#1 24. Januar 2008 Zuletzt von einem Moderator bearbeitet: 14. April 2017 Golem.de im Gespräch mit Jimmy Wales über die Suchmaschine Wikia Search 2001 gründete Jimmy Wales das Online-Mitmach-Lexikon Wikipedia, das inzwischen den großen traditionellen Lexika gehörig Konkurrenz macht. Vor kurzem startete Wales' neues Projekt, Wikia Search. Kaum online, erntete die Open-Source-Suchmaschine Kritik wegen ihrer schlechten Ergebnisse. Golem.de traf Wales auf der Konferenz "Digital, Life, Design" und fragte ihn nach seinem neuen Projekt. Golem.de: Wie kamen Sie auf die Idee, eine eigene Suchmaschine aufzusetzen und mit Google zu wetteifern? Wales: Diese Idee fasziniert mich schon länger. Wir brauchten schon lange eine Suchmaschine auf der Basis von freier Software. Ich habe beobachtet, wie das Nutch-Projekt gereift ist, und dachte, es sei nun möglich, das auch in einem großen Maßstab zu tun. Außerdem macht es mir Spaß. {img-src: http://www.golem.de/0801/57231-wales_380_2.jpg} Jimmy Wales Golem.de: Wie arbeitet Wikia Search? Wales: Das zugrundeliegende Konzept sieht so aus: Auch wenn es vielen Nutzern nicht bewusst ist, gibt es in einer Suchmaschine eine Menge redaktioneller Kontrolle. Wir wollen diese der Nutzergemeinschaft übergeben. So gibt es oben auf der Seite mit den Suchergebnissen den "Mini Article", in den jeder Nutzer in Wiki-Manier einige grundlegende Informationen zu einem Thema eintragen kann. In einer modernen Suchmaschine erwartet man nicht einfach nur zehn Links als Ergebnis. Man erwartet dann auch eine kleine Begriffserklärung, eine kurze Definition, einen Link zu einer Landkarte - was auch immer. Für solche Informationen ist der Mini Article da. Wenn man mit dem Mauszeiger über einen Link in der Trefferliste fährt, wird zudem eine Bewertung eingeblendet. Derzeit ist es eine Feedback-Liste mit einem bis fünf Sternen. Ich untersuche gerade die Ergebnisse. Möglicherweise werden wir das System in "Daumen rauf" oder "Daumen runter" vereinfachen, wenn wir so die gleichen Ergebnisse mit weniger Arbeit für die Nutzer erzielen. Die Daten und das Feedback, das wir bekommen, sollen dann in den Algorithmus einfließen, um die Suchergebnisse zu verbessern. Golem.de: Die Nutzer haben einen Einfluss darauf, wo die Seite in der Trefferliste erscheint? Wales: Genau. Es ist eine Social-Networking-Site. Wenn man sich registriert, kann man Freunde verlinken, verschiedene Vertrauensgrade an verschiedene Leute vergeben. Alle Bewertungen von URLs sollen öffentlich stattfinden. Wenn jemand versucht, Einfluss zu nehmen, dann können die anderen das sehen. Sie denken dann vielleicht: Das ist ein Spammer, das ist nicht gut, und bewerten ihn entsprechend sehr niedrig. Andererseits bewerten sie jemanden als gut, dessen Arbeit sie vertrauen. Alle diese Informationen werden in das System eingespeist und zur Analyse genutzt. Allerdings wissen wir im Moment noch nicht ganz, wie wir das genau umsetzen werden. Wir müssen erst die Daten abwarten. Erst dann können wir darüber entscheiden. Man kann einfach nicht alles vorhersagen. Wenn ein Problem auftaucht, dann werden wir uns darum kümmern. Wir versuchen nicht, im Voraus an alles zu denken. Golem.de: Wie andere Suchmaschinen nutzt auch Wikia Search ein Indexierungsprogramm, einen so genannten Crawler. Aber anders als die Konkurrenten, die ihre Technologie eifersüchtig hüten, legen Sie Ihren Suchalgorithmus offen. Wollen Sie so Entwickler dazu zu bringen, daran mitzuarbeiten? Wales: Ja. Wir zapfen eine bereits existierende Gemeinde an und fördern diese. Nutch ist eine Open Source-Suchmaschine und ein Open Source-Crawler. Das sind schon recht ausgereifte Projekte, die Unterstützung brauchen. Sie sind schon sehr beeindruckend, aber auch noch nicht so gut, wie sie sein könnten. Wir wollen diesem existierenden Open-Source-Projekt wo immer wir können aushelfen, etwa mit Infrastruktur