Musikindustrie und Udo Jürgens setzen Kanzlerin unter Druck

Dieses Thema im Forum "Netzwelt" wurde erstellt von xxxkiller, 12. Mai 2007 .

  1. 12. Mai 2007
    Einschränkung der Privatkopie und Verlängerung der Schutzfrist gefordert

    Bei einem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) haben Vertreter der internationalen Musikindustrie zum Handeln gedrängt, um die "Krise im deutschen Musikmarkt" zu bekämpfen. Als geeignete Maßnahme dazu schlägt die Musikindustrie unter anderem vor, bei Urheberrechtsverstößen im Internet den Internetzugang zwangsweise kündigen zu lassen.

    Am Dienstag, den 8. Mai 2007, traf Bundeskanzlerin Angela Merkel zusammen mit Schlagersänger Udo Jürgens den Weltvorstand der Internationalen Vereinigung der Musikindustrie (IFPI), um über die veränderten Rahmenbedingungen "der Musikindustrie als eine der tragenden Säulen der Kreativwirtschaft" zu sprechen. Die Bundeskanzlerin ist zu einer Zeit, in der sie zugleich Vorsitzende des EU-Rates und für die Organisation des G8-Gipfel zuständig ist, eine besonders interessante Ansprechpartnerin für die Industrievertreter und den Sänger.

    Beide wünschen sich eine Ausweitung ihrer geistigen Eigentumsrechte auf Kosten einer Beschneidung der Rechte der Öffentlichkeit und der Verbraucher. "Konkret ging es um einen verbesserten Schutz der Rechte und Interessen von Künstlern und Tonträgerherstellern vor Internet-Piraterie und Raubkopien sowie die Frage der Schutzfristen", heißt es dazu in der Presseerklärung der deutschen Landesgruppe der IFPI .

    Auf dem Treffen mit der Bundeskanzlerin haben die IFPI-Vorsitzenden, darunter Lucian Grainge von der Universal Music Group und Rolf Schmidt-Holtz von Sony-BMG, eine Reihe von Vorschlägen dazu unterbreitet, wie Angela Merkel die Interessen der Musikindustrie umsetzen könnte. Konkret umfasst die Wunschliste folgende Punkte:

    • Internet-Service-Provider sollten verpflichtet werden, den Service-Vertrag mit Kunden zu kündigen, die Inhalte online stellen, die Urheberrechte verletzen.
    • Privatkopien sollten nur noch von eigenen, legal erworbenen Originaldatenträgern zulässig sein. Das Herstellen von Kopien durch Dritte sollte verboten werden.
    • Der gegenwärtig diskutierte Gesetzentwurf zur Umsetzung der EU-Durchsetzungsrichtlinie sollte "verbessert" werden, um "angemessene Werkzeuge für den Kampf gegen die Piraterie bereit zu stellen."
    • Die EU sollte eine aktive Rolle in der Auseinandersetzung der WTO mit China in der Frage der Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte und des Marktzugangs spielen.
    • Deutschland sollte die Tschechische Regierung dazu drängen, "die riesigen Piratenmärkte" an der Grenze zu Deutschland zu schließen.
    • Und schließlich sollte die Bundeskanzlerin die "Verbesserung der in der EU vorgesehenen Schutzfristen für Musikaufnahmen unterstützen, um das US-amerikanische Schutzniveau zu erreichen".
    Die Verlängerung der gesetzlichen Schutzfrist für Musikaufnahmen von derzeit 50 Jahren nach der Veröffentlichung auf 95 Jahre - wie in den USA - ist auch ein persönliches Anliegen von Schlagersänger Udo Jürgens : "Immer mehr Künstler müssen die bittere Erfahrung machen, dass ihre frühen Aufnahmen und ihr geistiges Eigentum ohne ihr Wissen, ihren Einfluss und ohne eine Entschädigung veröffentlicht und kommerziell ausgewertet werden." Nach geltendem Recht erlischt das exklusive Vervielfältigungs- und verbreitungsrecht für Aufnahmen 50 Jahre nach deren Erscheinen.

    In den kommenden Jahren erlischt die Schutzfrist für viele Aufnahmen aus der Nachkriegszeit und den frühen Jahren des Rock. Betroffen ist davon nicht nur Udo Jürgens; auch die noch verbliebenen Beatles, deren Alben bis heute Bestseller sind, sehen dem Ende der Schutzfrist für ihre frühen Aufnahmen entgegen. Zusammen mit Musikerkollegen wie U2, PJ Harvey, Pete Townsend und Paul Simon kämpft deshalb auch Paul McCartney, dessen Vermögen sich auf über eine Milliarde Euro beläuft , schon seit längerer Zeit für eine Verlängerung der Schutzfristen auf 95 Jahre und die damit verbundenen Mehreinnahmen.

    Kritiker dieses Vorschlages, wie der amerikanische Rechtsprofessor James Boyle, halten das Ansinnen für einen 'Vertragsbruch' mit der Öffentlichkeit . Sein Argument: Die Musiker und Musikfirmen wussten seinerzeit, worauf sie sich einließen, als sie die Aufnahmen machten - 50 Jahre Schutz und nicht mehr. Mit dieser Schutzfrist wurden die Preise für die Tonträger kalkuliert, die von den Verbrauchern zu bezahlen waren. Im Gegenzug würden die Aufnahmen nach Ablauf der Schutzfrist ohne Erlaubnis vervielfältigt und verbreitet werden dürfen - wobei Komponisten und Texter über Abgaben an die Verwertungsgesellschaften an den so erzielten Einnahmen beteiligt wären.

