So entsteht das musikalische Alter bei Spotify
Spotify erklärt seine Methode mit dem Konzept des Reminiscence Bump. Diese Theorie postuliert, dass bedeutende Erinnerungen aus unserer Jugendzeit stärker im Gedächtnis verankert sind. Studien zeigen, dass besonders zwischen dem 16. und 21. Lebensjahr prägende musikalische Erinnerungen entstehen. Spotify untersucht die gehörten Titel im Rahmen einer fünfjährigen Zeitspanne. Ein Beispiel verdeutlicht dies: Wer die Musik der Neunziger präferiert, kann laut Algorithmus mit einem musikalischen Alter von 43 Jahren rechnen. Zwischen 16 und 100 Jahren schwankt das Resultat, wobei 21 Jahre am häufigsten vorkommt – und das macht erstaunliche neun Prozent der Nutzer aus. Interessant ist, dass nur 0,0013 Prozent der Teilnehmer 98 Jahre alt erreichen. Tatsächlich genügen schon drei Lieder aus dem entscheidenden Zeitraum für die Bestimmung des Alters. Hört jemand deutlich mehr Musik aus den Neunzigern, so resultiert entsprechend das Alter von 43 Jahren.
Provokation als strategischer Marketingansatz
Die genutzte Strategie zielt darauf ab, Nutzer zu überraschen. Je unglaubwürdiger die Ergebnisse, desto größer die Lust zum Teilen. Eine 25-Jährige mit einem musikalischen Alter von 68 Jahren illustriert diese Wirkung eindrücklich. Spotify hat es somit geschafft, den Drang zur Identitätsprojektion im Netz auszureizen – und das mit einem cleveren Marketingansatz. In früheren Jahren teilten Nutzer ihre Top-Fünf-Listen sowie Statistiken zur Hörzeit in großen Mengen.
Kostenlose Werbung durch verärgerte Nutzer
Hinter dieser Funktion scheint eine simple Marketingstrategie zu stehen. Die meisten erfahren nicht direkt durch Werbung von Spotify über Wrapped. Vielmehr geschieht dies durch Posts von Freunden. Die Plattform benötigt somit kein teures Werbebudget. Ob die Empörung tatsächlich echt ist oder inszeniert, bleibt insofern fraglich. Spotify erzielt sein Ziel – die Empörung sorgt für Sichtbarkeit und Werbung. Ein bemerkenswerter Nebeneffekt: Die Plattform generiert massenhaft Posts ohne zusätzliche Kosten, während sie gleichzeitig mit Kritik an der niedrigen Künstlervergütung und an der Verbreitung von Musik durch KI konfrontiert wird.