#1 3. April 2005 Virtuelle Waffen und Charaktere werden für echtes Geld verkauft Weltweit Millionen Menschen begeben sich täglich auf abenteuerreiche Trophäenjagd mit Online-Computerspielen. Mit der Konsole oder dem PC treten sie gegeneinander an, um in virtuellen Welten ihre Kräfte zu messen. Doch nicht jeder hat ausreichend Glück und Zeit, um sich in der Spielerhierarchie den erträumten Platz zu erkämpfen. Mit dem Griff in die Brieftasche lässt sich das korrigieren: In Webshops und Internetauktionshäusern werden virtuelle Waren, Rüstungen, Charaktere und Waffen gegen Bares angeboten - sehr zum Unmut der Spielehersteller, die dadurch das sensibel ausbalancierte Wirtschafts- und Belohnungssystem ihrer Computerwelten in Gefahr sehen. Einigen dieser mitunter in Clans organisierten "Item Hunter" ("Objektjäger") gelingt es tatsächlich, ihr reales Leben durch die Jagd nach begehrten virtuellen Fähigkeiten oder digitalen Gegenständen zu finanzieren. Das britische Wirtschaftsmagazin "Economist" schätzte die jährlichen Einnahmen aus solchen Geschäften kürzlich auf mindestens 100 Millionen Dollar (mindestens 77 Millionen Euro) pro Jahr. Hauptsache nicht Anfänger Käufer sind vor allem Menschen mit wenig Zeit. Im Schnitt tauchen Onlinespieler pro Woche rund 20 Stunden in ihre Traumwelt ab. So viel Muße haben beruflich Erfolgreiche oft nicht, die auch in der Spielewelt auf ihren Status achten. Sie sind bereit, ein entsprechendes Niveau zu kaufen, um nach Feierabend im Internet nicht als Anfänger dazustehen. Geliefert werden dann einige Zeilen Programmcode, den die Verkäufer auf einem Konto des Spieleservers passwortgeschützt bereitstellen. Sobald das Geld den Besitzer gewechselt hat, kann dann aus einem mittellosen Bettler ein angesehener Kaufmann oder listiger Krieger werden. Doch das beschwört den Unmut der Spielergemeinde herauf, die viel Zeit und Fantasie investiert, um im Fairplay immer neue Ebenen im harten digitalen Alltag zu erklimmen. "Es gibt extremen Widerstand der übrigen Spieler", beschreibt Micha Schikor, der sich ganz auf den Verkauf von Zauberkräften für das Onlinespiel "Diablo 2" spezialisiert hat, die Stimmung in der Szene. Kosten wie in Hollywood Beschwerden über Konkurrenten, die mit Bargeld statt mit Spielgeschick vom Bettelmann zum König aufstiegen, zwingen die Hersteller zum Handeln. Denn die Entwicklungskosten hätten inzwischen Dimensionen erreicht, die man früher nur von Hollywood-Spielfilmen kannte, sagt Hartmut Gieselmann, Spieleexperte des Magazins für Computertechnik c't. Zudem beruhen die Online-Spiele inzwischen zumeist auf einem Abosystem. Dabei werden monatlich zehn bis 15 Euro gezahlt, um das eigene Programm über das Internet mit denen der anderen Spieler zu vernetzen. Vergrätzte Nutzer bedeuten deshalb schnell wegbrechene Einnahmen. Teilweise verfolgten Anbieter deshalb nun die Strategie, immer mehr Gegenstände und Fähigkeiten in ihre Spiele einzubauen, sagt Schikor. "Dadurch sinken die Preise." Für professionelle "Item Hunter" wird das Geschäft damit weniger attraktiv. Die Spielefirma Blizzard Entertainment, Anbieter des Kassenschlagers "World of Warcraft", sperrte auch schon mehrfach Hunderttausende Schummel-Konten im Online-Spielenetz Battlenet, um faire Bedingungen durchzusetzen. Geschäft mit Schummelhilfen Daneben zeigte ein überarbeitetes Konzept bei "World of Warcraft" Wirkung: Ein leichterer Einstieg für Anfänger und Spielfreude auch ohne ständiges Streben nach neuen Fähigkeiten und Kräften, haben die Nachfrage nach einschlägigen Spielhilfen sinken lassen. Doch inzwischen lassen sich längst nicht mehr nur mit Schummelhilfen aus dem Cyberspace Geschäfte machen: Im Dezember kaufte ein Spieler der Online-Welt "Project Entropia" eine virtuelle Insel für 26.500 Dollar - nach Angaben des Betreibers der höchste Preis, der je für ein computergeneriertes Besitztum gezahlt wurde. Der Käufer, ein 22-Jähriger Australier, hofft nun, das Geld durch den Verkauf von Parzellen und Schürfrechten wieder einzuspielen. quelle: ZDFheute + Multi-Zitat Zitieren