IT-Tycoon Gates: Die drei Leben des Turnschuh-Nerds

Dieses Thema im Forum "Netzwelt" wurde erstellt von zwa3hnn, 25. Juni 2008 .

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  1. 30. Juni 2008
    Zuletzt von einem Moderator bearbeitet: 14. April 2017
    Bill-Gates-Abschied: Der große Wohltäter

    und der dritte Teil der Spiegel Serie:
    Bill-Gates-Abschied: Der große Wohltäter
    Er war ein jugendliches Idol der IT-Welt, gefürchteter Industrie-Tycoon und wird nun zum Elder Statesman - Bill Gates hat bemerkenswerte Wandlungen durchlaufen. Mit seiner dritten Reinkarnation könnte er es in die Geschichtsbücher schaffen: als Wohltäter und Mäzen.


    Für Microsoft markiert der heutige Freitag eine Zäsur in der Firmengeschichte. Bill Gates, der Gründer und langjährige Chef des Unternehmens, zieht sich aus dem Tagesgeschäft zurück. Ein Abschied sei das aber nicht, versichert der Konzern, denn nach wie vor führe er den Aufsichtsrat und werde repräsentative Pflichten wahrnehmen.

    Bemerkenswert ist, wie aufgeregt Microsoft versuchte, jede Aufregung über diesen Vorgang zu vermeiden. Gates' Abschied wurde schon vor zwei Jahren angekündigt, um jede Erschütterung zu vermeiden. Seine Aufgaben verteilte Gates schon ab 2000 auf vier Top-Manager des Konzerns. Jetzt werde alles weitergehen wie bisher, wenn nicht sogar noch besser, erfolgreicher, strahlender als je zuvor: So klingt das zumindest in einem firmenintern verbreiteten Memo mit vorbereiteten Antworten auf Fragen, die von Seiten der Presse kommen könnten.

    Alles wird gut, business as usual. Noch nicht einmal eine große "Gates geht"-Party werde es geben, Gates habe sich in den vergangenen Monaten schon in angemessener Weise von seinen Mitarbeitern verabschiedet. Die angestrengte Unaufgeregtheit steht in krassem Gegensatz zur öffentlichen Wahrnehmung: Kein Medium in der Welt, das heute nicht über Gates' Abschied berichtet.

    Und das alles nur wegen des Abgangs des Chefs einer Softwarefirma?

    Aber natürlich. An kaum einer prominenten Figur der IT-Industrien scheiden sich die Geister so sehr wie an Bill Gates. Ein Blick in die Forendiskussionen, die diese kurze Bio-Serie in den vergangenen Tagen begleiteten, zeigt, wie tief bei vielen die Antipathien gegen Microsoft tatsächlich gehen, wie hoch manchem der Blutdruck steigt, wenn er den Namen Gates auch nur liest.

    Die dunkle Seite

    Natürlich gibt es Ursachen dafür. Prägend waren für viele die PC-Erfahrungen der Achtziger und Neunziger, als uns unzuverlässige, unbequeme und instabile Software regelmäßig unsere Arbeits- und Lebenszeit stahl. Dass zugleich andere Firmen angeblich bessere Systeme anboten, die sich am Markt aber nicht durchsetzen konnten, führen die Fans solcher Produkte nicht auf mangelnde Fähigkeiten ihrer bevorzugten Hersteller und Verkäufer zurück, sondern auf Microsofts sinistre Umtriebe.

    Denn auch die gab es ja, wenn man so will. Dass der immer so freundlich-jungenhaft erscheinende, hinter den Kulissen als Choleriker berüchtigte Bill Gates ein knallharter Geschäftsmann ist, der auch nicht davor zurückschreckte, seine Marktmacht gegen Herausforderer zu missbrauchen, wurde ihm in mehreren Verfahren richterlich bescheinigt. Auf dem Höhepunkt der Prozesse gegen Microsofts Monopolmissbräuche war sogar die Zerschlagung des Konzerns kurzzeitig beschlossene Sache. Auch dass sie abgewendet wurde, hat wohl etwas mit Macht zu tun.

