Microsoft gegen Google

Dieses Thema im Forum "Netzwelt" wurde erstellt von darksidedance, 19. September 2009 .

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  1. 19. September 2009
    Microsoft gegen Google

    "Beispielloser Missbrauch des Rechtssystems"


    Die Einspruchsfrist gegen den Vergleich zwischen Google und Copyright-Lobbyorganisationen über die sogenannte Book Search ist abgelaufen, doch der Streit um Googles Digitalisierungshunger geht jetzt erst richtig los. Als Erstes legt Microsoft die Samthandschuhe ab - und teilt mächtig aus.

    Knapp vier Wochen hat das Bezirksgericht für den Southern District of New York Zeit, bis es am 7. Oktober über die Rechtsmäßigkeit des Vergleiches zwischen Google, der amerikanischen Authors Guild, dem US-Verlegerverband Association of American Publishers und anderen urteilen soll. Das bedeutet eine Menge Arbeit: Zahlreiche Kritiker des umstrittenen Deals hatten in den letzten Wochen ihre Einsprüche eingereicht.

    Zahl und Qualität dieser Einsprüche sei ungewöhnlich, zitiert die "New York Times" eine US-Rechtsexpertin - ein Understatement, das die Sache sehr zurückhaltend beschreibt: Post bekam Richter Denny Chin nicht nur von zahlreichen individuellen Rechteinhabern, sondern auch von Lobby-Gruppen mächtiger Google-Konkurrenten wie der Open Book Initiative (u.a. Yahoo und Amazon) oder Regierungen, wie zuletzt aus dem Justizministerium von Brigitte Zypries. Kaum eine Kritik fiel aber so deutlich und scharf aus wie die, die Microsoft nun in letzter Minute einreichte: In sehr deutlichen Worten wirft Microsoft Google und seinen Vertragspartnern einen "beispiellosen Missbrauch" des US-Rechtssystems vor. Es gehe darum, mit Gerichtshilfe ein Joint Venture zu schaffen, das ein Monopol für die Vermarktung digitalisierter Bücher aus aller Welt anstrebe.

    Angst vor dem Wissensmonopol

    Die Argumente gegen den Vergleich zwischen Google und einigen Copyright-Lobby-Organisationen amerikanischer Verleger und Autoren ähneln einander auf beiden Seiten des Atlantik: Immer mehr Kritiker des Deals bemängeln, dass von einigen Wenigen ein pauschales Urteil über die Rechte von Vielen herbeigeführt werden soll. Der Kern des Problems ist die sogenannte Class Action: In Prozessen zu Class-Action-Klagen (deutsch auch: Sammelklagen) fallen im US-Recht Urteile, die verbindlich sind für ganze "Klassen". Soll heißen: Sie schaffen Musterurteile, die auch für parallel gelagerte Fälle gelten, und entscheiden so unter Umständen auch über Rechte von Parteien, die gar nicht in den Prozess involviert sind. Zu befürchten, argumentierte nun Microsoft in seinem in letzter Minute abgegebenen Einspruch an das New Yorker Gericht, sei im Fall Google Book Search ein "Missbrauch des Rechtssystems".

    Denn so, wie der Vergleich angelegt ist, läuft er auf einen Freibrief für Google hinaus, die Buchprojekte jedes Autoren und Verlages, der sich nicht ausdrücklich dagegen wehrt, zu digitalisieren. Damit, befürchten Kritiker, entstünde ein Wissensmonopol bisher ungekannten Ausmaßes. Der Vergleich, argumentiert Microsoft, sei eher eine Absprache für ein Joint Venture, das in Kooperation von Google, Autoren- und Verlegerverbänden sowie von Bibliotheken ein Monopol zur digitalen Erfassung und Vermarktung von Büchern gleichkomme. Der juristische Sinn eines Class-Action-Urteils sei aber nicht die Schaffung eines Joint Ventures, sondern die Beilegung eines Rechtsstreits.

    Der Vergleich regelt mehr, als die ursprüngliche Klage wollte

    Mit dem aber habe das Book Settlement nichts mehr zu tun: 2005 hatte die Authors Guild gegen Google geklagt, weil der Suchmaschinenkonzern damit begonnen hatte, Bibliotheksbestände zu digitalisieren, um diese durchsuchbar zu machen, ohne vorher die Rechte abzuklären. Resultat dieser Suchen ("Google Library Search") wären Auszüge aus den Büchern gewesen. Der von Google vorgeschlagene Vergleich sieht nun vor, weiterhin alles Gedruckte zu digitalisieren und die Rechteinhaber über einen mit 125 Millionen Dollar ausgestatteten Topf an eventuellen Profiten zu beteiligen. Dabei geht es nicht mehr nur um die Erfassung von Büchereibeständen, sondern generell um die Digitalisierung von Büchern - und um deren Vermarktung einschließlich der Möglichkeit, sie vollständig digital zur Verfügung zu stellen.

