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Crailsheim in den Playoffs, der Endrunde um die deutsche Basketballmeisterschaft, wer hätte das gedacht? Vermutlich wäre man für völlig verrückt erklärt worden, wenn man vor Saisonbeginn behauptet hätte, dass diese graue Maus in diese Endrunde einzieht.
Graue Maus ist genau das Stichwort, worauf wir in diesem Artikel eingehen möchten. Die Crailsheim Merlins sind kein unbekanntes Team im deutschen professionellen Basketball. Bereits seit vielen Jahren spielen sie in der Basketball Bundesliga bzw. der ProA also der zweiten Basketball Bundesliga. Jedoch schaffte es das Team nie, sich lange in der höchsten Spielklasse Deutschlands zu etablieren. Meist ging es bereits nach zwei Jahren wieder eine Liga runter. Die Merlins sind jedoch ein Team, das oftmals lediglich belächelt wird, da es nicht aus einer großen Metropole wie Berlin, München, Frankfurt oder Hamburg kommt. Dies möchten wir ändern, indem wir unseren Lesern diese Überraschungsmannschaft genauer vorstellen.
Crailsheim, wo liegt das eigentlich?
Wenn Sie noch nie etwas von Crailsheim gehört haben, dann ist das nicht unbedingt ein Grund, für den man sich schämen muss. Die Stadt liegt im äußersten Nordosten von Baden-Württemberg. Es sind lediglich einige Fahrminuten zur Landesgrenze und zum benachbarten Bundesland Bayern. Damit gehört Crailsheim geografisch zwar nach Baden-Württemberg, kulturell jedoch nach Franken. Man bezeichnet sich hier selbst sogar als Hohenlohefranken. Crailsheim ist nach der Hauptstadt des gleichnamigen Landkreises Schwäbisch Hall die zweitgrößte Stadt und zählt ca. 35.000 Einwohner. Sie wird als Große Kreisstadt geführt, hat mit 74564 und 74597 zwei Postleitzahlen und mit SHA, BK und CR drei Kfz-Kennzeichen. Die Entfernung bis nach Schwäbisch Hall beträgt ca. 32 km und bis zur zweiten nächstgrößeren Stadt nach Ansbach in Bayern sind es auch nur ca. 40 km.
Crailsheim war lange Jahre Garnisonsstadt und beherbergte während des Kalten Krieges US-Truppen. Dadurch entstand eine tiefe deutsch-amerikanische Freundschaft, die nicht nur den Grundstein des Basketballerfolgs der schwäbischen Region legte, sondern auch zur ersten deutsch-amerikanischen Städtepartnerschaft überhaupt führte. Die Partnerschaft zwischen Crailsheim und Worthington, Minnesota, wurde bereits 1947 eingegangen! In der Stadt siedelten sich zahlreiche Betriebe an, vor allen Dingen der Maschinenbau ist hier beheimatet. Sondermaschinenbauer, Verpackungsmaschinenhersteller sowie Schwermaschinenkonstrukteure nutzen die unmittelbare Nähe zur BAB 6. Gemeinsam mit einigen Lebensmittelbetrieben befinden sich insgesamt ca. 20.000 Arbeitsplätze vor Ort. Im ländlichen Umland sind hingegen vor allem landwirtschaftliche Betriebe aktiv. Die zahlreichen Einkaufsmöglichkeiten werden von ca. 100.000 Menschen genutzt. Der Namenssponsor Hakro ist jedoch nicht direkt in der Stadt, sondern im nahe gelegenen Schrozberg zu Hause.
