2 Regionalzeitungen Teilchenbeschleuniger am CERN

Dieses Thema im Forum "Politik, Umwelt, Gesellschaft" wurde erstellt von Thecell, 12. September 2008 .

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  1. 12. September 2008
    Zuletzt von einem Moderator bearbeitet: 14. April 2017
    2 Regionalzeitungen Teilchenbeschleuniger am CERN

    Hier die Rohnezeitung:

    «Wir werden nicht von einem schwarzen Loch verschluckt»
    Gestern wurden im Teilchenbeschleuniger (LHC) am CERN in Genf die ersten atomaren Teilchen aufeinandergeschossen. Die RZ sprach mit Physiker Werner Volken, der am CERN dissertierte, über die Welt der Quanten und Einsteins Traum, eine Weltformel zu finden.
    Die Forscher nennen es Quantenkorrelation, Einstein nannte es «gespenstisch» und für Normalsterbliche ist es schlicht Science-Fiction. Können Sie für Laien verständlich erklären, was zurzeit am CERN für Forschungen betrieben werden?
    Am CERN versucht man derzeit, Theorien über die elementaren Bausteine unserer Materie und die fundamentalen Kräfte, die sie zusammenhalten, experimentell zu bestätigen. Dazu werden atomare Teilchen mit hoher Geschwindigkeit aufeinandergeschossen. Bei dieser hochenergetischen Kollision kann die Energie der Geschosse zu neuen Objekten ‹kondensieren›, etwa so, wie Dampf zu Wassertröpfchen kondensieren kann. Die so erzeugten Teilchen werden mit einen riesigen Detektor erfasst und analysiert. Dabei hält man Ausschau nach ganz bestimmten Teilchen, die eine Schlüsselrolle in gewissen fundamentalen Prozessen spielen. Man schaut, wie die Teilchen, die unsere Natur aufbauen, überhaupt zu ihrer Masse kommen. Dieser «Geburtsprozess» wird auch Higgs-Mechanismus genannt. Das Higgs-Boson, so gesehen die Hebamme dieses Geburtsprozesses, wurde mit mathematischen Gleichungen bereits in den 60er Jahren vorausgesagt und soll nun experimentell bestätigt werden.

    Mit hochenergetischen Teilchenkollisionen will man den Zustand von Materie und Naturkräften kurz nach dem Urknall simulieren. Manche Zeitgenossen befürchten, dass das CERN ganz real einen Welt*untergang riskiert und wir von einem schwarzen Loch verschlungen werden könnten. Gibt es Grund zur Sorge?
    Jede Theorie ist, solange nicht experimentell bewiesen, an und für sich eine Spekulation. Deshalb macht man ja auch solche Experimente. Wenn nun die Theorie die Bildung eines so genannten schwarzen Lochs zulässt, welches uns alle verschlingen würde, ist das in der Tat eine schwerwiegende Aussage, die uns alle betrifft. Deshalb müssen wir sicherstellen, ob das, was am CERN gemacht wird, auch in der Natur, ohne Gefahr für uns, bereits abläuft. Und genau das geschieht in diesem Moment und seit mehreren Milliarden Jahren durch das Auftreffen der kosmischen Strahlung auf unseren Planeten. Die primäre kosmische Strahlung, die grösstenteils aus Protonen besteht, prasst in diesem Moment mit grosser Wucht auf unsere Atmosphäre und führt dort ebenfalls zu Proton-Proton-Kollisionen mit teilweise noch höheren Energien und einer Häufigkeit, welche durch die Experimente am CERN niemals erreicht werden können. Die Natur praktiziert also das, was am CERN gemacht wird, schon seit Milliarden von Jahren und die Erde existiert immer noch. Darum glaube ich, dass bei den Experimenten am CERN keine Gefahr für uns entsteht.

    Einerseits erscheinen solche Ängste als unsinnig, auf der anderen Seite unterliegt die moderne Wissenschaft einem hohen Legitimationsbedarf. Was würden Sie den Forschern am CERN raten?
    Sie müssen ganz klar - und das haben sie auch eingesehen - die Kommunikation nach aussen verbessern. Es ist wichtig, die Medien klar darüber zu informieren, was man da eigentlich macht. Hätte man das getan, hätten sich auch die schwarzmalerischen Weltuntergangstheorien nicht so verbreiten können, die wissenschaftlich gesehen nicht haltbar sind. Diese Rössler- und Wagner-Theorien sind sehr spekulativ und vermittelten durch Fehlinterpretationen ein verzerrtes Bild.

