Interview: Die Geheimnisse der klugen Krieger

Dieses Thema im Forum "Netzwelt" wurde erstellt von zwa3hnn, 3. Juni 2008 .

  1. 3. Juni 2008
    Golem.de im Gespräch mit Andreas Gerber, Chef des KI-Spezialisten Xaitment
    Einfach nur ausweichen reicht nicht mehr! Computergegner und andere Figuren in modernen Spielen sind längst ein wichtiges Element bei der Erschaffung glaubwürdiger virtueller Welten. Golem.de sprach mit Andreas Gerber, dem Chef der deutschen KI-Schmiede Xaitment, über die technische Seite der künstlichen Intelligenz in Spielen.


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    Dr. Andreas Gerber, CEO und Managing Director von xaitment.​

    Andreas Gerber ist Gründer und Chef der Xaitment GmbH. Sein Unternehmen stellt die aus mehreren Modulen bestehende Middleware Xait-Engine her, mit der Entwickler aus aller Welt - beispielsweise Factor 5 - den Figuren in ihren Spielen künstliche Intelligenz geben.

    Golem.de: Spielen Sie selbst und wenn ja, was?

    Andreas Gerber: Computer- und Videogames sind meine Passion. Ich schaue mir regelmäßig die wichtigsten Spiele aller Genres an. Insbesondere Action-Highlights wie Assassin's Creed oder Motor Storm begeistern mich immer wieder aufs Neue, aber auch Klassiker wie Counter-Strike oder Quake. In meiner Jugend und Studentenzeit habe ich sehr viel gespielt. Als Firmengründer und Geschäftsführer ist die Zeit knapp geworden. Entsprechend hat sich mein Spielverhalten in den letzten Jahren vom Core- zum Casual-Gamer gewandelt.

    Golem.de: Wenn Sie ein beliebiges neues Computerspiel starten: Worauf achten Sie, um herauszufinden, wie gut die KI-Routinen sind?

    Gerber: Zuerst teste ich, wie dynamisch und flexibel die virtuellen Welten tatsächlich sind. Wie stark kann ich mit den Bots interagieren und wie reagieren sie auf mich? Spielt man eine Sequenz mehrmals, lässt sich meist sehr schnell erkennen, welche KI-Verfahren eingesetzt werden und wie leistungsstark diese sind. Passt etwa ein Bot sein Verhalten dynamisch den Einflüssen seiner Umwelt an, so greift er auf Wissen zurück, das er selbst erhalten hat. Er ist nicht allwissend und reagiert individuell sowie situationsabhängig auf Aktionen - Indizien für eine komplexe und gute KI. Letztlich entscheidet aber nicht nur die eingesetzte Technik, ob eine KI fordernd ist oder nicht. Auch das Spieldesign hat maßgeblichen Einfluss auf die künstliche Intelligenz.

    Golem.de: Gibt es derzeit eine besondere Herausforderung in Sachen KI?

    Gerber: Die sogenannte Low-Level KI, darunter fallen Wegfindung und reaktives Verhalten, ist elementar für die Funktionsfähigkeit einer cleveren künstlichen Intelligenz. In diesem Bereich wurde im Laufe der letzten Jahre bereits viel Erfahrung gesammelt. Auch wir haben hierzu intensiven Aufwand betrieben und bieten mittlerweile sehr effiziente Lösungen an. Weitestgehend unerschlossen ist hingegen die High-Level KI - also Verfahren, die es dem Bot ermöglichen, autonom, flexibel und interaktiv zu handeln sowie Emotionen zu simulieren. Autonome, sich logisch und natürlich verhaltende NPCs etwa.

    Golem.de: Was ist die größte Standardherausforderung, mit der Sie sich immer wieder herumschlagen müssen?

    Gerber: Standardherausforderungen bei Computerspielen gibt es in diesem Sinne nicht. Die Ideen unserer Partner sind äußerst ambitioniert und hochgradig kreativ, so dass kein Projekt dem anderen gleicht. Sie alle bedürfen individueller Anpassungen und immer neuer Lösungsmethoden. Allenfalls die grundlegendsten Schritte bei der Integration der KI ähneln sich in gewisser Weise. So müssen sich Bots sinnvoll bewegen. Eine effiziente Pfadsuche, eine natürliche Art der Bewegung und sogenannte hierarchische probabilistische Finite State Machines sind in fast allen Spielen erforderlich. Letztere beschreiben bestimmte Zustände der KI sowie deren Übergänge.