wie Servern. Golem.de: Für Google gehört der geheime Algorithmus zum Geschäftsmodell. Wie sieht Ihr Modell aus, wenn Sie Ihren Algorithmus offen legen? Wales: Meiner Ansicht nach ist Suche in den letzten Jahren eine Selbstverständlichkeit geworden. Die Qualität der Suche - sei es bei Google, Yahoo, Ask oder einigen der kleineren Suchmaschinen - ist inzwischen sehr ähnlich. Sie konkurrieren untereinander nicht mehr mit dem besten Suchalgorithmus. Die Algorithmen sind zwar noch nicht perfekt, aber inzwischen ziemlich gut geworden. Wenn das stimmt, liegt das Geschäftsmodell nicht mehr darin, den Suchalgorithmus geheim zu halten, sondern im Markenprofil und in der Nutzererfahrung. Wenn ich eine geniale Idee hätte, die besser wäre als alle anderen, dann würde ich sie geheim halten. Das habe ich aber nicht. Ich bin jedoch überzeugt, dass wir mit Open Source die gleiche Qualität hinbekommen. Unser Wettbewerbsvorteil hat mit Nutzererfahrung, mit Mitwirkung, mit unserem Markenprofil, mit Transparenz, Offenheit, Mitbenutzung und Gemeinschaft zu tun. Nicht jeder legt Wert darauf, einige aber eben doch - und für die ist dieser Dienst gedacht. Golem.de: Gibt es denn eine Möglichkeit, mit solch einem Open-Source-Projekt Geld zu verdienen? Wales: Sicher. Wenn wir eine Website einrichten können, dann können wir Werbung schalten. Das ist zwar ein langweiliges Geschäftsmodell für Suchmaschinen, aber offensichtlich eines, das funktioniert. Golem.de: Wird das so etwas wie Google AdWords sein, die einen Bezug zu der Suche haben? Wales: Vermutlich. Wir haben noch nichts Schlaues gefunden, deshalb wird es wohl darauf hinauslaufen. Im Moment sind wir allerdings mehr darauf fokussiert, das Produkt zu verbessern, Leute dazu zu bewegen, mitzumachen und eine große Gemeinschaft aufzubauen. Golem.de: Wie lange arbeiten Sie schon an Wikia-Search? Wales: Wir haben das Projekt vor etwas mehr als einem Jahr angekündigt. In der Zeit gab es viele Diskussionen in der Gemeinde, wir haben einige Leute eingestellt, wir haben die Infrastruktur vorbereitet. Ein Jahr nach der Ankündigung haben wir eine private Alpha-Version gestartet. Dazu haben wir nur ein paar Freunde zum Testen eingeladen. Vor etwa zwei Wochen kam dann der öffentliche Alpha-Test. Das waren zwei arbeitsreiche Wochen: Mehrere zehntausend Nutzer haben sich in dem Social Network angemeldet, mehrere Millionen Suchen sind schon durchgeführt worden. Und jetzt sind wir so weit, dass wir anfangen, Daten zu sammeln und über die nächsten Schritte nachdenken. Golem.de: Auf welche Weise können sich denn die Nutzer überhaupt beteiligen? Wales: Im Moment können sie hauptsächlich die Mini Articles schreiben und die Trefferseiten bewerten. Golem.de: Es wurde Kritik an der Funktionsfähigkeit der Suchmaschine laut. Einige haben sogar gespottet, dass sie nicht einmal Wikipedia-Einträge finde. Wales: Sie ist seit dem Start schon eine ganze Ecke besser geworden, weil wir viel im Web gesucht haben. Wir können den White-List-Index wählen oder andere Indizes. Aber im Moment befassen wir uns mehr mit den Funktionen, damit, Rückmeldungen zu bekommen und den Prozess anzuschieben. Am Anfang hatten wir zwischen 50 und 100 Millionen URLs indiziert. Inzwischen sind wir bei 600 Millionen - das hilft natürlich. Und jeden Tag kommt neues Material dazu. Das ist nützlich, etwa für die Relevanz der Links. Golem.de: Verfügt der Algorithmus über eine Form von Intelligenz? Wales: Natürlich verfügt der Algorithmus über ein Ranking-System. Wir setzen gerade den Nutch-Algorithmus ein. Das Ranking-System ist fester Bestandteil des Algorithmus. Im Moment bezieht er aber noch nicht die Rückmeldungen der Nutzer mit ein. Das wird der nächste Schritt sein. Dann können wir uns das Nutzer-Feedback zunutze machen. Allerdings müssen wir uns zuerst anschauen, wie dieses Feedback überhaupt aussieht. Erst dann können wir darüber