Mensch ist, passiert das automatisch. Wobei ich ehrlich gesagt so persönlich auch überhaupt nichts gegen so sinnentleerten Rap habe. Das finde ich auch in Ordnung. Aber das ist nicht so hundertprozentig mein Ding. Ich möchte den Menschen schon – das klingt so abgedroschen – aber ich möchte den Menschen schon was mitgeben und sie in irgendeiner Art und Weise berühren.

    rappers.in: Aber beschäftigst du dich selbst bewusst mit diesen sozialkritischen und politischen Themen, oder passiert das bei dir natürlich?

    Kodimey: Ich würde sagen, das passiert irgendwie natürlich. Ich plan' nicht: "Jetzt mache ich ein Lied über meine Situation in Deutschland". So was mache ich nicht. Ich schreib' einfach das, worauf ich Lust habe, es kommt einfach so.

    rappers.in: Kommen wir zum Thema "Rap und Erwachsenwerden".

    Kodimey: Oh, ja.

    rappers.in: Wie hast du das erlebt oder erlebst das?

    Kodimey: Mit Rap erwachsen werden?

    rappers.in: Ja, mit Rap erwachsen werden.

    Kodimey: Also schon interessant, weil sich der Geschmack und die Ansicht im Rap – wie im Leben – einfach ändert. Ich hab' mit so 14, 15 angefangen, intensiv Rap zu hören, aber hauptsächlich nur so Gangsterrap. Ich wusste gar nichts von anderem Rap. Weil ich hab' das von meinem Bruder übernommen. Und dann bin ich irgendwann erwachsen geworden und dann hinterfragst du sowas auch. Ich war dann auch in L.A. und da hab' ich in Compton so ein bisschen Sozialarbeit geleistet. Und dann auch wirklich gesehen, wie die Menschen da leben. Und dann fängst du natürlich auch an, sowas zu hinterfragen: Wie ist die Realität, was ist Fiktion und so... Deswegen, es hat sich geändert. Ich mag Rap noch sehr, aber mein Horizont hat sich auf jeden Fall erweitert.

    rappers.in: Du hast in einem deiner Songs aufgegriffen, dass einige Leute Rap als "Jugendsünde" abtun...

    Kodimey: Ja.

    rappers.in: Hattest du persönlich jemals einen Konflikt mit dir, zu sagen: "Ja, ich höre Rap"?

    Kodimey: Oh ja. Es ist ganz oft so, dass wenn man gefragt wird, was man so macht... Und dann sagt: "Ich bin Künstler und mache Musik." Und dann gefragt wird: "Was machst du denn?" Ich sage dann: "Ich mache Rap." Das ist dann schon immer so: "Ach ja, okay." Permanent so 'ne leichte Abwertung von Rap. Aber, wie soll ich sagen... Mir ist das relativ egal. Ich würde jetzt auch nicht wie viele Kids mit Shirts bis zu den Knien rumlaufen und alles abfeiern, mir jedes Rapalbum anhören. So bin ich auch nicht unterwegs. Aber ich find's halt schön. Als ich in L.A. war, da war ich im Auto mit so 'nem Typen, so ein 45-jähriger Mann mit Anzug und Krawatte. Und er hört das "******tyle"-Album, das erste Album von Snoop. Und er feiert das und fühlt das. Und so wünsche ich mir das in Deutschland auch, dass die Leute nicht Rap hören und mit Anfang 20 sagen, jetzt höre ich nur noch Elektro, weil ich das viel interessanter finde. Sondern, dass Rap hier auch erwachsen wird und von Erwachsenen akzeptiert wird. Und das nicht immer als so "Kindermusik" abgetan wird. Weil das ist echt schade. Natürlich gibt's viel Zeug, das sehr pubertär klingt, was auch in Ordnung ist. Aber es gibt auch viele Sachen, die erwachsen wirken.



    rappers.in: In welchen Stadium siehst du denn Deutschrap momentan? Würdest du sagen, er ist schon erwachsen?

    Kodimey: Also, wenn ich mir das Album von Kaas anhöre, oder auch das Album von Tua – obwohl ich so was jetzt nicht als klassisches Rapalbum bezeichnen würde – dann merke ich schon, dass Rap sich ändert. Und es sich zum Guten hin ändert und ich mich sehr freue, dass es sowas gibt. Und ich glaube, es ist auf einem sehr guten Weg, ganz ehrlich.

    rappers.in: Welche Entwicklungen fallen dir denn da besonders auf? Im positiven und vielleicht doch auch im negativen Sinne.

    Kodimey: Also, im Positiven, wie ich schon mehrfach erwähnt habe: Tua und Kaas. Finde ich sehr gut. Im Negativen, also ich kenne da ja gar nicht soviel, aber dieses richtig harte Straßengangsterzeug. Das kann ich mir persönlich nicht mehr geben, das langweilt mich einfach. Das interessiert mich einfach nicht mehr. Wenn einer so normalen Gangterrap auf Deutsch macht, das langweilt mich.

    rappers.in: Wie ordnest du den Werdegang und die aktuelle Situation deines Labels Chimperator in die momentane Szene bzw. die Musikwelt allgemein ein?

    Kodimey: Unser Werdegang – da sind wir immer wieder sehr stolz drauf – alles was wir bis jetzt erreicht haben und uns auch selbst erarbeitet haben, viel Spaß daran hatten... Ich kann mich nicht drauf konzentrieren, weil Tua gerade seinen Hit spielt und ich die ganze Zeit zuhöre... (Gelächter) Wo ist der Faden? Faden! Faden!

    rappers.in: Chimperator.

