Internationale Kooperation bringt bahnbrechende Erkenntnisse
Ein internationales Team von Wissenschaftlern, geleitet von iPSYCH an der Universität Aarhus, hat herausgefunden, dass seltene Varianten in den Genen MAP1A, ANO8 und ANK2 eine bedeutende Rolle bei ADHS spielen. ADHS ist größtenteils genetisch veranlagt und zeichnet sich durch eine hohe Erblichkeit aus. „Zum ersten Mal können wir auf sehr spezifische Gene hinweisen, bei denen seltene Varianten eine hohe Anfälligkeit für die Entwicklung von ADHS mit sich bringen“, erklärte der Senior-Autor Professor Anders Børglum vom Department für Biomedizin an der Universität Aarhus.
Genetische Analyse und soziale Implikationen
Das Team analysierte die genetischen Daten von fast 9.000 Personen mit ADHS und 54.000 Personen ohne die Krankheit. Sie verglichen diese mit der Funktionsfähigkeit von Gehirnzellen sowie mit Berichten über Bildung und den sozioökonomischen Status der dänischen Bevölkerung. Interessanterweise zeigen Personen mit diesen genetischen Mutationen oft ein niedrigeres Bildungsniveau und einen schlechteren sozioökonomischen Status – Merkmale, die häufig bei Menschen mit ADHS beobachtet werden.
Diese seltenen Mutationen stören die Kommunikation zwischen Neuronen. Sie beeinflussen Gene, die in diesen entscheidenden Nervenzellen im Gehirn exprimiert werden. Diese Störungen sind ein charakteristisches Merkmal von ADHS. Insbesondere wirken sich die Varianten negativ auf die Funktion dopaminergischer und GABAergischer Neuronen aus. Diese Zelltypen sind maßgeblich an der Regulierung von Aufmerksamkeit, Impulskontrolle und Motivation beteiligt.
Biologische Mechanismen und neuroentwicklungspsychische Störungen
„Unsere Ergebnisse bestätigen, dass Störungen in der Gehirnentwicklung und -funktion zentral für die Entwicklung von ADHS sind“, sagte Ditte Demontis, die Co-Erstautorin und Professorin am Department für Biomedizin. Sie und ihr Team analysierten auch, welche Proteine mit den von ihnen identifizierten ADHS-Genen interagieren. Dabei entdeckten sie ein größeres Netzwerk von Proteinen, das auch bei anderen neuroentwicklungspsychischen Störungen – wie Autismus und Schizophrenie – eine Rolle spielt. Diese Erkenntnisse bieten wertvolle Einblicke in die biologischen Verknüpfungen verschiedener psychiatrischer Diagnosen.
Diagnoseoptimierungen in Sichtweite
Die neuen Erkenntnisse tragen erheblich zum Verständnis des genetischen Modells von ADHS bei. Momentan berücksichtigen die diagnostischen Verfahren in den USA keinen spezifischen genetischen Marker. Kliniker stützen sich auf Daten aus medizinischen Untersuchungen, Interviews und schulischen Unterlagen. Genetische Markierungen, die bereits vor der Geburt vorhanden sind, könnten jedoch dazu beitragen, das Bewusstsein für Risiken, Diagnosen und Treatments zu erhöhen.
„Diese Studie bietet eine neue, greifbare Richtung zur Kartierung der biologischen Mechanismen, die an ADHS beteiligt sind. Wir wissen jetzt von ursächlichen Genen mit hochwirksamen Varianten“, so Børglum weiter. Diese Erkenntnisse bieten Einblicke in grundlegende biologische Prozesse, die genutzt werden können, um komplexere mechanistische Studien zu gestalten.
Weitere Entdeckungen in der Genetik stehen an
Laut der Forschung sind diese Ergebnisse aber nur ein Teil der gesamten Geschichte. Es gibt noch viele weitere Genvarianten, die untersucht werden müssen, da sie eine kleine oder – wie diese seltenen Mutationen – eine große Rolle in der Präsentation neurodiverser Erkrankungen spielen können. „Wir stehen erst am Anfang der Aufdeckung dieser seltenen hochwirksamen Varianten“, bemerkte Jinjie Duan, Co-Erstautorin und Postdoktorandin. Die Berechnungen des Teams zeigen, dass es viele weitere seltene Ursachen gibt, die in noch größeren Studien identifiziert werden können. In der aktuellen Studie konnten 17 zusätzliche Gene identifiziert werden, von denen wahrscheinlich eine kausale Wirkung ausgeht.
Die aktuellen Forschungsergebnisse sind der jüngste Beitrag zum Verständnis der genetischen Natur von ADHS – ein sich noch entwickelndes Gebiet der neuroentwicklung mit viel Raum für Entdeckung.
Die Studie wurde in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht.