Bankenkrise - "Das war schlechte Kommunikation"

Dieses Thema im Forum "Politik, Umwelt, Gesellschaft" wurde erstellt von graci, 1. März 2010 .

  1. 1. März 2010
    Zuletzt von einem Moderator bearbeitet: 15. April 2017
    wirtschaft

    Der frühere Deutsche-Bank-Chef Rolf Breuer äußert im Interview mit ZEIT ONLINE scharfe Kritik an Bankerkollegen. Die Politik müsse rasch strengere Finanzregeln erzwingen.
    Von Justus Bender | Philip Faigle
    26.2.2010 - 17:44 Uhr

    © Ralph Orlowski/Getty Images
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    Der frühere Vorstandschef der Deutschen Bank, Rolf Breuer, fordert strengere Regeln für die Finanzbranche

    ZEIT ONLINE: Brauchen wir eine grundlegende Reform der Finanzmärkte?

    Rolf Breuer: Unbedingt. Und die Änderungen müssen schnell kommen, damit die Branche nicht wieder in dieselbe Falle läuft. Nach meinem Dafürhalten ist es richtig, dass die Politik das Missfallen der Bevölkerung aufgreift und eine Reform anstrebt. Was mir widerstrebt, ist die Reaktion mancher Kollegen auf diese Pläne. Einigen in der Bankenbranche fehlt es derzeit offenbar an der gebotenen Demut.

    ZEIT ONLINE: Denken Sie dabei auch an den Chef von Goldman Sachs, der kürzlich sagte, "die Banken verrichten Gottes Werk“?

    Breuer: Ich sage das ganz ruhig: So etwas regt mich auf. Das ist für mich – angesichts dieser weltweiten Krise – Gotteslästerung. Ein anderes Beispiel: Der Deutschland-Chef von Goldman Sachs soll kürzlich gesagt haben, die Banken seien nicht dem Gemeinwohl verpflichtet. Solche Aussagen sind falsch und schaden der gesamten Branche. Die Banker in Deutschland sollten lieber darum kämpfen, wieder als nützlicher Teil dieser Gesellschaft anerkannt zu werden.

    ZEIT ONLINE: Manche Banker haben kurz nach dem Höhepunkt der Krise wieder hohe Renditeziele verkündet.


    Breuer: Das war, in ihrer Wirkung betrachtet, schlechte Kommunikation. Es musste der Eindruck entstehen, die Banker hätten aus ihren Fehlern nicht gelernt. In einer Situation, in der unsere Gesellschaft an der Sinnhaftigkeit von Banken zweifelt, kann man nicht noch einen drauf setzen und sagen: Wir wollen wieder Margen von x Prozent. Da hätte ich mir eine größere Sensibilität für die politische Stimmung im Land gewünscht.

    ZEIT ONLINE: War es nur schlechte Kommunikation oder auch in der Sache falsch?

    Breuer: Beides. Es muss allen Banken in dieser Situation um Stabilität gehen. Sie müssen verhindern, wieder in ein Desaster zu geraten, für das die Allgemeinheit aufkommen muss. Es muss das Eigenkapital gestärkt werden. Wir brauchen wieder stabile Banken.

    ZEIT ONLINE: Renditen wie vor der Finanzkrise sind also nicht mehr zeitgemäß?

    Breuer: Nein. Und ich würde das noch schärfer formulieren: Die Krise hat unser gesamtes Geschäftsmodell in Frage gestellt. Wir haben zu lange die Interessen der Aktionäre in den Mittelpunkt gestellt und darüber unsere gesellschaftliche Verantwortung vernachlässigt. Viele Menschen verstehen die Ursachen der Krise nicht, aber sie spüren, dass hier etwas aus der Balance geraten ist, und dieses Gefühl ist richtig.

    ZEIT ONLINE: Heute zocken die Banker wieder wie gewohnt. Diesmal mit dem billigen Geld, das ihnen die Zentralbanken zur Stabilisierung anbieten.

    Breuer: Das billige Geld ist in der Tat eine Versuchung, auch wenn die Zentralbanken die Zinsen in den nächsten Monaten wieder anheben werden. Noch aber führen niedrige Zinsen dazu, dass Geschäfte getätigt werden, die man in anderen Zeiten dreimal überdacht hätte. Manche Institute leihen sich Geld zum Nullzins und stecken es in Griechenland-Anleihen, die sechs Prozent Zinsen abwerfen. Das sind sechs Prozent für nichts. Warum sollten sie es auch nicht tun? Es ist zu einfach!

    ZEIT ONLINE: Wie sollte die Politik reagieren?