    Kodimey: Ja, also es läuft halt sehr gut. Sehr harmonisch. Wir haben jetzt Kaas mit an Bord, mit Tua machen wir viel, wir sind alle sehr zufrieden. Wir verstehen uns alle sehr gut und sind alle sehr kreativ. Es wird noch sehr viel von uns kommen. Ja, es ist auf jeden Fall sehr positiv. Wir nehmen, wie bereits erwähnt, alles selbst in die Hand, machen alles selber und so ist es für uns am besten. Wir sind keine übertriebenen Business-Menschen, die nur auf so was gucken, sondern wir haben Spaß daran.

    rappers.in: Was sind denn deine Aufgaben genau bei Chimperator?

    Kodimey: Ich bin Künstler und mache natürlich mein Zeug. Dann mache ich Produktmanagement auch. Wie jetzt bei dem Sampler, schau ich danach... Da werd' ich grad ausgelacht von Maeckes, okay... Egal, weiter. Dass das alles läuft, dass die Beats ankommen, Artwork, dies das. Wir teilen uns die Aufgaben, wie's grad eben ansteht. Es gibt immer viel zu tun.

    rappers.in: Du rappst ja nicht nur, sondern produzierst und mischst auch.

    Kodimey: Jo!

    rappers.in: Ist es dir wichtig, bei deiner Musik alle Fäden stets in der Hand zu halten? Welche Aufgaben gibst du gerne ab?

    Kodimey: Mittlerweile ist die einzige Aufgabe, die ich abgeben kann, oder gerne abgebe, das Produzieren eines Beats. Wenn ein Beat gut ist, dann nehm' ich den so gern, aber mischen und mastern möchte ich meine Sachen selbst. Weil ich weiß, wenn du mit Liebe an deine Sachen gehst, gibst du dir viel mehr Mühe. Ich mag es, alles selbst zu machen, weil dann bist du auch eigenverantwortlich und kannst es selbst so kreieren, wie du es willst.

    (niemand kann sich für den Augenblick konzentrieren, weil Tua auf der Bühne nebenan wieder einen seiner "Hits" spielt)

    rappers.in: Ähm. Spielt für dich das Städteding im HipHop noch eine Rolle? Was magst oder hasst du an der Stuttgarter Szene?

    Kodimey: Also, dieses Städteding spielt eigentlich keine besondere Rolle mehr für mich. Ich bin ein ganz großer Stuttgartfan. Ich bin aus Stuttgart, ich liebe Stuttgart, das ist meine Heimat. Ich mag an der Stuttgarter Szene die Massiven Töne von 1997, ich mag an der Stuttgarter Szene nicht die Massiven Töne von 2003. Ich war damals ein sehr großer Kolchose-Fan, mit immer noch nur Liebe für die Jungs, die uns quasi den Weg geebnet haben und sehr viel gute Musik gemacht haben. Aber allgemein ist mir nicht mehr wichtig, woher einer kommt, sondern was er macht. Wie Max damals schon auf "Mutterstadt" gesagt hat: "Es ist nicht, wo du bist, es ist was du machst"… (lacht)

    rappers.in: Genau so. Verrate uns doch mal bitte deinen liebsten Michael Jackson-Song und begründe deine Entscheidung.

    Kodimey: Oh, das ist ganz, ganz schwierig. Das ist fast unmöglich!

    rappers.in: Oder dein Lieblingsalbum.

    Kodimey: Einmal alle zwei Tage mache ich mir darüber Gedanken! Weil die Alben hängen alle an meiner Wand. Und ich guck' sie mir immer an und denk': "Welches von euch mag ich eigentlich am liebsten?" Und ich glaub', das ist "Bad". Weil ich mit "Bad" groß geworden bin. Erstens: Das ist das erste Album, das ich von ihm kannte als Kind. Zweitens, das ist meiner Ansicht nach ein sehr kreatives und persönliches Album, aber es ist versteckt persönlich. Er hat auf diesem Album am meisten selbst geschrieben, produziert und komponiert. Sehr gute, schöne Lieder drauf. Ein sehr deepes Album, wenn man genauer hinhört. Das ist so mein Lieblingsalbum. Hach, ich freu mich ja so auf die Konzerte. Das wird so schön!

    rappers.in: Würdest du sagen, du bist der größte Michael Jackson-Fan der Welt? (Gelächter)

    Kodimey: Also mit einem Meter neunzig würde ich ganz klar sagen: Ja!

    rappers.in: Abschließende Worte oder sonstige Lebensweisheiten, die du loswerden willst?

    Kodimey: Geht aufs Michael Jackson-Konzert, wenn ihr noch Karten kriegt. Ansonsten kommt überall dahin, wo wir so auftreten, das ist auch nicht schlecht. Vielleicht mach' ich auch mal den Moonwalk live, wenn ich die richtigen Schuhe dafür finde. Vielen Dank an die schönen Menschen, die das hier mitbekommen, ich wünsche euch alles Gute! Chimperator-Sampler kommt im Dezember und dann gehen wir auf Tour. Davor kommt noch meine EP. Die gibt's nächsten Monat online. Schenk' ich euch! Einfach mal Ausschau halten nach Kodimey und Michael Jackson, wir sind so miteinander! (kreuzt die Finger) Ihr seht das jetzt nicht, aber wir sind so miteinander!

    rappers.in: Ach ja, er sitzt ja auch da drüben.

    Kodimey: Ja, er ist hier. (verstellt die Stimme) I love you!

    rappers.in: Danke, Kodimey!

    Quelle Rappers.in
     
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