#1 8. November 2007 Microsoft hat pünktlich zum Abgabeschluss am 6. November bei der zuständigen Richterin Colleen Kollar-Kotelly seine Stellungnahme (PDF-Datei) zu einer möglichen Verlängerung der Kartellaufsicht in den USA eingereicht. Dabei bezieht sich der Konzern hauptsächlich auf die Argumente der "California Group", die eine Verlängerung der Aufsicht bis zum Jahr 2012 fordert, da sie bisher nicht gegriffen habe. Microsoft versucht diese Gruppe gegen die "New York Group" auszuspielen, die mit dem entgegengesetzten Argument für eine Verlängerung eintritt: Die Aufsicht sei erfolgreich gewesen. Angesichts dessen, dass von zwei entgegengesetzten Standpunkten aus das Gleiche gefordert wird, kritisiert Microsoft, es könne nicht angehen, dass die Bundesstaaten die Gesetze so auslegen, wie es ihnen passe. Kalifornien, Connecticut, Iowa, Kansas, Massachusetts und Minnesota sowie der District of Columbia hatten sich bereits Ende August skeptisch über die bisherigen Erfolge bei der Überwachung der 2002 über Microsoft verhängten Auflagen geäußert. Microsoft meint in seiner Antwort darauf, die von der Gruppe vorgebrachten zwei zentralen Argumente – der weiterhin hohe Marktanteil für Windows sowie der angeblich geringe Wandel der Software-Industrie in den vergangenen fünf Jahren – seien haltlos. Die Einigung von 2002 enthalte keinen Passus, nach dem der Marktanteil von Microsofts Betriebssystem gestutzt werden müsse. Der Konzern habe mit seinem Verhalten die Innovationen nicht gehemmt, was sich insbesondere anhand der Entwicklung auf dem Open-Source-Sektor, bei webbasierter und bei werbefinanzierte Software zeige. Hier verweist Microsoft an vielen Stellen der 32-seitigen Stellungnahme auf das Beispiel Google. Es habe in den vergangen fünf Jahren in der Informationstechnologie viele grundlegende Änderungen und Durchbrüche gegeben, doch nichts sei vergleichbar mit dem Aufstieg dieses Konzerns. Google sei innerhalb kürzester Zeit zu dem geworden, was manche als "Nachfolger Microsofts" bezeichnen. Der Aufstieg des Suchspezialisten sei eher zu vergleichen mit dem Start eines Space Shuttle vom Cape Canaveral als mit einem schuftenden Arbeitspferd. Googles Marktwert von über 230 Milliarden US-Dollar sei größer als der von Time Warner, Disney und der News Corporation zusammen. Doch nicht nur deshalb sei Google bemerkenswert. Das Geschäft des Such- und Werbedienstleisters beruhe nicht auf dem herkömmlichen Modell der Entwicklung von Software auf Basis von Windows, sondern auf neuen Geschäfts- und Technologiemodellen, bei dem das Internet als Plattform und Distributionsmedium genutzt werde. Auch Microsoft führe und verbessere schnell webbasierte Anwendungen, die mitunter in Windows integriert würden, und entwickle Einnahmequellen im Werbebereich. Schließlich seien Online-Anzeigen in den vergangenen fünf Jahren zum "Lebenssaft" des Internets geworden. Es gebe aber auch noch weitere Beispiele für die Dynamik der IT-Branche, heißt es weiter in dem Schreiben. Neben dem Internet als Plattformalternative zu Windows führt Microsoft die Entwicklung von Linux, Java, Flash, Shockwave, AJAX, PHP, Python und Ruby on Rails als Beispiele auf. Apple sei auf Intel umgestiegen und verkaufe mit großem Erfolg seine Musikplayer. Es hätten sich neue Dienste auf Basis des "Web 2.0" etabliert wie MySpace.com und YouTube, neben Google seien eBay, Amazon.com und Salesforce.com zu Branchenriesen aufgestiegen und "traditionelle" Softwarefirmen wie Oracle, SAP und IBM böten ihre Dienste zunehmend über das Internet an. Das US-Justizministerium ist mit ähnlichen Argumenten wie Microsoft der Ansicht, dass die Kartellaufsicht nicht verlängert werden müsse. Ursprünglich sollte Kollar-Kotelly bis spätestens kommende Woche, wenn die bisherige Aufsicht abläuft, zu einem Ergebnis kommen. Doch um ihre Entscheidung gründlich überdenken zu können, hat die Richterin die Frist aus formalen Gründen Ende Oktober bis Januar 2008 verlängert. (anw/c't) Quelle: Microsoft schaut hinauf zu Google | heise online + Multi-Zitat Zitieren