    Breuer: Sie muss möglichst schnell Grenzen setzen. Wir brauchen eine bessere Aufsicht und Regulierung. Und wir müssen das Verhältnis zu den Rating-Agenturen neu ordnen. Der Staat muss diese Veränderungen erzwingen. Allein auf Freiwilligkeit zu setzen ist blauäugig und funktioniert nicht. Dafür war die Krise zu groß und dafür haben zu viele Leute für die Kosten bezahlt, die nichts dafür konnten.

    ZEIT ONLINE: Welche Regeln brauchen wir konkret?

    Breuer: Wir müssen als erstes dafür sorgen, dass die Institute mehr Eigenkapital halten – und zwar ohne Ausnahmen. Die Kredithebel, durch die Banken ihre Geschäfte mit geliehenem Geld verstärken, müssen kleiner werden. Zweitens benötigen wir eine Finanzaufsicht, die auch das internationale Geschäft der Banken wirkungsvoll überwacht. Zuletzt müssen wir verhindern, dass die Banken wieder so groß werden, dass ihr Zusammenbruch das System gefährdet und deshalb die Allgemeinheit gezwungen ist, einzuspringen.

    ZEIT ONLINE: US-Präsident Obama will dafür die Banken zerschlagen, in Kreditinstitute mit Privatkunden und reine Investmentbanken. Würde das helfen?

    Breuer: Nein. Die Finanzkrise hat keine Indizien geliefert, dass Kundenbanken sie besser überstanden haben als Investmentbanken. Die Wiedereinführung von Glass Steagall ist keine Antwort auf die Krise.

    ZEIT ONLINE: Was schlagen Sie vor?

    Breuer: Mehr Kontrolle und schärfere Regeln. Wenn alle Geschäfte transparent sind, ist es durchaus möglich, die Banken in ihrer Größe zu begrenzen. Werden sie zu groß, kann man sie verpflichten, mehr Eigenkapital vorzuhalten.

    ZEIT ONLINE: Die Banken wird das teuer zu stehen kommen. Allein verschärfte Bilanzierungsregeln für den Handel mit Wertpapieren belasten die Branche mit sieben bis acht Milliarden Euro, schätzt die Bundesbank.

    Breuer: Dann ist das eben so. Diesen Preis müssen die Banken bezahlen.

    ZEIT ONLINE: Die Bankenlobby wird sich wehren. Besteht die Gefahr, dass sie wichtige Reformen verhindert?

    Breuer: So mächtig ist die Lobby nicht. Ich mache mir über etwas anderes Sorgen.

    ZEIT ONLINE: Nämlich?

    Breuer: Die fehlende Vernetzung der Regierungspläne. Da haben wir Obamas Pläne in den USA. Der britische Premier Gordon Brown besteuert die Bonuszahlungen. Daneben gibt es noch einen deutschen und französischen Plan. Das mag alles gut durchdacht sein, aber es ist nicht abgestimmt. Wir brauchen Regulierungen, die international gültig sind. Sonst suchen die Beteiligten sich Orte, an denen sie weniger Eigenkapital vorhalten müssen, und wo die deutschen Regeln nicht gelten. Die Banken dürfen sich nicht aussuchen dürfen, welche Regeln für sie gelten. Deshalb brauchen wir eine Koordinierung der Reformen.

    ZEIT ONLINE: Einen internationalen Konsens herzustellen ist schwierig. Wie soll das gelingen?

    Breuer: Die Großen müssen ran, allen voran die USA. Diese sind in meinen Augen die Hauptverantwortlichen. Während wir in Europa schon über Basel III reden, haben die Amerikaner noch nicht mal Basel II umgesetzt. Schon vor der Krise haben sich die USA nicht kooperativ verhalten. Nun prescht Obama mit einem international nicht abgestimmten Plan zur Bankenregulierung vor, der zeigt, dass sich die Amerikaner weiter nicht kooperativ verhalten wollen.

    ZEIT ONLINE: Mit welchen Folgen?

    Breuer: Die Regulierungsmaßnahmen werden wirkungslos bleiben und die Banken werden sie umgehen. Die Welt ist so. Als Folge erleben wir in wenigen Jahren womöglich die nächste Krise.

    Das Gespräch führten Justus Bender und Philip Faigle.

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    Adresse: Bankenkrise: Das war schlechte Kommunikation | ZEIT ONLINE

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    wollten nicht die usa, dass europa daten vom bankentransfer an usa schickt? während sich die amis an andere finanzregelungen nicht hält...
    abgesehen vom moralischen palaver fand ich einige stellen interessant.
     
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