Fast alle würden sagen dass Hunde oder Ratten besser riechen können als Menschen. Schließlich sind deren Nasen berühmt für außerordentliche Leistungen, während der Mensch seit Jahrhunderten mit scheinbar schlecht ausgeprägtem Geruchssinn durch die Welt läuft. Das allerdings ist nicht mehr als ein Mythos, der sich zwar hartnäckig hält, aber in aktuellen wissenschaftlichen Experimenten nicht belegt wurde, sagt ein Psychologe und Neurowissenschaftler aus den USA.
„Die Ansicht, dass der menschliche Geruchssinn im Vergleich zu anderen Säugetieren armselig ist, ist ein Mythos aus dem 19. Jahrhundert”, bringt es John P. McGann von der Rutgers University in Piscataway auf den Punkt. „So lange haben es die Leute nicht hinbekommen, mal innezuhalten und diese Behauptung infrage zu stellen – nicht einmal diejenigen, die den Geruchssinn Zeit ihres Lebens studieren.” Tatsache sei aber, urteilt McGann, dass der Geruchssinn beim Menschen genauso gut ist wie bei anderen Säugern, etwa Nagern und Hunden. Menschen könnten zum Beispiel weit mehr Gerüche unterscheiden als man aus Volksweisheiten meinen würde.
Zwar ist das Riechorgan proportional gesehen tatsächlich kleiner als bei Nagern, doch die Zahl der Nervenzellen in dieser Hirnregion absolut gesehen sogar größer. Darüber hinaus gebe es beim Menschen zwar weniger genetische Informationen für die Geruchsrezeptoren als bei Nagern dafür seien aber die zugehörigen Hirnstrukturen, die zur Interpretation der Informationen benötigt werden, weitaus komplexer. Denn in seiner Gesamtheit ist das menschliche Gehirn überaus leistungsstark. „Hunde sind vielleicht besser als Menschen darin, die Urinspuren an einem Hydranten zu unterscheiden”, erläutert McGann, „Und Menschen sind vielleicht besser als Hunde darin, die Aromen guter Weine zu unterscheiden. Doch nur wenige solcher Vergleiche werden derzeitig durch Experimente unterstützt.” Er geht davon aus: Würde eine entsprechende Bandbreite an Gerüchen getestet, würden Menschen andere Säuger wie auch Hunde darin schlagen, manche Gerüche zu erkennen, während sie für andere weniger empfindlich wären.
Ein Grundproblem ist, dass der Geruchssinn eine viel größere Rolle spielt als die meisten annehmen. Die Geruchswahrnehmung beeinflusst das Handeln, die Gefühlswelt, ruft Erinnerungen hervor und festigt Erlebtes. Manchmal geschieht dies bewusst, oft aber auch unbewusst. Die Beeinträchtigungen des Geruchssinns sind häufig auch mit Krankheiten in Verbindung, etwa mit neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer oder Parkinson.
McGann steht mit seiner Ansicht nicht alleine da. So geht etwa auch die Lebensmittelchemikerin Andrea Büttner davon aus, dass die Fähigkeiten des Menschen in Sachen Geruch eher unterschätzt werden. „Die menschliche Nase ist ein leistungsstarkes analytisches Werkzeug, das unsere zwischenmenschlichen Beziehungen stark beeinflussen kann und im Umgang mit modernen Materialien und Prozessen zielgerichtet eingesetzt werden kann“.
Quelle: Poor human olfaction is a 19th-century myth | Science