Ein Screenshot einer Computersimulation zeigt die Auswirkungen eines anderen Sterns, der an unserem Sonnensystem vorbeizieht
Die Chaotische Peripherie unseres Sonnensystems
Die äußeren Bereiche unseres Sonnensystems sind ein Ort voller Ungewissheiten. Jenseits von Neptun, dem äußersten bekannten Planeten, herrscht ein wildes Durcheinander. Die TNOs, zu denen auch Zwergplaneten wie Pluto und Sedna zählen, bevölkern diesen Bereich. Hunderttausende kleinerer Gesteins- und Eisbrocken, wie Arrokoth, setzen dem Chaos noch eins drauf. Ihre Bahnen sind oft unberechenbar und merkwürdig.
Bizarre Orbitalverhalten und die Theorie eines neunten Planeten
Wissenschaftler standen vor einem Rätsel. Einige dieser TNOs zeigen extrem exzentrische oder sogar retrograde Bahnen – sie bewegen sich also entgegen der meisten anderen Objekte in unserem System. Um diese seltsamen Gegebenheiten zu erklären, wurde die Hypothese eines neunten Planeten aufgestellt. Ein massereicher Planet, möglicherweise die Größe des Mars, könnte für diese Abweichungen verantwortlich sein. Trotz intensiver Suche – genauere Beweise blieben bislang aus.
Ein neuer Ansatz: Begegnung mit einem fremden Stern
Eine Gruppe niederländischer Astronomen hat nun eine alternative Erklärung präsentiert – eine Passage eines anderen Sterns. Sie simulierten über 3,000 Szenarien, in denen Sterne unterschiedlicher Massen durch Planetesimalkonstellationen fliegen, um die direkten Effekte im Sonnensystem zu erkennen. Das Resultat war verblüffend. In ihren Simulationen stießen sie auf ein Szenario, das die heutigen Gegebenheiten besonders gut nachahmte.
Amith Govind, einer der Mitautoren der Studie, sagte: "Bestes Ergebnis unserer Simulationen war ein Stern mit etwa 0.8 Sonnenmassen, der in einer Entfernung von rund 16.5 Milliarden km an unserer Sonne vorbeizog." Diese Distanz ist zwar als hoch zu bewerten, doch in der kosmischen Perspektive ist es ein Wimpernschlag.
Die Folgen eines interstellarer Begegnung
Eine solche Begegnung hinterlässt immer Spuren. Der hypothetische Stern könnte nicht nur die odden Orbitale von TNOs erzeugt haben – viele andere Objekte könnten aus dem Sonnensystem geschleudert worden sein. Darüber hinaus könnten einige in die Nähe der großen Planeten wie Jupiter oder Saturn gelangt sein und eventuell als Monde eingefangen werden.
Simon Portegies Zwart, Mitautor der Studie, ergänzt: "Einige dieser Objekte wurden möglicherweise von den großen Planeten als Monde gefangen. Das erklärt, warum die äußeren Planeten verschiedene Typen von Monden besitzen." Irreführend umschreibt es tatsächlich einen faszinierenden Aspekt der Planetenbildung.
Künftige Beobachtungen mit dem Vera C. Rubin Observatory
Die Antwort auf diese aufregenden Theorien könnte in naher Zukunft durch das Vera C. Rubin Observatory geliefert werden. Dieses Teleskop ist darauf ausgelegt, transiente Objekte zu erfassen und wird voraussichtlich zehntausende neuer kleiner Himmelskörper im äußeren Sonnensystem entdecken. Sollten viele dieser neu entdeckten Objekte ebenfalls exzentrische oder retrograde Orbits aufweisen, könnte das die Hypothese einer Stern-Passage untermauern.
Ein Blick auf die Wissenschaft hinter der Entdeckung
Die Forschung zu diesem Thema wurde in zwei angesehenen Publikationen veröffentlicht – eine in Nature Astronomy und die andere im Astrophysical Journal Letters. Diese Studien eröffnen neue Perspektiven und bieten Antworten auf lange bestehende Fragen über unser Sonnensystem. Solch komplexe Simulationen sind entscheidend, um unsere wissenschaftliche Vorstellung von der Entstehung und Entwicklung des Sonnensystems zu erweitern.
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Quellen:
- Pfalzner, S., Govind, A. & Portegies Zwart, S. Trajectory of the stellar flyby that shaped the outer Solar System. Nat Astron (2024). https://doi.org/10.1038/s41550-024-02349-x
- Bild und Quelle: fz-juelich.de/en/news/archive/press-release/2024/solution-to-a-cosmic-mystery