    Boyle moniert, dass jetzt, wo der Ablauf der Schutzfrist droht, Musikfirmen und Musiker "im Nachhinein die Vertragsbedingungen ändern" wollten - zu Ungunsten der Verbraucher. Boyles Argument: "Viele Aufnahmen gibt es schon 20 Jahre nach Erscheinen überhaupt nicht mehr zu kaufen und nach 50 ist es nur noch ein verschwindend geringer Teil. Deren Rechteinhaber zu finden, ist extrem schwierig. [...] Das sind 'verwaiste Werke' - eine Kategorie, die den größten Teil der kulturellen Artefakte des 20. Jahrhunderts umfasst." Nach 50 Jahren könnten alle diese Aufnahmen rechtmäßig wieder in Verkehr gebracht werden, ohne dafür erst eine Erlaubnis einholen zu müssen. Würde man die Schutzfrist jetzt verlängern, so "verliert das Publikum ein zweites Mal" und "wir sperren auch weiterhin fast 100 Prozent unserer aufgenommenen Kultur weg".

    Auch ein im vergangenen Jahr im Auftrag der britischen Regierung erstellter Bericht zur Lage des geistigen Eigentums, der Gowers-Report , kam zu dem Schluss, dass eine Verlängerung der Schutzfrist - insbesondere eine rückwirkende Verlängerung, wie von der Musikindustrie gefordert - unangebracht sei. Dafür handelte sich der Leiter der Untersuchungskommission und ehemalige Chefredakteur der Financial Times, Andrew Gowers, heftige Kritik von Seiten der Musikindustrie ein. In einer Anzeigenkampagne, in der sogar längst Verstorbene Musiker als Unterzeichner geführt wurden, forderte die Industrie Gerechtigkeit und " Fair Play for Musicians ".

    In einem Interview mit dem Magazin Out-Law erklärte Gowers dazu, dass in seinen Augen durchaus gerechtfertigt gewesen wäre, "basierend auf wirtschaftlichen Argumenten, für eine Verkürzung der Schutzfrist zu plädieren", worauf er aber verzichtet habe. Mit dem Vorschlag, die bestehende Schutzfrist beizubehalten, hätte er sich stattdessen "für den politisch weisen Weg" entschieden.

    Gegen eine Verlängerung der Schutzfristen plädierte auch der US-Ökonom Hal R. Varian im Interview mit Golem.de: "Eine nachträgliche Verlängerung ist ganz sicher nicht sinnvoll. Was zählt, sind doch die Anreize zu dem Zeitpunkt, zu dem ein Werk entsteht. Künstler wie Elvis oder die Beatles wussten doch damals nicht, wie viel Geld man mit ihrer Musik verdienen kann. Sie hatten damals aber ganz offenbar genug Anreize, Musik zu machen. Es ist nicht sinnvoll, diese Anreize im Nachhinein zu erhöhen."

    Zusammen mit weiteren namhaften Ökonomen wie Georg Akerlof, Kenneth Arrow, James M. Buchanan, Ronald Coase und Milton Friedman legte er in einer Stellungnahme an den Obersten Gerichtshof der USA dar, dass eine Verlängerung des Urheberrechts um 20 Jahre den Wert der Rechte nur um 0,33 Prozent erhöht.

    Für die Tonträgerhersteller laufen die Geschäfte insgesamt nicht gut . Die Lage des deutschen Tonträgermarktes hat sich auch im vergangenen Jahr nicht entspannt. Aus der aktuellen GEMA-Bilanz geht hervor, dass die Umsätze mit Tonträgern im Jahr 2006 um rund 14 Prozent gegenüber dem Vorjahr gesunken sind. Die gleichzeitige Zunahme des Online-Geschäfts mit Musik konnte die entstandenen Einnahmeverluste trotz des rasanten Marktwachstums nicht kompensieren, da laut einer aktuellen GfK-Studie "2006 allein in Deutschland 374 Millionen Songs illegal aus dem Internet heruntergeladen und Musik im Gegenwert von 486 Millionen Alben als Privatkopie auf CD- und DVD-Rohlinge gebrannt worden" sind, wie die Musikwoche berichtet .

    Im April 2007 zwischen IFPI und Verwertungsgesellschaften neu vereinbarte Lizenzmodelle sollen es in Zukunft erleichtern, Musik grenzüberschreitend online zu vermarkten . Es bleibt aber abzuwarten, welche Auswirkungen diese Vereinbarungen auf die Umsätze im Musikmarkt haben werden.

    Quelle: golem.de
     
  2. 13. Mai 2007
    AW: Musikindustrie und Udo Jürgens setzen Kanzlerin unter Druck

    Also die Zwangssperrung des Internetzugangs find ich Schwachsinn hoch drei. Das Internet ist für mich immernoch in erster Linie ein Informationsmedium. Man kann alle Medien missbrauchen, aber wer würde schon jemandem verbieten Zeitungen zu kaufen, weil derjenige sie nicht rechmäßig entsorgt hat?
     
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