    Ein Verkäufer, kein Messias

    Was wirft man ihm noch vor? Dass er stets zu viel versprochen und zu wenig gehalten habe? Auch das stimmt sicher: Die amerikanisch-japanisch geprägte IT-Industrie zelebriert ihre Produkt-Werbeveranstaltungen gern, als ginge es um die Rettung der Welt. Auch Gates stand unzählige Male auf Bühnen und halluzinierte strahlende Tech-Visionen, verkaufte Hightech-Kram, als hinge davon die Verhinderung des Jüngsten Gerichts ab.

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    Kann man ihm das vorwerfen? Nur in dem Maße, in dem man dem Blumenverkäufer auf dem Volksfest Vorwürfe machen kann: die beiden haben schließlich den gleichen Job. Über den Blumenhändler lacht man, weil man seine steilen Übertreibungen als Teil der Show erkennt. Warum nehmen wir dann die Bill Gates und Steve Jobs dieser Welt ernst, wenn sie davon schwafeln, mit MP3-Playern die Welt zu verändern? Die Dinger wirken nicht wirklich gegen Autobomben, Erdbeben, Kriege oder Epidemien.

    Sich darüber zu erregen, bedeutet, das Thema zu hoch zu bewerten: Es ist Show, Spaß, Novität. Es hat Erfolg oder floppt, Gates hat beides erlebt. Er hat uns Produkte angeboten, die uns seit Jahren täglich begleiten, und versucht, uns Krimskrams unterzujubeln, den kein Mensch brauchte. Pech für den Verkäufer Gates, dass er in einer Branche arbeitet, in der man ihm seine Marketing-Versprechen noch nach Jahren als Zitat vor die Nase hält.

    Ein oft schädliches Monopol mit angenehmen Nebenwirkungen

    Gates' größtes Verdienst als Verkäufer ist für viele zugleich der Grund für den größten Vorwurf gegen ihn: die Einführung einer Art Standard-Plattform für PCs.

    Wie hätte die IT-Branche ausgesehen, wenn es Gates nicht gelungen wäre, seine Software-Plattform so flächendeckend durchzusetzen? Wie unser Arbeitsleben, unsere Freizeit? Es ist müßig, darüber zu diskutieren, ob das andere dann vielleicht besser hinbekommen hätten: Sie haben es nicht hingekriegt, Gates hingegen schon.

    Die Folge: Neunzig Prozent aller PC-Nutzer sind heute prinzipiell in der Lage, nach kürzester Einarbeitungszeit an 90 Prozent aller Rechner zu arbeiten. Oder platt gesagt: kennst du einen, kennst du alle.

    Das ist ein Verdienst - auch wenn vor allem Gates daran verdient hat. Es ist fraglich, ob Computertechnik der Allgemeinheit so zugänglich wäre, wie sie es heute ist, wenn stattdessen über Jahre ein Kampf der Plattformen stattgefunden hätte. Gut möglich, dass dann auch der Wirtschaftsmotor IT-Branche heute deutlich schwächer gewesen wäre.

    Ohne Frage dominierte Gates seine Branche über die vergangenen 25 Jahre, fraglos auch mit harten Bandagen. Seine Geschäftspraktiken widersprachen dabei oft seiner jugendlich-jovialen Selbstinszenierung. Aber sie hatten Erfolg, und sie haben unsere Arbeits- und Lebenswelt in ganz erheblichem Maße geprägt.

    Wäre alles so weitergelaufen wie zur Wende des Jahrzehnts, dann hätte man sich irgendwann genauso an ihn erinnert: An einen freundlich lächelnden, aber knallhart agierenden Tycoon mit Ellbogen wie Rasierklingen.

    Heute hat Gates seinen letzten regulären Arbeitstag bei Microsoft, ab Dienstag führt er dort nur noch den Aufsichtsrat. Doch es ist eine andere Tätigkeit, in die er seit 2000 immer mehr Zeit und Geld investierte, die sein Bild in der Geschichte nachhaltig prägen könnte: Gates ist Mitbegründer und Kopf der Bill und Melinda Gates Foundation - der größten privaten Wohltätigkeitsorganisation der Welt.

