#1 12. Oktober 2007 Erfurts Stadtplan ist übersät mit roten Punkten. Und jeder rote Punkt steht für einen Stasi-Treffpunkt. Akribisch haben die Macher von "Stasi in Erfurt" in Google Maps alle konspirativen Wohnungen der Stasi aufgedeckt. Die heutigen Bewohner sind von der Aktion nicht begeistert. Für Millionen von Internet-Nutzern in aller Welt ist das Spiel mit Google Earth und Google Maps ein großer Spaß: Das Programm erschließt die Welt aus der Vogelperspektive, und mit Vorliebe suchen die Menschen die eigenen Häuser. Weder Spiel noch Spaß dürfte es für eine ganze Anzahl Erfurter Bürger sein, dass man ihnen nun mit einer ganz speziellen Suchmaske aufs Dach sieht: Als rote Klötzchen im Stadtplan von Erfurt markiert, garniert mit Fotos der Häuserfronten, versehen mit brisanten Zusatzinformationen. Denn da erfährt man, dass im Haus Nummer 39 in der Soundsostraße, die 3. Wohnung links von 1976 bis 1986 unter Codenamen wie "Biene", "Kombinat" oder "Radar" von der Stasi als konspirative Wohnung (KW) genutzt wurde. Die Webseite, die all diese Informationen sammelt, erläutert, was das heißt: Die sogenannten KWs wurden entweder vom DDR-Ministerium für Staatssicherheit (MfS) direkt angemietet, von Institutionen oder Behörden als Treffpunkte zur Verfügung gestellt oder aber von ganz besonders zuverlässigen Genossen. In solchen unauffälligen Räumen instruierten dann Stasi-Agenten ihre Informellen Mitarbeiter (IMs) und hörten sich deren Berichte an. Rund 60 Prozent der 483 ehemaligen Stasi-Objekte in Erfurt, erklärt Joachim Heinrich, Initiator der Webseite Stasi-in-Erfurt.de, wurden dem MfS von Privatleuten zugänglich gemacht. Wie viele Altmieter, die durch die öffentlich gemachten Datensätze nun also als Stasi-Kollaborateure geoutet sind, noch in den Wohnungen sitzen, weiß auch er nicht. Es könnten noch so einige sein. Das ist auch der Hauptgrund, warum sich Kritiker wie Schleswig-Holsteins Datenschutzbeauftragter Thilo Weichert über die Aktion nicht nur wundern. Weichert hält sie auch rechtlich für bedenklich: Zumindest in den Fällen, in denen sogar die Wohnungsnummern veröffentlicht werden, würden letztlich Persönlichkeitsrechte verletzt. Das Perfide daran, erklärte Weichert Reportern der "Thüringer Allgemeine" (TA), sei zudem, dass derjenige, der sich nun gegen den Stasi-Verdacht wehre, sich nun erst recht dem Stasi-Verdacht aussetze. Die Regionaljournalisten beobachten und begleiten die Debatte um die konspirativen Wohnungen seit Jahren mit gemischten Gefühlen. Denn natürlich sind die nun per Web veröffentlichten Informationen nicht wirklich neu. Webseiten-Betreiber Heinrich selbst gab bereits im letzten Jahr zusammen mit zwei Co-Herausgebern einen regelrechten Stadtführer "Geheime Treffpunkte des MfS in Erfurt" in Buchform heraus. Buch wie Webseite beruhen auf der akribischen Analyse des Stasi-Datenmaterials, das bereits Anfang der neunziger Jahre veröffentlicht wurde. Heinrich sieht auch die lokale Presse in Erfurt als potentielle Bremser beim Täter-Outing. Alte Daten, neue Wege Die Debatte über Sinn und Unsinn des Täter- und Mitläufer-Outings kocht seit nun eineinhalb Jahrzehnten immer wieder hoch: Als erste hatte am 18. Juni 1990 die "taz" eine Sonderbeilage mit über 9000 ehemaligen Stasi-Adressen auf dem Gebiet der ehemaligen DDR veröffentlicht. Doch auch, wenn viele Informationen also bereits in der Welt waren, verleiht Joachim Heinrichs Webseite ihnen eine völlig neue Dimension: Nie war es leichter, den Datenwust zu erschließen. Drei Klicks, und man weiß, was der Nachbar damals getan hat. "Ich halte das für den richtigen Weg", sagt Heinrich. Sechs Jahre hat er in das Buch, in die Webseite, in das Thema konspirative