    Formulierungen wie «Der Urknall im Labor» oder «Gottes-Teilchen», als Synonym für das Higgs-Boson, sorgen dafür, dass die Wissenschaft mystifiziert wird, als ob es nicht schon faszinierend genug wäre, zu verstehen, was unsere Welt zusammenhält.
    Oft kommt bei der Wissenschaft auch die Religion ins Spiel. Man will dem Herrgott auf die Finger schauen und alles ganz genau wissen. Die Neugier, der Forscherdrang und die alten Fragen zu beantworten, die die Menschheit seit jeher beschäftigen, liegen in der Natur des Menschen. Beim Beantworten von solchen Fragen bleiben oftmals Fragezeichen, die auch die Wissenschaft nicht beantworten kann. Deshalb gibt man diesen Dingen wohl solch phantastische Namen.

    «Die Zauberlehrlinge wollen Gott spielen!» heisst es in einem Online-Kommentar zu den LHC-Experimenten. Wieso hält sich in weiten Kreisen der Bevölkerung so hartnäckig die Vorstellung vom «Mad Scientist», wo es doch eigentlich um Wissenschaft und Erkenntnis geht?
    Von populären Persönlichkeiten wie etwa Stephen Hawking abgesehen, kennt die breite Masse kaum einen Wissenschaftler. Zudem spielen sich die Experimente hinter verschlossenen Türen ab. Was man nicht weiss, führt bekanntlich zu den wildesten Spekulationen. Die Science-Fiction-Filme, in denen verrückte Professoren im Labor umherirren und überrissene Schlagzeilen tragen ihr Übriges dazu bei. Wenn man die Bevölkerung mehr über wissenschaftliche Forschung aufklären würde, könnte sich dieses Bild ändern. Natürlich setzt das das Interesse der Menschen an der Wissenschaft voraus.

    Schwarze Löcher, der Urknall, Anti-Materie und solche Begriffe, um die es bei den Experimenten am CERN geht, sind für viele Menschen bizarre Dinge. Kann man die damit verbundenen Ängste schlicht als Wissenschafts-Analphabetismus abtun?
    Wir leben in einer Glitzerwelt, wo man gerne brisanten Themen nachgeht. Nun sind, aufgrund des neuen Teilchenbeschleunigers, auch Teilchenphysik und die damit verbundenen Quantentheorien in den Fokus der Medien geraten. Vorher hat sich kaum jemand dafür interessiert. Quantenphysik ist ja nicht gerade ein Stammtischthema. Man muss sich intensiv damit beschäftigen, um ihre Ansätze zu verstehen.

    Viele Menschen denken, Quantenforschung sei Zeit- und Geldverschwendung. Was hat denn die Quantenphysik der Menschheit bisher gebracht?
    Ohne Quantenphysik würden wir keine mikroskopischen Vorgänge verstehen. Bildgebende Verfahren in der Medizin wie etwa die Magnetresonanztomographie (MRI) gäbe es nicht. Auch Halbleiterelemente wie zum Beispiel Transistoren - zentrale Elemente der Prozessorentechnologie - wären ohne Quantenmechanik undenkbar. Ob gut oder schlecht, würde es auch keine Atomkraftwerke geben. Als weiteres Produkt der Quantentheorie sei noch der Laser erwähnt, der bei der Materialbearbeitung und in der Medizin von grosser Bedeutung ist. Man muss sich vor Augen führen, dass ein Milliarden teurer Apparat wie der LHC nicht einfach aus philosophischen Ambitionen gebaut wird. Dort gibt es neben dem Mainstream-Projekt viele Spin-off-Projekte, von denen auch die Wirtschaft profitieren kann. Erwähnt sei an dieser Stelle die Entwicklung des ‚Internets‘, ein Nebenprodukt eines Forschungsprojektes am CERN.