nachdenken, wie wir es am besten integrieren. Golem.de: Wie wollen Sie Missbrauch verhindern, also dass Website-Betreiber den offenen Algorithmus dazu nutzen, ihre Seiten in den Trefferlisten ganz oben erscheinen zu lassen? Wales: Wenn man am öffentlichen Verfahren, eine Suchmaschine zu verbessern, teilnimmt, und wenn man will, dass seine Rückmeldung eine Bedeutung hat, dann bewertet man URLs. Aber das ist eine öffentliche Handlung. Andere können sehen, wer welche Site bewertet. Wer sich schlecht benimmt und seine eigene Website an ganz vielen Stellen anpreist, dessen Beiträge werden von der Gemeinde nur sehr schlecht bewertet oder der wird möglicherweise sogar ganz von dem Bewertungssystem ausgeschlossen. Das ist unsere Herangehensweise. Man braucht Aufsicht, man braucht Transparenz, ein System, in dem jeder sehen kann, was die anderen tun. Denn das fördert Wohlverhalten - so sehen wir das. Golem.de: Leute, die sich schlecht benehmen, auszuschließen, ist das eine. Aber gibt es auch ein positives Bewertungssystem? Wales: Ja. In der Social-Networking-Sparte der Site kann man andere Nutzer auf einer Vertrauensskala bewerten. Die Bewertung kann darauf beruhen, dass man die Nutzer kennt und ihnen vertraut, aber auch auf ihren Aktivitäten auf der Seite. So wollen wir von einem Konzept, das nur aus schwarzen und weißen Listen besteht, zu einem abgestuften System von Vertrauen kommen. Golem.de: Wie lange wird es dauern, dieses Konzept umzusetzen? Wales: Eine einfache Version dieses Konzepts einzuführen, dauert nur ein paar Monate. Da geht es nur darum, zu sehen, was funktioniert und was nicht. Interessant an unserem System ist, dass das Feedback zu einem Maß wird, an dem der Algorithmus gemessen wird. Vertrauenswürdige Nutzer haben die Rückmeldung gegeben, wie eine Bewertung aussehen sollte. Dann kann man verschiedene Algorithmen ausprobieren, um herauszufinden, wie gut sie das Nutzer-Feedback beschreiben und vorhersagen. Je besser ein Algorithmus vorhersagt, was die Menschen denken, desto besser ist man damit dran. Es ist also ein Prozess, der sich Schritt für Schritt vollzieht. Das geht nicht auf einen Schlag. Golem.de: Bei der Wikipedia hat sich die gegenseitige Kontrolle sehr gut etabliert. Wird das bei Wiki Search genauso gut funktionieren? Wales: Das hoffe ich. Sonst würde ich das nicht machen. Ich vermute, dass es neue Herausforderungen gibt. Einiges ist anders, es gibt andere Beweggründe, andere Aktivitäten, es erfordert eine Menge Gewöhnung und Nachdenken darüber, was für Probleme auftauchen und wie man sie löst. Golem.de: Kommen wir noch einmal auf Google zurück: Ist es Ihr Ziel, Googles Marktposition anzugreifen? Oder ist Wikia Search einfach eine andere Suchmaschine? Wales: Für mich ist das in erster Linie eine politische Aussage. Es geht darum, dass Suche wichtig ist und dass sie deshalb transparent und offen sein sollte. Natürlich wollen wir so beliebt werden wie möglich. Wir wollen einen Dienst anbieten, den die Nutzer nützlich finden, und wir wollen eine bedeutende Einrichtung im Internet werden. Aber ich denke nicht in Wettbewerbskategorien - das ist nicht meine Herangehensweise. Ich möchte Dinge aufbauen, die cool sind und hoffe, dass die Leute sie nutzen. Golem.de: So cool wie die Wikipedia? Wales: Das wäre cool. (lacht) Golem.de: Leidet Wikia Search unter dem Erfolg der Wikipedia? Die Wikipedia hatte ja ein paar Jahre Zeit, bis sie bekannt und erfolgreich wurde. Und nun erwartet wahrscheinlich jeder, dass Ihr nächstes Projekt vom einen auf den anderen Tag genau so ein Erfolg wird. Wales: Stimmt! Das ist ein Segen und ein Fluch zugleich. Auf der einen Seite kann ich nicht einfach hingehen, 20 Leute fragen: Hey, lasst uns zum Spaß an etwas Coolem arbeiten und damit die Welt überraschen. Das geht so nicht. Auf der anderen Seite haben sich schon viele Leute an verschiedenen Möglichkeiten einer