Wohnungen investiert. Parallel zur Stasi-Suchmaske im Web läuft seit letztem Monat in Erfurt ein Kunstprojekt, das er mit initiiert hat: Die Videoinstallationen "Conspiracy Dwellings" der Künstlerin Pam Skelton sind noch bis Mitte November in Erfurt zu sehen, danach in Bracknell. Sie visualisieren die einst geheimen Räume, die Ausstellung ist flankiert von Veranstaltungen rund um das Thema - und gefördert unter anderem durch die Kulturstiftung des Bundes. Auch Heinrichs Webseite erhielt eine kleine Förderung seitens des thüringischen Kultusministeriums. 2500 Euro, sagt Heinrich, seien geflossen und zum größten Teil in die Programmierung und "Georeferenzierung des Datenmaterials" investiert worden - die Zuordnung von Datensätzen auf Google Earth und Google Maps. Anzeige Nicht nur auf Erfurts Straßen fragt sich der eine oder andere verhalten, was das alles jetzt noch soll, 17 Jahre nach der Wiedervereinigung. Auch Datenschützer Weichert, einst juristischer Berater des Bürgerkomitees zur Auflösung der Staatssicherheit, kann nicht erkennen, "welches Informationsinteresse damit verfolgt wird". Ein großes, sagt Joachim Heinrich. Das Web-Projekt sei nur entstanden, weil es nach Veröffentlichung des Buches so viele Fragen von Menschen gegeben habe, wer da wo und was genau getan habe. Heinrich versteht das Interesse, denn er teilt es: Der Mathematiker ist quasi Spezialist aus persönlicher Betroffenheit. Als Initiator der so genannten Erfurter Umweltgruppe geriet er einst selbst in den "Verdacht auf Gründung einer oppositionellen Gruppierung" und so in den Fokus des berüchtigten Ministeriums für Staatssicherheit. Gewusst hätten sie das damals schon, sagt Heinrich. Immer wieder seien Leute von außen zu der Gruppe gestoßen, denen man misstraut, die man aber trotzdem ganz bewusst integriert habe. Dass die Telefone überwacht wurden, dass und was da an Informationen über ihn und die Gruppe zum MfS geflossen sei, das habe er dann erst nach der Wende erfahren. So etwas verletzt. Seitdem befasst sich Heinrich mit dem Thema. Auch über ihn, sagt er, seien damals Gerüchte über eine angebliche IM-Tätigkeit gestreut worden. "Für mich", so Heinrich, "war es ein Segen, dass es die Stasi-Akten gab" - denn ihn hätten sie entlastet. Heinrich nervt, dass in der Aufarbeitung der DDR-Vergangenheit zu viel über Strukturen geredet wird, über abstrakte Dinge, und zu wenig über die ganz konkreten Mechanismen des Apparates. Außerdem müsse man den ehemaligen Tätern etwas entgegensetzen, denn die seien ja durchaus noch heute aktiv: "Derzeit", erklärt Heinrich, "versuchen ehemalige Mitarbeiter des MfS zunehmend, ihre Rolle im Unterdrückungsapparat zu beschönigen und zu verharmlosen." Stimmen für die Opfer Anzeige Heinrich bemängelt, dass den Opfern und ihren Geschichten letztlich weniger Aufmerksamkeit geschenkt wird als den Tätern. Er kritisiert, dass den helfenden Mitläufern Anonymität gewährt wurde. Gerade die seien in der Aufarbeitung der Geschichte stärker geschützt worden als die Opfer. Es gehe ihm nicht um lokale Retourkutschen oder darum, das Erfurter Nest zu beschmutzen: Erfurt stehe nur stellvertretend für "jede andere Großstadt der DDR". Im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE gibt Heinrich der Hoffnung Ausdruck, dass solche Stasi-Verzeichnisse auch für andere Orte entstehen. Heinrich weiß, dass man seinen Aktionen vorwirft, sie könnten als Hilfsmittel zur IM-Hatz genutzt werden. Doch die, sagt Heinrich, finde ja gar nicht statt: Übergriffe auf Ex-Stasi-Leute seien viel weniger häufig, als von Interessensgruppen ehemaliger Stasi-Aktiver auf Opfer und Menschen, die sich um Aufklärung der Vergangenheit bemühten. Und die sei nicht abgeschlossen, im