Forschungshintergrund und Motivation
Die Forschung, die von australischen Wissenschaftlern der Murdoch Universität, der University of Western Australia und dem Kids Research Institute geleitet wird, stellt die Frage nach den einzigartigen Eigenschaften von Mikrobiomen in verschiedenen Körperregionen. Ist das Mikrobiom im Genitalbereich ebenso individuell? Forensiker Brendan Chapman – ein führender Kopf des Projekts – erläutert: „Jeder Kontakt hinterlässt eine Spur.“ Während bislang nur wenige Studien zu vaginalen und penilen Mikrobiomen in einem forensischen Kontext durchgeführt wurden, zeigt diese Forschung auf, dass es tatsächlich möglich ist, mikrobielle Spuren im Genitalbereich nach dem Geschlechtsverkehr zu identifizieren.
Sexuelle Gewalt als globales Problem
Sexuelle Gewalt gegen Frauen stellt ein erhebliches Problem der öffentlichen Gesundheit dar. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schätzt, dass weltweit etwa jede dritte Frau im Laufe ihres Lebens Gewalt durch intime Partner oder Nicht-Partner erlebt hat. Auch wenn alle Geschlechter sexualisierter Gewalt ausgesetzt sind, zeigen bestehende Forschungsergebnisse, dass Frauen einem deutlich höheren Risiko begegnen.
Die Rolle von DNA und Mikrobiomen in der Forensik
Die Sammlung von DNA-Beweisen nach einer sexuellen Übergriff – das so genannte Sexual Assault Evidence Kit (SAEK) oder „Vergewaltigungs-Kit“ – ist für die Ermittlungen von entscheidender Bedeutung. Die Herausforderung besteht oft darin, männliche DNA zu isolieren und von weiblicher DNA zu trennen. In diesem Kontext haben die Forscher die Möglichkeit untersucht, das genitale Mikrobiom – das Sexome – als alternative Methode zu nutzen.
Die Studiendurchführung
Zwölf monogame heterosexuelle Paare im Alter von 20 bis 30 Jahren nahmen an der Studie teil. Zu Beginn nahmen die Teilnehmer Abstriche von ihren Genitalien, um eine Basisprobe ihres Mikrobioms zu erhalten. Durch RNA-Gen-Sequenzierung wurde ermittelt, welche Bakterienstämme vorhanden waren. Die Paare wurden angewiesen, vor dem Geschlechtsverkehr zwischen zwei und 14 Tagen lang auf sexuelle Aktivitäten zu verzichten. Nach dem Geschlechtsverkehr wurden erneut Proben entnommen.
Ergebnisse und Beobachtungen
Beim Vergleich der Vorher-Nachher-Proben stellten die Forscher eine signifikante Störung der mikrobiellen Vielfalt fest, obwohl die Übertragungen nicht bei allen Paaren konstant waren. Weiterführende Analysen zeigten, dass das Mikrobiom eines Partners beim anderen identifiziert werden konnte. Dies deutet auf eine Übertragung der einzigartigen bakteriellen Signaturen hin.
Bei der Frage der Nutzung von Kondomen kam erstaunlicherweise heraus, dass der Großteil der mikrobiellen Übertragung von der Frau auf den Mann stattfand. Faktoren wie Beschneidung, der Zustand von Schamhaaren oder die Verwendung von Gleitmitteln hatten keinen signifikanten Einfluss auf die mikrobiellen Übertragungen.
Zukunftsausblick und Relevanz
Die Ergebnisse dieser Forschung deuten darauf hin, dass die Mikrobiomanalyse als zusätzliches Werkzeug in der Untersuchung sexueller Übergriffe nützlich sein könnte, besonders wenn männliche DNA nicht vorhanden ist. Die Forscher planen, in zukünftigen Studien herauszufinden, wie lange das übertragene Sexome nach sexuellem Kontakt bestehen bleibt und wie schnell das Mikrobiom nach der Störung durch Geschlechtsverkehr zu seinem Ausgangswert zurückkehrt.
Die Relevanz dieses Ansatzes könnte nicht hoch genug eingeschätzt werden. Die Erhöhung der Effektivität von forensischen Verfahren ist entscheidend, um Gerechtigkeit zu sichern und die Sicherheit in Gesellschaften zu erhöhen.