Schäuble sieht breite Unterstützung für Online-Razzien

Dieses Thema im Forum "Netzwelt" wurde erstellt von BamSteve, 9. Oktober 2007 .

  1. 9. Oktober 2007
    Vor der Verhandlung über heimliche Online-Durchsuchungen vor dem Bundesverfassungsgericht am morgigen Mittwoch hat Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble von einem breiten Rückhalt für seine Pläne zum Einsatz des so genannten Bundestrojaners gesprochen. Zwei Drittel der Bevölkerung halten es laut dem CDU-Politiker für richtig, das umstrittene Mittel in Ausnahmefällen auf Basis einer richterlichen Entscheidung zur Terrorabwehr einzusetzen. Schäuble bezog sich dabei anscheinend auf eine Umfrageim Rahmen des ZDF-Politbarometers. Laut einer Meinungsbefragung jüngeren Datums ist aber nur eine knappe Mehrheit der Deutschen für Online-Razzien.

    Die bevorstehende Befassung der Karlsruher Richter mit den Netzbespitzelungen wollte Schäuble nicht direkt kommentieren. Er verwies darauf, dass der für die Novelle des BKA-Gesetzes vorbereitete Formulierungsvorschlag ein ganz anderer sei, als die bereits bestehende Lizenz zur Ausforschung "informationstechnischer Systeme" in dem vor Gericht verhandelten nordrhein-westfälischen Landesverfassungsschutzgesetz. Die Union betont seit kurzem generell, dass das geplante Bundesgesetz viel mehr Rücksicht auf die Rechte der Betroffenen nehme als die Landesregelung. Daher brauche man das Urteil für die Beratung des BKA-Gesetzes nicht abwarten. Gerichtspräsident Hans-Jürgen Papier hatte der großen Koalition dagegen persönlich jüngst den Hinweis gegeben, dass sie die Entscheidung in diesem Fall für die Gesetzgebung zu Hilfe nehmen solle. Die Netzbespitzelung müsse sich an den strengen Karlsruher Vorgaben zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung messen lassen.

    Schäuble scheute auch die Diskussion mit dem Bundesdatenschutzbeauftragten Peter Schaar im Rahmen der Präsentation dessen Buches ("Das Ende der Privatsphäre. Der Weg in die Überwachungsgesellschaft.") in Berlin nicht. Vielmehr verteidigte der Minister dort ferner die geplante Vorratsspeicherung von Telefon- und Internetdaten. "Sind Sie jetzt auch gegen die Autokennzeichen?" fragte Schäuble seinen alten Gegenspieler. "Die haben wir doch auch nur deswegen, um bei einem Schaden zu sagen: Du warst es." Genauso sei es bei der verdachtsunabhängigen Aufbewahrung der Verbindungs- und Standortdaten. Schaar versuchte dem Minister zu verdeutlichen, dass der Vergleich hinke und Kfz-Kennzeichen nicht überall registriert würden. Man könne sie aber erfassen, beharrte Schäuble auf seinem Ansatz.

    Der Bundesdatenschutzbeauftragte warnte zugleicht vor der immer größer werdenden Datenflut im Alltag. Bei der Vorratsdatenspeicherung sah er die Unschuldsvermutung in Gefahr, bei den verdeckten Online-Durchsuchungen seien die Eingriffe in den Persönlichkeitsschutz gravierend. Möglicherweise könnten sensibelste Daten wie medizinische Informationen oder Tagebücher zur Kenntnis der Sicherheitsbehörden gelangen.

    Unterstützung erhielt Schaar aus ungewöhnlicher Ecke. So hat sich auch der Chef des NRW-Verfassungsschutzes, Hartwig Möller, gegen Online-Razzien durch das BKA ausgesprochen. "Meiner Meinung nach braucht die Polizei solche Befugnisse im Vorfeld konkreter Straftaten nicht. Hier liegt das Aufgabenfeld des Verfassungsschutzes", sagte Möller in einem Interview mit der taz. Zugleich gab er bekannt, dass seine Behörde die seit Ende 2006 bestehenden Befugnisse noch nicht genutzt habe. Zudem gebe es in Nordrhein-Westfalen weder eine allgemeine Befugnis zur Durchsuchung von Festplatten noch für einen Zugriff etwa auf die Webcam eines Computers.

    Ex-BKA-Chef Hans-Ludwig Zachert stärkte derweil dem Innenminister den Rücken. "Schäuble liegt total auf dem richtigen Gleis, aber parteipolitische Interessen überlagern die kriminalistischen Notwendigkeiten", beklagte der Ruheständler gegenüber der Welt die zögerliche Haltung der SPD. Unter den "Praktikern" gebe es niemand, der Zweifel an verdeckten Online-Durchsuchungen habe, behauptete Zachert vor den Äußerungen Möllers. Zugleich übte er Druck auf die Sozialdemokraten aus: "Ich möchte nicht Kassandra spielen, aber wir werden nicht von einem großen Anschlag verschont bleiben. Müssen erst Hunderte von Toten auf der Straße liegen? Dann wird sich niemand mehr gegen das neue BKA-Gesetz stellen".

    Auch der neue CSU-Vorstand pocht auf Online-Razzien. "Wir brauchen einen wehrhaften Staat", unterstrich CSU-Chef Erwin Huber nach einer Sitzung des Gremiums. Man müsse die technischen Instrumente zur Verfügung haben, um gegen hochgerüstete Terroristen gewappnet zu sein. Ein BKA-Gesetz ohne Klausel zur Online-Durchsuchung wäre ein Torso, dem die bayerische Partei nicht zustimmen könne. (Stefan Krempl) / (vbr/c't)


    Quelle: Schäuble sieht breite Unterstützung für Online-Razzien | heise online
     
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