    Das Wohltaten-Monopol - ohne die Mega-Stiftung geht nichts mehr

    Kurz und knapp die Fakten: Die Gates Foundation verfügt über einen Jahresetat, der aktuell zweimal, bald dreimal dem der Uno-Weltgesundheitsorganisation WHO entspricht. Aktuell verfügt sie über ein zum größten Teil aus Bill Gates' Taschen stammendes Gesamtvermögen von rund 38,8 Milliarden Dollar (laut Stiftungs-Jahresbericht 2007), was sich aber in absehbarer Zeit durch eine Spende seines Freundes Warren Buffet auf rund 70 Milliarden Dollar erhöhen wird.

    Gates denkt gern groß.

    Schon bald, nachdem er Mitte der Neunziger mit einer ersten, durch seinen Vater geleiteten Stiftung begann, sich karitativ zu betätigen, wuchsen seine Pläne. Wohltätigkeit ist beste Tradition unter Amerikas Reichen: Wer hat, der gibt auch. Niemand gab bisher mehr als Gates.

    Gates will als Malaria-Killer Geschichte schreiben

    Die 1999 initiierte, 2000 offiziell gegründete Stiftung, die er nach seinem Ausstieg aus dem Tagesgeschäft bei Microsoft zusammen mit seiner Frau Melinda führen wird, ist in manchen Bereichen längst soweit, dem Namen Gates gerecht zu werden. So sehr dominiere die Gates-Stiftung beispielsweise die Malaria-Forschung, klagte unlängst Arata Kochi, Chef des Malariaprogramms der WHO, dass ohne die Stiftung nichts mehr gehe.

    Das hat etwas Bittersüßes - denn vorher ging noch weit weniger. Wer allerdings mit wenig auskommen muss wie die WHO, der agiert auch anders: So lautet derzeit eine der meistgeäußerten Kritiken, dass der zu technikgläubige Gates mit seinem Medikamentenprogramm gegen Malaria letztlich scheitern müsse. Die WHO würde vorziehen, der die Keime verbreitenden Mücke den Garaus zu machen, Gates will die Krankheit heilen, am besten per Impfstoff. Die Eindämmung der Krankheit fördert er bis dahin durch die Subventionierung von Medikamenten, was Abhängigkeiten schafft und das Grundproblem nicht löst.

    Gates sieht sich so in der überraschenden Position, für ein Zuviel an Hilfe kritisiert zu werden, weil er große Lösungen sucht, die den leidgeprüften Pragmatikern der notorisch unterfinanzierten Hilfsorganisationen vor Ort mitunter wie Science Fiction erscheinen. Aber ohne ihn können sie auch nicht mehr sein: Gates' Stiftung füllt die Lücken, die durch den Rückzug von immer mehr Staaten aus Hilfszahlungen entstehen.

    Guter Zweck, schlechte Methoden?

    Es stimmt darum, das Gates mit seiner Stiftung Hilfsleistungen, Impfaktionen und die Forschung im Bereich der Armutskrankheiten inzwischen dominiert. Gates selbst wandelte sich - etwa bei seinen jährlichen Auftritten beim Weltwirtschaftsforum - in den vergangenen Jahren vom Industrielobbyisten zum Lobbyisten in Sachen Entwicklungshilfe, medizinische Forschung und Umweltschutz.

    Wo jemand etwas mit so viel Macht und Geld tut, weckt selbst das natürlich Kritik. Skeptiker und Gegner bemängeln, dass die Gates Foundation ihre Mittel zu sehr nach dem Gusto des Chefs verteile: Da werde in Forschung investiert, die nicht pragmatisch genug sei. Da würden Institute mit Aufträgen betraut, die sich auf für Gates heimischen Märkten bewegten. Da bestehe die Gefahr, dass die private Stiftung nur da helfe, wo es ihr passe.