Gegenteil. Wie schon einmal in der jüngeren deutschen Geschichte hätte es die damals erwachsene Generation versäumt, nach dem Kollaps des Systems mit den eigenen Kindern über die Dinge zu reden. Mehr Verdrängung als Aufarbeitung sei da passiert. Doch auch, wenn "17 Jahre schon eine lange Zeit für ein Heilungsgeschehen" bedeuteten, gäbe es sie noch, die Wunden, die Lücken in den Biografien - auf Seiten der Täter wie der Opfer. Seine eigene Tochter habe beklagt, dass in der Familie "nie darüber gesprochen" wurde. So sieht Heinrich Aktionen wie Stasi-in-Erfurt auch als Mittel, einer Generation, die die Dinge nicht mehr selbst oder damals noch nicht wirklich bewusst erlebt hat, die Untiefen ihrer eigenen Geschichte zu vermitteln. Der Blick auf die Orte offenbare das Ausmaß der Strukturen und lenke zugleich die Aufmerksamkeit auf die konkreten Fälle. Seine Kritiker verweist Heinrich auf historische Orte, die verweisen ihn auf die Menschen darin - Schuldige wie Unschuldige. Genau das macht die Aktion angreifbar. Ob Heinrich wirklich darf, was er da tut, ist umstritten. Die Veröffentlichung personenbezogener Daten, wie sie auch auf Heinrichs Webseite in Form von Namenslisten geschieht, scheint bedenklich. Doch weder Heinrich selbst, noch Thüringens Landesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Hildigund Neubert, sehen hier Probleme: Das Stasi-Unterlagengesetz gäbe das her. Beim Thüringer Landesverwaltungsamt, zuständig für den Datenschutz, ist man der Meinung, dass der, der sich durch Stasi-in-Erfurt gestört fühle, eben klagen müsse, berichtet die "Thüringer Allgemeine". Doch dazu müssten die Betroffenen zunächst einmal wissen, wo sie überhaupt klagen könnten - in Thüringen jedenfalls nicht. Weil die Maske mit den in Google Earth eingepflegten Daten auf einem Server in Bayern liegt, dürfte die Zuständigkeit wohl dort zu suchen sein. Fazit der "Thüringer Allgemeine": "Endgültige Klarheit in diesem Streit könnte nur ein Richter bringen." Grezz Ramset Quelle: http://portal.gmx.net/de/themen/digitale-welt/internet/web-trends/4771158-Die-geheimen-Treffpunkte-der-Stasi-bei-Google-Maps,page=3.html + Multi-Zitat Zitieren
#2 13. Oktober 2007 AW: Die geheimen Treffpunkte der Stasi bei Google Maps Hmm, ich finde es auch nicht gut... Wenn man im Jahr 2007 sogar schon mit legalen und öffentlichen Webapplikationen und Programmen (Google-Earth, maps.google, ...) so weit an eine bestimmte Adressen heranzoomen kann, dass man das Haus klar sieht und evtl noch das davorstehende Auto etc, dann ist mir dabei nicht gerade wohl. Irgendwann sollte das seine Grenzen haben, sonst kann man morgen per Google-Earth sehen, was Herr XY in seinem Garten auf der Liege gerade liest. Und das sind ja "nur" die öffentlichen Programme. Ich denke, die Bundesbehörden sind da schon einen gewaltigen Schritt weiter mit der Satelitten-Überwachung. Weiterhin finde ich es auch nicht gut, dass nun jeder Internetuser über obiges Addon in Erfurt die Häuser "der Stasi" anschauen kann (ich sage an dieser Stelle nichts zu den Ex-Stasi-Mitgliedern und -Häusern). Das verletzt imho schon die Privatsphäre der heute dort lebenden Menschen. Jetzt kann ja Jeder sich die Adresse raussuchen und meinetwegen einen Rachefeldzug starten ... lg Sn0wm4n + Multi-Zitat Zitieren
#3 14. Oktober 2007 AW: Die geheimen Treffpunkte der Stasi bei Google Maps Da sis ja echt assi , vor allem weil die Menschen die da heute wohnen nix dafür können , es haißt ja nicht automatisch das sie bei der Stasi waren ,auf der nderen seite frag ich mich was das bringen soll , e wird wohl kaum jemdnaden interessieren wo die gewohnt haben , ehrer das sie überhaupt existiert haben + Multi-Zitat Zitieren