#1 19. April 2005 Dennoch noch stärkere internationale Regulierung gefordert Provider löschen immer mehr Inhalte ohne vorherige Prüfung, ob die Löschung gerechtfertigt ist - so wird vom Seminar der World Intellectual Property Organization WIPO zum Thema Copyright berichtet. Die Provider seien international in der Regel von der Pflicht befreit, über sie transportierte Medieninhalte permanent zu filtern oder zu prüfen - von Ausnahmen wie China oder Nordrhein-Westfalen einmal abgesehen. In der Regel gelten sogenannte "Notice-and-Takedown" - Regeln: die Provider verpflichten sich, Inhalte bei Rechtswidrigkeit aus ihrem Angebot zu nehmen, nachdem sie auf sie aufmerksam gemacht wurden. Neben dem Problem, dass private Unternehmen dadurch aktiv Zensur betreiben, wird ein weiterer beängstigender Trend deutlich: Inhalte werden immer häufiger gelöscht, ohne dass die Beanstandung geprüft wird. Die Probe aufs Exempel wurde vom Oxford Internet Institute bei einer Reihe von US- und GB-Providern durchgeführt. Für John Mills "On Freedom", dessen Copyright längst abgelaufen ist, wurde eine Beanstandung an die Provider geschickt - alle US-Provider löschten daraufhin den Text aus entsprechenden Webangeboten. Eine weitere Studie ergab, dass in den Niederlanden 70% der Provider entsprechende Takedown-Anträge überhaupt nicht mehr prüften, sondern sofort die Löschung durchführten. Auch der von den Medienverbänden MPA und IFPI vorgelegte ISP-Verhaltenskatalog wurde auf dem Seminar scharf kritisiert: zwar bezeichnete der MPA-Vertreter Ted Shapiro das Papier ausdrücklich als eine Art "Wunschliste", seine Durchsetzbarkeit würde ohnehin bezweifelt. Verizon-Justitiarin Sarah Deutsch warnte, dass das Papier gegen geltendes Recht verstoße und die Verantwortung der ISPs für Handlungen Dritter verdeckt wieder einführen wolle. Angesichts der rechtlichen Fragwürdigkeit der bereits heute gängigen Zensurpraxis ist der Trend sehr besorgniserregend, dass sich sowohl ISPs als auch Suchmaschinenbetreiber immer bereitwilliger für die Zensurbestrebungen entsprechender Interessensgruppen einspannen lassen. Können sie sich bislang noch auf die nicht vorhandene Verantwortung für Handlungen Dritter und die technisch schwierige bis unmögliche Komplettüberwachung der Kommunikationsströme berufen, machen sie sich mit ihrer bereitwilligen Beihilfe zur Netzzensur zunehmend unglaubwürdig. Für die Zukunft ist damit die Ausweitung der "freiwilligen" Zensur auch ohne entsprechende, juristisch fragwürdige Gesetzesänderungen zu erwarten. quelle: gulli untergrund news + Multi-Zitat Zitieren