    Googles Griff in die 125-Millionen-Kaffeekasse war den Klägern so verlockend erschienen, dass sie nickten: So kam ein amerikanischer Verband dazu, eine Einigung mit Google einzugehen, die auch für Rechteinhaber außerhalb Amerikas verbindlich wäre. Sie stünden, wenn das New Yorker Gericht den Vergleich am 7. Oktober für rechtens befinden sollte, vor der Wahl, entweder ebenfalls zu nicken und aus dem Topf abgefunden zu werden oder sich zu verweigern - und nicht mitdigitalisiert zu werden.

    Deal fürs Allgemeinwohl - oder Profitmaschine für ein Monopol?

    Der Vergleich würde Google autorisieren, ohne viel Nachfragen weiter zu digitalisieren - und zwar nur Google, wie Microsoft betont. Den Umgang mit Copyrights, die in der angelsächsischen Welt eher die Verwertungs- als die Urheberrechte betonen, in den USA neu zu definieren, sei aber nicht Aufgabe eines Gerichts, sondern exklusive Aufgabe des US-Kongresses. Das Gericht, pflichten auch unabhängige Rechtsexperten bei, wird darum nicht nur das Für und Wider des geplanten Vergleiches abwägen müssen, sondern auch ob dieser Vergleich im öffentlichen Interesse wäre oder nicht.

    Unstrittig ist dagegen, dass die Digitalisierung von Büchern an sich wünschenswert ist.

    Existent ist nur, was bei Google auffindbar ist

    Denn das wollen eigentlich alle: Auch die EU-Kommission, die auf amtlich verordnetem Wege seit längerem versucht, mit der Europeana ein Konkurrenzangebot zu Google Book Search auf den Weg zu bringen, signalisierte bei einer Anhörung in Brüssel am Dienstag grundlegende Sympathie. Sie will sicherstellen, dass europäische Literatur nicht unter die digitalen Räder kommt: Die Gefahr, die auch Kritiker sehen, ist die, dass von Google gescannte Werke allgegenwärtig werden, während Nicht-Teilnehmer an Googles Scan-Prozess quasi aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwinden.

    Google, argumentieren Kritiker und Konkurrenten, hätte dann ein Wissensmonopol errungen - ein Vorwurf, mit dem sich auch der US-Kongress am heutigen Donnerstag im Rahmen einer Anhörung auseinandersetzen wird. "Ich bin bei Google, also bin ich", könnte man sagen - oder im Umkehrschluss: Was da nicht zu finden ist, existiert quasi nicht mehr.

    Die Alternative zum Google-Deal wäre eine übergreifende Regelung, die grundlegende Voraussetzungen für Scan-Modelle definiert: die Lizenz zum Digitalisieren für alle, inklusive Copyright-Regelung und Vergütungsplan. Ein Modell, das derzeit in Brüssel zunehmende Unterstützung findet.

    Digitalisierung ist teuer

    Denn dort hat man herausgefunden, dass das mit der Digitalisierung gar nicht so einfach ist. Den Fortschritt des EU-eigenen Buchdigitalisierungsprojektes Europeana im direkten Vergleich mit Googles Book Search schneckenhaft zu nennen, wäre wahrlich eine deutliche Untertreibung: So schnell sind die involvierten Bibliotheken und Behörden nicht. Kein Wunder, ihnen fehlt es an Kapazitäten und finanzieller Ausstattung. Europaweit sollten von 2007 bis 2010 rund 120 Millionen Euro an die digitalisierenden Bibliotheken fließen, Europeana selbst muss sich mit einem Jahresetat von zwei Millionen Euro bescheiden. US-Unternehmen wie Amazon, Yahoo oder Microsoft investieren derweil "Hunderte Millionen Dollar" in Digitalisierungsprojekte, wie es im Microsoft-Einspruch heißt. Die braucht man auch, weil es stets um Millionen von Büchern geht.

    Jetzt entdecken auch die EU-Kommissare, dass man Partner braucht, um in dieser Liga mitzuspielen. "Die Digitalisierung von Büchern ist eine Herkules-Aufgabe, bei der der öffentliche Sektor zwar die Federführung übernehmen muss, für die er aber auch die Unterstützung des privaten Sektors braucht", heißt es wörtlich in einer am Dienstag veröffentlichten Stellungnahme der EU-Kommissare Vivianne Reding und Charlie McCreevy. Sie schlagen für Europa die Angleichung der Urheber- und Verwertungsrechte sowie die Schaffung eines Rechteabklärungspools nach Vorbild des New Yorker Google-Vergleiches vor. Ihr Ziel: Die Einbindung privatwirtschaftlicher Unternehmen in "die enorme Aufgabe der Digitalisierung der Bücher Europas" in Verbindung mit einer geregelten Beteiligung der Rechteinhaber an so generierten Umsätzen. Dabei, so EU-Kommissarin Vivianne Reding, habe Europa eine Menge zu gewinnen.

    "Sehr fruchtbar" hieß es da wenig überraschend auch von Googles Seite, sei das Treffen mit Kommissarin Reding gewesen. "Wir kamen überein, dass Millionen von Büchern, die nicht mehr gedruckt werden, nicht verstauben dürfen."

    Quelle:Microsoft gegen Google: Beispielloser Missbrauch des Rechtssystems - SPIEGEL ONLINE
     
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