#1 30. März 2005 Die erwarteten Argumente wurden ausgetauscht Nachdem der erste Tag der Gerichtsverhandlung vor dem High Court der USA zu Ende gegangen ist, bleibt wenig überraschend alles offen, die erwarteten Positionen wurden bezogen, die erwarteten Zweifel angemeldet. In der Verhandlung soll geklärt werden, ob die Hersteller einer Technologie, im konkreten Fall die Tauschbörsenanbieter Grokster und Morpheus für Urheberrechtsvergehen der Nutzer mitverantwortlich seien. Im schlimmsten Fall könnten die Hersteller von Tauschbörsensoftware kriminalisiert werden. Bemerkenswert waren die Äußerungen zweier Richter. Der als konservativ geltende Richter Scalia bemerkte, dass Erfinder und Unternehmer durch ein entsprechendes Urteil entmutigt werden könnten, neue Technologien zu entwickeln, da sie für deren Missbrauch haftbar gemacht werden könnten. Drastischer benannte dies der Streamcast-Chef Michael Weiss: bei einer solchen Rechtsprechung, wie sie von MGM gefordert würde, gäbe es heute weder mp3-Player, Videorecorder und Videotheken noch das Kabelfernsehen. Richter Breyer äußerte sich weiter dahingehend, dass P2P einige "exzellente Anwendungsmöglichkeiten" biete, die legal seien. Wie erwartet beriefen sich beide Parteien auf das 20 Jahre alte Betamax-Urteil: damals wurde festgestellt, dass der Verkauf eines Videorecorders keine Unterstützung illegaler Anwendungen darstellen würde: was die Käufer mit dem Videorecorder machen, sei nicht das Problem der Hersteller, jene seien dafür auch nicht haftbar, da der Videorecorder auch für umfangreiche legale Zwecke genutzt werden könne. Analog dazu sollten Tauschbörsen betrachtet werden, so die Verteidiger - ein substanzieller legaler Gebrauch der Tauschbörsen sei möglich und existent. Darüberhinaus könne die technische Entwicklung nachhaltig gebremst werden - immer mehr Technologie kann auch für die Verletzung von Copyrights verwendet werden, die Tauschbörsen sind das bislang letzte Glied in einer langen Kette, die die EFF letztlich vorstellte. Weitere werden folgen. Dem gegenüber stehen die Einwände, das Betamaxurteil sei längst nicht so eindeutig, wie es von den Tauschbörsenbefürwortern dargestellt würde - schließlich kämen nach der Feststellung, Videorecorder könnten substanziell für legale Zwecke eingesetzt werden, noch weitere 13 Seiten Begründung. Die Achillesferse der Tauschbörsen bestehe weiterhin darin, dass sie möglicherweise die User zu Urheberrechtsverletzungen aktiv verleiten - was nach geltendem Recht keine Straftat ist, jedoch einen maßgeblichen Unterschied zum Videorecorder darstellen kann. Die Tauschbörsen seien zentral um Urheberrechtsverletzungen aufgebaut, so nicht nur die Anklage, sondern auch der US-Generalanwalt. Demgegenüber hätte das Betamaxurteil ausdrücklich den überwiegenden "Fair Use" des Videorecorders in den Mittelpunkt der Urteilsbegründung gestellt. Betrachtet man jedoch die Werbelandschaft beispielsweise für High-Speed-DSL in Deutschland, muss man feststellen, dass nicht nur Tauschbörsenanbieter mit schnellem Film- und Musikdownload werben, sondern dies auch eine Domäne der Provider ist - die sich über die Art der Filmangebote, die man nun noch schneller laden kann, oft genug ebenfalls eher ausschweigen. Der Besucherandrang vor dem High Court war dem Anlaß entsprechend hoch - auch eine kleinere Demonstration hatte sich eingefunden. Bis zum Richterspruch, der spätestens Juli erfolgen soll, werden sie sich mit den anderen Unterstützern der Tauschbörsenherstellern um Aufmerksamkeit bemühen können - immerhin geht es um die Kriminalisierung einer kompletten Technologie. quelle: gulli untergrund news + Multi-Zitat Zitieren