#1 26. September 2007 Industrie startet Online-Portal gegen Markenpiraterie Die deutsche Wirtschaft macht mit der branchenübergreifenden Informationsplattform "Original ist genial" gegen Produkt- und Markenpiraterie mobil. Das Online-Portal, das auf Zielgruppen wie Verbraucher, Hersteller, Händler oder Journalisten zugeschnitten ist, soll Beispiele über einschlägige Fälle, Verweise auf Behörden sowie Anlaufstellen für Betroffene, Gesetzessammlungen und andere Initiativen geben. Dazu kommt ein Dokumentenservice mit Tipps für Literatur und Studien. Die Webseite habe "die Aufgabe zu informieren über Produktpiraterie, was man dagegen tun kann als Unternehmen und um was man Sorge tragen muss als Verbraucher", erklärte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) bei der Vorstellung der von ihr befürworteten Initiative am heutigen Dienstag in Berlin. Immer mehr gefälschte Artikel hätten sich als gesundheitsgefährlich herausgestellt. "Da sollten alle Verbraucher aufhorchen." Manfred Gentz, Präsident der deutschen Abteilung der Internationalen Handelskammer (ICC), bezeichnete Produktpiraterie als Verbrechen des 21. Jahrhunderts. Seine Organisation, die die Netzplattform gemeinsam mit dem Markenverband, dem Bundesverband der deutschen Industrie (BDI) und dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) verantwortet, rechne mit 600 Milliarden US-Dollar Schaden in diesem Jahr. Die Schätzungen der OECD liegen bei 200 Milliarden US-Dollar, wobei laut Zypries aber illegale Kopien geschützter Software oder Musiktitel noch nicht eingerechnet sind. Die Ministerin räumte ein, dass bei den hohen Zahlen nicht berücksichtigt werde, dass die Käufer von Plagiaten bei einem teureren Original gar nicht zugelangt hätten. Für die Sozialdemokratin ist aber klar, dass "wir uns auch mit 'Geiz ist geil'-Mentalität" bei Händlern und Verbrauchern "auseinandersetzen müssen". Folgen hat der Kauf von Imitaten laut Gentz nicht nur für die direkt betroffenen Markenartikler, deren Forschungsbemühungen konterkariert würden. Vielmehr "entgehen dem Staat Steuereinnahmen, werden Arbeitsplätze gefährdet und Sozialversicherungssysteme belastet". Zudem wittert der ICC-Vertreter "weit reichende Geldwäscheaktivitäten" und andere kriminelle Machenschaften im großen Stil hinter den international vernetzten Fälscherbanden. Seine Institution habe im Rahmen der 2004 gestarteten Initiative "Business Action to Stop Counterfeiting and Piracy" (BASCAP) 53 "Problemländer" ausgemacht, in denen es an der Durchsetzung bestehender Rechtsgrundlagen zum Schutz geistigen Eigentums mangele. An erster Stelle stünde dabei China, gefolgt von Russland, Indien, Brasilien und Indonesien. Aber auch in der EU gebe es "auf diesem Sektor aktive Länder". Voll des Lobs waren die Industrievertreter für den Kurs der Bundesregierung beim Schutz von Immaterialgüterrechten. "Die Rechteinhaber können sich mehr denn je darauf verlassen, dass sie von der Politik nicht allein gelassen werden", freute sich etwa Franz-Peter Falke, Präsident des Markenverbandes, beispielsweise über den gerade im Bundestag beratenen umstrittenen Entwurf für das so genanntes Durchsetzungsgesetz. Damit sollen vor allem die zivilrechtlichen Auskunftsansprüche etwa gegen Spediteure bei gefälschten Transporten noch einmal gestärkt werden. Laut Falke ist aber auch das Gefühl in der Bevölkerung gewachsen, "dass die konsequente Bekämpfung dieser Hydra nicht allein zum Nutzen der Rechteinhaber geführt wird". Er sprach von der "Gemeinschaftsaufgabe, Waffengleichheit im Kampf gegen die kriminellen Geschäftemacher herzustellen". "Ermutigend" empfindet der Markenverfechter in diesem Zusammenhang die Ergebnisse einer repräsentativen Verbraucherbefragung von tns emnid. 67 Prozent der Teilnehmer wüssten demnach, "dass gefälschte Textilien gefährlich sein können". 51 hätten bereits ein Bewusstsein für vermeintliche Schnäppchen entwickelt. Lediglich acht Prozent wollen bei einem konkretem Verdacht auf eine Produktfälschung aber vom Kauf Abstand nehmen. Trotzdem sieht Falke in den Zahlen ein "Mandat der Verbraucher für die konsequente Bekämpfung der Markenpiraterie und Look-alikes". Axel Nitschke brach als stellvertretender Hauptgeschäftsführer des DIHK die Zahlen auf den deutschen Markt herunter. Hier hätten die Behörden gefälschte Waren im Wert von 1,1 Milliarden Euro in 2006 beschlagnahmt, was einer Verfünffachung zu 2005 entspreche. "Wir rechnen mit Schäden von 20 bis 30 Milliarden Euro für die deutsche Wirtschaft". Es gehe um 70.000 Arbeitsplätze, die allein hierzulande "durch Schattenwirtschaft dieser Art verloren gegangen sind". Der Verbraucher lasse gerade im Internet, wo gefälschte Artikel weiterhin "problemlos angeboten werden", oft noch das gewünschte Misstrauen gegenüber Plagiaten vermissen. Ein Großteil der in China tätigen Unternehmen könnte sich aber selbst noch besser. So hätten nur 30 Prozent davon auch vor Ort gewerbliche Schutzrechte angemeldet. Das Patentrecht und weitergehende internationale Harmonisierungen der gewerblichen Schutzrechte bezeichnete Klaus Bräunig, Sprecher der BDI-Geschäftsführung, als "elementar". Er hoffe daher, dass die Reformbemühungen gerade in Europa mit den Einlenken Frankreichs rasch vorankommen. Aber auch im Rahmen der G8-Industriestaaten, wo die Wirtschaft bereits Präventivstrategien gegen Markenpiraterie entworfen habe, müsse weiter an der Vereinheitlichung des Immaterialgüterrechts gearbeitet werden. Zypries verwies auf Sonderkooperationen mit dem chinesischen Patentamt, in deren Rahmen seit Jahren ein entsprechendes Patentrechtssystem in China aufgebaut werde. Darüber hinaus sah sie auch das Finanzministerium und den ihm unterstehenden Zoll besonders gefordert. Die SPD-Politikerin begrüßte dabei ein schärferes Vorgehen auf Messen, wo Plagiate nun schon im Vorfeld beschlagnahmt würden. Selbst Fotoverbote auf Branchenschauen bezeichnete sie als "effiziente" präventive Maßnahme. (Stefan Krempl) / (jk/c't) Quelle: Heise Online + Multi-Zitat Zitieren