    Ein Beispiel: Der Zustand eines NPCs ist "hungrig". Bekommt er etwas zu essen, wechselt er zum Zustand "zufrieden". Erhält er hingegen keine Nahrung, so nimmt er den Zustand "traurig" ein. Meist sind diese in einer bestimmten Hierarchie angeordneten Zustände und Übergänge sehr viel komplexer als das dargelegte Beispiel. Zudem sind sie bestimmten Wahrscheinlichkeiten zugeordnet, um zu vermeiden, dass der NPC stets identisch agiert.

    Golem.de: Auf welche Elemente Ihrer KI-Engine sind Sie besonders stolz?

    Gerber: Low-Level KI ist sozusagen die Pflicht, High-Level KI die Kür. Wenn Bots planen und logische Schlussfolgerungen ziehen - also selbstständig "denken" -, ist das immer ein bewegender Moment. Nur dann hat der Spieler das Gefühl, sich in einer lebendigen, atmosphärischen Welt zu befinden. Xait-Control und Xait-Think sind zwei Module unserer Engine, auf die wir besonders stolz sind. Sie ermöglichen dem Entwickler ohne Detailwissen der Algorithmen, High-Level KI in sein Spiel zu integrieren und den Spieler so mit logischen und immer neuen Vorgehensweisen zu konfrontieren.

    Golem.de: Was halten Sie von dezidierter KI-Hardware - sinnvoll oder nicht?

    Gerber: Auch wir haben schon intensiv nach Lösungen geforscht, Verfahren teilweise auf eine Grafikkarte oder gegebenenfalls auf einen eigenen KI-Chip zu portieren. Technisch ist dies ohne Weiteres möglich. Allerdings steht der Aufwand in keinem Verhältnis zum Ergebnis. Die CPU-Entwicklung schreitet schneller voran, als eine KI-Chip-Entwicklung dies je könnte. Überhaupt würden sich KI-Chip und Prozessor kaum unterscheiden. Durch Auslagerung von Physik und Grafik und nicht zuletzt durch Multicore-Technologie steht im PC-Bereich schon jetzt mehr als genug Rechenleistung zur Verfügung. Im Gegensatz zu Grafikroutinen, die immer stärker standardisiert werden, ergeben sich bei der KI-Entwicklung zudem eine Fülle unterschiedlicher Verfahren und Algorithmen, die auch in Kombination funktionieren müssen.

    Golem.de: Gibt es eigentlich einen Unterschied zwischen KI-Entwicklung für Konsole und PC?

    Gerber: Ja, den gibt es definitiv. Da die Xait-Engine sowohl PC als auch PS3, Xbox 360 und Wii unterstützt, können wir hier aus eigenen Erfahrungen sprechen. Jede Plattform erfordert eine sehr unterschiedliche Herangehensweise. Die Hardwarekomponenten der Systeme sind teils völlig unterschiedlich. Die KI-Algorithmen selbst können in der Regel auf allen Plattformen eingesetzt werden. Jedoch ist mitunter ein erheblicher Optimierungsbedarf notwendig, um die Effizienz zu erhöhen und die plattformspezifischen Vorteile auszunutzen.

    Golem.de: Welche Arten von KI gibt es eigentlich?

    Gerber: Das ist eine schwierige Frage, die pauschal kaum zu beantworten ist. Grundlegend kann die Thematik sowohl aus technischer als auch aus philosophischer Sicht - "Können Computer denken?" - betrachtet werden. So schwierig die Frage nach den grundlegenden Arten der KI ist, so vergleichsweise einfach lassen sich aktuelle Trends ableiten. Durch unsere enge Zusammenarbeit mit dem Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) und Top-Unis kristallisiert sich zunehmend ein wichtiges Thema heraus: die Simulation glaubwürdiger, menschenähnlicher Charaktere in virtuellen Welten. Die Technik ist mittlerweile so weit, dass einzelne KI-Systeme wie die Xait-Engine den sogenannten Turing-Test bestehen. Dadurch kann ein Mensch bei einzelnen Aspekten nicht mehr unterscheiden, ob er mit einem Computersystem interagiert oder mit einem Menschen.

    Golem.de: Spekulieren Sie mal: Wie lange dauert es noch, um einen glaubwürdigen virtuellen KI-Menschen zu erschaffen, mit dem ich per Sprachausgabe plaudern kann - und nicht merke, dass er künstlich ist?

    Gerber: Vor kurzem habe ich mich mit Professor Uszkoreit vom DFKI darüber unterhalten. Die grundlegende Technologie ist bereits vorhanden. An deren Weiterentwicklung wird derzeit intensiv geforscht. Deshalb gehe ich davon aus, dass glaubwürdige virtuelle KI-Menschen auch in Spielen innerhalb der nächsten fünf Jahre Wirklichkeit werden.


    quelle: Golem.de
     
  2. Video Script

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