#1 28. September 2007 Die Leitung ist besetzt oder der Kollege nicht an seinem Schreibtisch: Durch eine Fusion von Telefon und Internet können solche Situationen künftig vermieden werden. Die sogenannte IP-Telefonie erleichtert unter anderem auch Telefonkonferenzen. Die Technik ist nicht neu, doch sollen jetzt auch Mittelständler davon profitieren. DÜSSELDORF. „Hallo, ist da München? Wie sieht's aus in Berlin, jemand da?“ Telefonkonferenzen in Unternehmen beginnen meist mit Fragerunden wie dieser. Nicht immer schallt es anschließend aus der Telefonanlage heraus, wie es der Moderator zuvor hineingesprochen hat. Die Leitung ist besetzt oder der Kollege nicht an seinem Schreibtisch. Durch eine Fusion von Telefon und Internet können solche Situationen künftig vermieden werden. Die sogenannte IP-Telefonie erleichtert unter anderem auch Telefonkonferenzen: Ähnlich wie beim Internettelefondienst Skype macht eine Software die erreichbaren Kollegen auf dem PC-Bildschirm sichtbar. Per Mausklick können sie dann zur Konferenz eingeladen werden. Das Einwählen der Teilnehmer übernimmt der Computer. Die Technik ist nicht neu, sie wird aber bislang lediglich in großen Unternehmen für die interne Kommunikation angewendet. So nutzen einige Konzerne ihre firmeneigenen Computernetzwerke, um kostengünstige Telefonate zwischen ihren Büros auf der ganzen Welt zu ermöglichen. Wie die Inhalte von E-Mails, werden dabei die Telefongespräche digitalisiert und in Datenpaketen über die Netzwerke versendet. Von der Technik sollen jetzt auch Mittelständler profitieren – Telekomausrüster wie Siemens und Ericsson haben IP-Telefonanlagen speziell für kleinere Unternehmen entwickelt. Der schwedische Ausrüster von Telekommunikationstechnik Ericsson stellte jetzt seine Mittelstands-Lösung, den Enterprise Multimedia Server (EMS), in Düsseldorf vor. Mit dem Server verfolgt Ericsson das sogenannte „One-Number-Konzept“. Egal, ob Handy, Telefon oder PC – der Nutzer ist immer unter der gleichen Nummer erreichbar. „Wenn der Mitarbeiter nicht an sein Telefon am Schreibtisch geht, leitet das System das Gespräch auf das Handy oder den Anrufbeantworter auf dem Computer weiter“, sagte Ericsson-Entwicklungsmanager, Ralf Sürtenich, bei der Präsentation des EMS. Die Software-Oberfläche ist für alle Geräte gleich. Mit dem Computerprogramm kann der Nutzer sein Adressbuch verwalten, Nummern von Kollegen suchen, Telefonate umleiten und den Anrufbeantworter abhören. Zudem kann er mit wenigen Mausklicks einstellen, zu welchen Zeiten Telefongespräche auf das Handy geleitet werden sollen oder der Anrufbeantworter eingeschaltet wird. Die EMS-Anlage verwaltet zwischen 50 und 400 Anschlüsse und kostet in der Standard-Variante zwischen 20 000 und 30 000 Euro. Um die neue Technik voll nutzen zu können, müssen zudem Telefone angeschafft werden, die Internettelefonie beherrschen. Trotz der Investitionen werde sich der Kauf einer internetbasierten Telefonanlage bezahlt machen lohnen, verspricht Ericsson: „Die Kosten für die Betreuung der bisherigen Telefonanlage fallen weg. Die Anlage wird komplett in das Computernetz eingebunden und kann von den Mitarbeitern selbst oder der IT-Mannschaft betreut werden“, sagt Mehdi Schröder, Vice President Enterprice bei Ericsson Deutschland. Das schwedische Unternehmen vermarktet sein Produkt nicht selbst: Vertriebspartner sollen Mittelständler von dem neuen Server überzeugen. Da sich diese erst einarbeiten müssten, werde das Gerät erst Anfang kommenden Jahres auf den Markt kommen, so Schröder. Für die Entwicklung der IP-Telefonie hat Ericsson Unternehmen, wie Marconi, Axxessit und Netwise übernommen. Ende Oktober wird auch Siemens seine Kommunikationslösung für den Mittelstand vorstellen. Auf der Messe Systems, die vom 23. bis 26. Oktober in München stattfindet, präsentiert Siemens sein Produkt, das neben der IP-Telefonie auch Instant-Messaging-Funktionen bereitstellen wird. Nähere Einzelheiten will das Unternehmen aber erst auf der Messe bekannt geben. Nicht nur Ericsson und Siemens sehen in der IP-Telefonie die Zukunft der Bürokommunikation. „Alle Hersteller arbeiten an entsprechenden Systemen, Netzbetreiber bauen bereits ihre Telekommunikation um“, sagt Manfred Breul, Telekommunikationsexperte beim Branchenverband Bitkom. Jahrelang hätten die Unternehmen gewartet, bis sich ein technischer Standard herauskristallisiere, sagt Breul. Das sei nun geschehen: Die Industrie werde IP-Telefonie auf Basis des Session-Initiation-Protokolls (SIP) anbieten. Um die Bürokommunikation der Zukunft ist seitdem ein regelrechter Entwicklungs-Wettbewerb entbrannt. Und alle rennen mit: Telekomausrüster wie Alcatel-Lucent, Handy-Hersteller Motorola, aber auch IP-Spezialisten wie Avaya und Cisco Systems arbeiten an SIP-Produkten. Langfristig werden sowohl Geschäfts- als auch Privatkunden über SIP telefonieren, prognostiziert Breul. So stelle beispielsweise die Telekom bereits heute ihr Netz um. Bis es soweit ist, können Unternehmen die IP-Telefonie nur intern über die eigenen Computernetze nutzen. Anders als Großkonzerne besitzen mittelständische Unternehmen jedoch nur kleine Netze. Für sie lohne sich eine frühzeitige Umstellung trotzdem, meinen die Hersteller: Wenn die Netzbetreiber IP-Netze anbieten, sind die Unternehmen vorbereitet. „Bis dahin kann unsere Anlage ganz normal über die herkömmlichen Telekom-Leitungen genutzt werden“, sagt ein Ericsson-Sprecher. Quelle: handelsblatt.com + Multi-Zitat Zitieren