Hier spielen die Crailsheimer
Die Merlins hatten eigentlich von Anfang an ein großes Problem, weder in Crailsheim noch in der unmittelbaren Umgebung gab es eine Halle, welche den Basketballern zur Verfügung stand. Während das Team von einer vorübergehenden Spielstätte zur nächsten weiterziehen musste, wurde gleichzeitig fieberhaft an einer dauerhaften Lösung gearbeitet. Erst mit dem Abzug der amerikanischen Streitkräfte im Jahre 1995 tat sich die Chance auf, eine Halle für das Basketballteam zu beziehen. Man mietete vom Bundesvermögensamt die Halle, welche sich in der ehemaligen US-Kaserne befand. Viele Menschen in Crailsheim verweisen noch heute auf diese Miete als den eigentlichen Grundstein des heutigen Erfolgs.
Tatsächlich gelang in den Jahren nach dem Umzug in die ehemaligen US-Liegenschaften der Aufstieg in die 2. Basketballbundesliga. Damit begannen jedoch die Probleme von vorn, denn um die Auflagen erfüllen zu können, musste man wiederum eine neue Heimspielstätte finden. Not macht bekanntlich erfinderisch und die Schwaben legten kurzerhand selbst Hand an, indem sie eine leere Markthalle in eine Basketballarena umbauten. Es war jedoch abermals der sportliche Erfolg, welcher den Schwaben zum Verhängnis wurde. Mit dem Aufstieg in die Bundesliga musste erneut eine Halle gefunden werden, welche den nun noch höheren Auflagen entsprach. Diese wurde mit der Arena Hohenlohe im wenige Kilometer von Crailsheim gelegenen Ilshofen gefunden, wo die Merlins auch heute noch ihre Heimspiele austragen. Die Arena bietet 2.000 Zuschauern Platz. Für eine außergewöhnliche Stimmung sorgt zudem, dass die Sitzplätze rund um und direkt am Spielfeldrand platziert wurden.
Die Geschichte der Merlins
Das Basketballteam wurde am 31. Januar 1986 gegründet und war bis 1994 lediglich in den unteren Basketballligen Deutschlands vertreten. Als es schließlich im Jahre 2001 erstmalig gelang, in die zweite Basketball Bundesliga aufzusteigen, konnte man sich fortan im professionellen Basketball etablieren. Seit 2001 spielten die Merlins nämlich durchgehend in einer der höchsten Basketballspielklassen Deutschlands. In der Saison 2013/14 wurde zum ersten Mal der Aufstieg in die BBL erreicht.
Seitdem kann man die Geschichte des Teams nur mit einem Auf und Ab beschreiben. Eigentlich wären sie bereits nach ihrer ersten Saison in der BBL als Tabellenletzter direkt wieder abgestiegen, wenn sich die Artland Dragons nicht aus der BBL zurückgezogen und die Merlins dadurch eine Wild Card erhalten hätten. Im Jahr darauf wurde man abermals Tabellenletzter und diesmal ging es in die ProA zurück. Zwei Jahre später gelang der Aufstieg zurück ins Oberhaus, wo man die Klasse halten und sich im Jahr darauf sogar im Tabellenmittelfeld platzieren konnte.
Die Saison 2020/21 und der Weg zu den Playoffs
Seit März 2016 hat der Finne Tuomas Lisalo das Sagen in Schwaben. Der Head Coach hat den Verein in einer äußerst schwierigen Situation übernommen und es sollte sich für die Merlins auszahlen, dass sie trotz des Abstiegs 2016 an ihrem Trainer festhielten. Er war es beispielsweise, der den kanadischen Spieler Trae Bell-Hynes 2020 aus seiner finnischen Heimat loseisen und zu einem Wechsel nach Crailsheim überzeugen konnte. Der Erfolg gibt Lisalo recht, bereits die Saison 2020 wurde auf einem beachtlichen 10. Platz abgeschlossen, für eine Mannschaft mit dem kleinsten Etat der Liga ein wahnsinniger Erfolg. Mit dem Sieg gegen die Telekom Baskets Bonn am 07. April konnten sich die Hohenloher ein Playoff Ticket sichern und gleichzeitig den größten Erfolg der Vereinsgeschichte feiern.