    Was gestern noch Science-Fiction war, ist heute oftmals Realität. Denken wir nur an die Entwicklung der Mikrochips oder den ersten bemannten Weltraumflug. Was erwartet uns in der Zukunft?
    Es ist heute schwierig zu sagen, was für Bedürfnisse die Menschen in 50 Jahren haben werden. Die Möglichkeiten der Quantenphysik sind enorm. So genannte Quantencomputer könnten in absehbarer Zukunft die Rechenleistung in eine ganz andere Dimension bringen. Aktuell ist Quantenkryptologie ein grosses Thema. Mit Lichtquanten verschlüsselte Datenübertragungen sind absolut sicher, da man - im Gegensatz zur elektronischen Technik - mitbekommt, wenn jemand mithört.

    Zurück zu Einstein. Am CERN wurde kürzlich ein Bruchteil eines Atoms angeblich in eine andere Dimension gebeamt, und das mit 100 000-facher Lichtgeschwindigkeit. Gerät die Einstein'sche Relativitätstheorie ins Wanken?
    So genannte virtuelle Zustände können die Bandagen der Physik kurzzeitig sprengen. Dies erlaubt die Heisenberg'sche Unschärferelation. Sie besagt, dass nicht alle Grössen, welche es zur Beschreibung von physikalischen Zuständen gibt, mit beliebiger Präzision erfasst werden können. Diese in der Natur der Quanten liegende Unschärfe lässt die Existenz solcher virtuellen Zustände zu, aber nur innerhalb dieser Grenzen. Im Gegensatz dazu unterliegen alle realen Zustände wie etwa Atome und Moleküle den physikalischen Gesetzen und auch der Relativitätstheorie. Würden am CERN oder irgendwo im Universum gewisse fundamentale Prozesse anders beobachtet werden wie etwa die Nicht-Existenz des Higgs-Bosons, würde das die Wissenschaft auf den Kopf stellen.

    Mit String-Theorien könnten die Naturkräfte Gravitation, Elektromagnetismus sowie die schwache und die starke Kernkraft auf der Makro- und der Mikro-ebene mathematisch vereinigt werden. Ist man damit Einsteins Traum, das gesamte Universum in nur einer Formel auszudrücken, näher gekommen?
    Das ist der Traum aller Physiker. Darauf zielt auch die Forschung am CERN ab. Man sucht nach der kurz nach dem Urknall auftretenden Asymmetrie, die die uns heute bekannten fundamentalen Kräfte so unterschiedlich erscheinen lässt. Damit liesse sich zum Beispiel erklären, weshalb die Gravitation heute so viel schwächer ist als die anderen elementaren Naturkräfte. Der LHC soll ausserdem auch Hinweise zu den String-Theorien geben, die besagen, dass die kleinsten Teilchen nicht punkt-, sondern fadenförmig sind und mit denen sich die Möglichkeit bietet, die fundamentalen Kräfte in einer einheitlichen Beschreibung zu vereinigen. Um solche Modelle zu prüfen, muss man die Bedingungen, wie sie kurze Zeit nach dem Urknall geherrscht haben sollen, im Labor künstlich erzeugen. Wir tasten uns mit dem LHC zwar einen Schritt weiter in Richtung Urknall, sind aber damit noch nicht am Ziel.


    Zur Person
    Name: Volken Vorname: Werner Geburtsdatum: 4. Januar 1962 Familie: verheiratet, drei Kinder Beruf: Physiker Funktion: Physiklehrer am Kollegium Spiritus Sanctus, Forschungstätigkeit am Institut für medizinische Strahlenphysik beim Inselspital in Bern

    Nachgehakt
    Wir werden von einem am CERN erzeugten schwarzen Loch verschlungen. Nein
    Die String-Theorien können in diesem Jahr*hundert experimentell bewiesen werden. Ja
    Science-Fiction von heute ist die Realität von morgen. Joker
    (Der Joker darf nur einmal gezogen werden.)
    Martin Kalbermatten

    Quelle: RZonline | Ausgaben

    Walliserbote abgescannt:

    Spoiler
    Bild

    In Highquality sry 16mb passt net auf xup daher RS:

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  2. Video Script

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