    Gates kooperiere zudem bedenkenlos mit Unternehmen, die zu den größten Umweltverschmutzern gehörten. Solche Empfindlichkeiten müssen Gates fremd sein: Er kommt aus einer Welt, in der man sich seiner Sünden entledigt, indem man Ablass zahlt. An die Stiftung, zum Beispiel.

    Doch selbst, wenn das alles so ist, schmälert es nicht Gates' Verdienst. Was er mit der Foundation bewegt, ist beachtlich. Jetzt hat sich der Beißer Bill eben in neue Gegner verbissen, sein größter heißt derzeit Malaria: Der Mann hat nicht weniger vor, als diese Geißel der Menschheit auszurotten. Soll man das schlecht finden?

    Creative Capitalism: Heilt Geld die Welt?

    Natürlich kann man fragen, ob es wirklich uneigennützig war, als Gates begann, Druck auf die One-Laptop-per-Child-Initiative (OLPC) auszuüben, statt Linux doch besser Windows XP auf die Drittwelt-Rechner zu bringen. Aber Gates ist auch nicht auf der Jagd nach einem Heiligenschein: Er verfolgt ein Konzept, das er in einer Rede auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos Anfang dieses Jahres als "creative capitalism" definierte. Gates glaubt, dass sich die kapitalistischen Marktkräfte so kanalisieren ließen, dass sie nicht nur Profite erbringen, sondern auch die Ungleichheiten und Probleme dieser Welt lösen.

    Plakativ gesagt: Geld heilt die Welt. Seine Vision ist nicht nur die eines Drittweltlandes ohne Aids, Malaria, Durchfall, Masern und Hunger, sondern die eines solchen Landes, in dem sich die Menschen deshalb eben auch PCs leisten können. Gates rettet nicht nur Menschen, sondern auch Konsumenten.

    Im Programm der Stiftung finden sich zahlreiche Projekte, die zum Ziel haben, sozial Benachteiligten mit Bildung auf die Beine zu helfen. Ein hartnäckiger Kritiker mag darin die Erschließung neuer Zielgruppen für den Konzern entdecken, aber das wäre doch zynisch: Selbst wenn es so wäre, stellte es eine Verbesserung der Lebensumstände dar.

    Und natürlich eckt Gates auch mit seinem unbedingten Fortschrittsglauben und dem Vertrauen auf die etablierte Industrie an. Dass er in Landwirtschaftsprojekte im Sinne von Hilfe zur Selbsthilfe investiert, finden alle gut; dass er Bauern in Schwellenländern mittelbar mit gentechnisch veränderten Saaten versorgt, hingegen nicht. Anders als ein NGO oder eine Regierung aber folgt Gates mit seiner Stiftung nun einmal persönlichen Überzeugungen. Die müssen einem nicht gefallen, aber der Mann bewegt zumindest etwas. Dass seine Investments in Medikamente und Forschung dabei denselben Pharmafirmen zugute kommen, die die Freigabe von preiswerten Generika in der Dritten Welt verweigern, ist eine weitere Kritik.

    Und was steht auf der Haben-Seite der Stiftung? Da findet sich Unglaubliches: Schätzungen zufolge hat die Gates Foundation mit ihrem Geld in den vergangenen Jahren bereits mehr als 1,7 Millionen Menschen das Leben gerettet. Es scheint plausibel, dass die die Kritik etwas anders lesen. William Henry Gates III hat jedenfalls beste Chancen, damit und nicht nur als Tycoon der IT-Branche in die Geschichte einzugehen. Eine anhaltende Abhängigkeit bedürftiger Nationen und Organisationen von seiner Stiftung hat er nicht im Sinn: 50 Jahre nach dem Tod des Ehepaars Gates soll diese sich selbst auflösen und verteilen.

    Seinen drei Kindern vermacht Gates, seit Anfang der Neunziger einer der reichsten Menschen der Welt, jeweils zehn Millionen Dollar. An die Stiftung fließen bis dahin nach aktuellem Stand zwischen 50 und 100 Milliarden Dollar. Aber Gates ist nun 53 Jahre alt. Ein bisschen was wird er wohl noch verdienen.


    quelle: Spiegel Online
     
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