sozialen Suche probiert. Am Ende sind sie daran gescheitert, dass sie keine kritische Masse erreicht haben, also den Punkt, an dem das Projekt abhebt. Ich kann aber eine Menge Lärm machen. Die Presse interessiert sich für alles, was ich tue. Das hilft natürlich. Golem.de: Wikipedia schlägt immer wieder die traditionellen Lexika, zuletzt den Brockhaus in einem Test des Magazins Stern. Was denken Sie, wenn Sie solche Geschichten lesen? Wales: Das freut uns, wenn wir in einem Test gut abschneiden. Aber manchmal haben wir den Eindruck, dass einige der Tests uns begünstigen. Wir wissen schließlich besser als jeder andere, wo die Probleme stecken. Deshalb werden wir nicht zu selbstgefällig. Wir streben immer die bestmögliche Qualität an. Die deutsche Wikipedia hat übrigens generell eine sehr hohe Qualität, sogar im Vergleich mit der englischen. Die englische ist größer und in mancher Hinsicht besser, aber manchmal auch etwas nachlässig. quelle: Golem.de + Multi-Zitat Zitieren
#2 25. Januar 2008 AW: Interview: Wikipedia ist Segen und Fluch zugleich Naja das kann nie was werden wenn einfahce Menschen zu viel macht haben^^ Man weiß ja was passiert. + Multi-Zitat Zitieren
#3 27. Januar 2008 AW: Interview: Wikipedia ist Segen und Fluch zugleich Ich muss sagen ich bin ein großer Fan von Wikipedia und freue mich sehr das es so eine Plattform gibt. In der Schulzeit, gerade in der Sekundarstufe 1 und 2, hätte ich nicht gewusst was ich ohne diese Plattform machen sollte. Wo man sich früher noch das Bertelsmann Lexikon geholt hat und nachgeschlagen hat, geht man heute einfach ins Internet gibt den Suchbegriff ein und hat meist mehr als genug zu diesem Thema. Zwar gibt es auch mal Probleme, mit verschiedenen Versionen aber die Community ist eigentlich zu fast jeden Thema sehr aktiv und verhindert meistens das irgendwas falsches in diese Texte gelangt. Wikipedia hat sozusagen unser Leben berreicht, von daher sehe ich auch eigentlich keine größere Flüche wie es hier beschrieben wird. Ob man jetzt aber Sachen wie Wikisearch brauch, bezweifel ich stark. Das Monopol von Google lässt sich nicht mehr so leicht aufbrechen und wird um Tag zu Tag um ein vielfaches größer als das Wiki Search neue Sachen hinzubekommt, von daher ist es wohl eher ein Tropfen auf den heissen Stein. Ich bin der Meinung Wikipedia sollte bei seinen Sachen bleiben und sich weiter mit Spenden oder mit Werbung finanzieren. Als Lexikon erreichen sie in ihrem Bereich wesentlich mehr Leute, wenn man solche Sachen jetzt auch noch in die Dinge des alltäglichen Lebens neben den Computer einbauen könnte, wäre sicherlich eine Geld Akkumulation nicht schwer. Von daher hoffe ich das uns Wikipedia noch lange erhalten bleibt und auch mal meine Kinder in den Genuss kommen werden. Schliesslich schwören einige Schüler und Studenten auf diese Seite. + Multi-Zitat Zitieren
#4 27. Januar 2008 AW: Interview: Wikipedia ist Segen und Fluch zugleich Ich denke es wird sehr schwer für Wikia sich durchzusetzen. Wikipedia schön und gut, aber sowas gab es vorher noch nicht. Internetsuchdienste gibts wie Sand am Meer. Das System an sich finde ich nicht schlecht, denn ich bin auch nicht so sehr der Vormachtstellung von Google zugeneigt. Etwas fehlt jedoch und ist sehr wichtig für eine Communitybasierte Suche: Die Bewertung. Wenn durch das Bewertungssystem endlich ordentliche Seiten als Ergebnis kommen hat Wikia vielleicht eine chance, aber wenn ich auf der anderen seite betrachte, dass ich entweder etwas nicht bei wikia finde, einen neuen eintrag erstellen muss und einen kommentar dazu verfassen müsste, oder einfach bei google innerhalb von wenigen millisekunden mein ergebnis finde, dann ist die Entscheidung wohl klar Naja ich drücke auf jeden Fall Jimmy Wales die Daumen. Vielleicht können sie durch die erwähnten Einnahmen auch ihre Wikipediaprojekte finanzieren. + Multi-Zitat Zitieren