Krise in der Türkei verschärft sich

Dieses Thema im Forum "Netzwelt" wurde erstellt von Sschraube, 2. Mai 2007 .

  1. 2. Mai 2007
    Ankara/Brüssel (dpa) - In der Machtprobe um die Präsidentenwahl in der Türkei haben das Militär und die politischen Gegner der islamisch-konservativen Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan einen Sieg davongetragen. Das Verfassungsgericht in Ankara erklärte am Dienstag die erste Wahlrunde für ungültig.


    Zehntausende Türken protestierten vergangene Woche gegen eine schleichenden Islamisierung ihres Landes.

    © dpa
    Damit verbaute es dem Kandidaten der Regierungspartei AKP, Außenminister Abdullah Gül, den Weg in das höchste Staatsamt. Gül sprach sich noch am Abend für unverzügliche Neuwahlen des Parlaments aus. Außerdem plädierte er dafür, dass der Staatspräsident in der Türkei künftig vom Volk gewählt werden sollte.

    Laut Entscheidung des Verfassungsgerichts müssen in den beiden ersten Runden der Präsidentenwahl jeweils mindestens zwei Drittel der Abgeordneten (367) anwesend sein. Im ersten Wahlgang am vergangenen Freitag, bei der Gül die benötigte Zweidrittelmehrheit um zehn Stimmen verfehlte, hatten nur 361 Abgeordnete teilgenommen.

    Im 550 Sitze zählenden Parlament von Ankara verfügt die Regierungspartei über 352 Mandate.

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    "Mit dieser Gerichtsentscheidung besteht keine Möglichkeit mehr, dass dieses Parlament den Staatspräsidenten wählt", sagte Oppositionsführer Deniz Baykal. Seine Republikanische Volkspartei hatte die Verfassungsbeschwerde eingereicht.

    Regierungssprecher Cemil Cicek sagte, das Parlament werde dennoch an diesem Mittwoch zusammengerufen. Gleichzeitig deutete er die Bereitschaft der Regierung zu unverzüglichen Neuwahlen an. In türkischen Medienberichten hieß es am Dienstag, die Regierung fasse als mögliche Termine Ende Juni oder Anfang Juli ins Auge.

    Wenige Stunden nach dem ersten Wahlgang hatte die Armeeführung die Regierung mit einer als Putschdrohung verstandenen Erklärung vor einer Wahl Güls zum Staatsoberhaupt gewarnt. Militär und Gegner der seit viereinhalb Jahren regierenden islamisch-konservativen AKP befürchten im Fall seiner Wahl eine Verschiebung der Machtbalance.

    Der Mitte Mai ausscheidende derzeitige Präsident Ahmet Necdet Sezer galt als entschiedener Verfechter der Trennung von Staat und Religion. In Istanbul hatten am Wochenende Hunderttausende gegen die Regierung und eine schleichende Islamisierung ihres Landes demonstriert.

    In einer Rede an die Nation rief Ministerpräsident Erdogan am Montagabend zur Wahrung von Stabilität und innerem Frieden auf. "Das Wichtigste, was wir brauchen, sind Einheit, Zusammengehörigkeit und Solidarität", sagte Erdogan in der Fernsehansprache. An der Istanbuler Börse führte die Krise am Montag zu einem dramatischen Kurseinbruch.

    Die EU-Kommission in Brüssel warnte unterdessen das Militär vor einem Staatsstreich. Sie hatte bekräftigt, es sei wichtig, dass das Verfassungsgericht "in völliger Unabhängigkeit von unzulässiger Einflussnahme entscheiden" könne.

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    Wie die Kommission warnte auch der Europarat das Militär vor einer Einmischung in die Präsidentenwahl. "Die Streitkräfte sollten in ihren Kasernen bleiben und sich nicht in die Politik einmischen", sagte Generalsekretär Terry Davis in Straßburg.


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