#1 1. Dezember 2007 Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble hat bei einem Treffen mit Amtskollegen auf fünf europäischen Ländern und den USA für gemeinsame verstärkte Maßnahmen zur Terrorismus-Bekämpfung geworben. Als erforderlich bezeichnete der CDU-Politiker in der Runde, die am heutigen Samstag im brandenburgischen Werder an der Havel zu Ende ging, die Entwicklung eines "einheitlichen Rechtsrahmens für ein internationales Polizeirecht auch zur präventiven Terrorismusbekämpfung". Weiter pochte er auf Lösungsansätze zur Abwehr von Gefahren durch das Internet, wobei er vor allem heimliche Online-Durchsuchungen international ins Gespräch brachte. Auf der Agenda stand zudem die Suche nach Maßnahmen gegen terrorismusverdächtige Ausländer in ihrem jeweiligen Aufenthaltsstaat. Damit sollen "sichere Häfen" für Schwerverbrecher verhindert und bessere Möglichkeiten zur Kontrolle und Überwachung potenzieller "Gefährder" aus Drittstaaten gefunden werden, die nicht sofort abgeschoben werden können. Die Minister diskutierten auch über den "Ausbau der guten Zusammenarbeit unter den Nachrichtendiensten" ihrer Länder. Ein besserer Informationsfluss sei nötig. Kritiker monieren dagegen seit langem, dass Schäuble einen "Präventivstaat" anstrebe und dabei jeden Bürger zum Verdächtigen erklären wolle. Ziel des zweitägigen Symposiums auf Einladung der Bundesregierung war es allgemein laut Innenministerium, "jenseits des politischen Tagesgeschäftes und gerade auch mit Hilfe unabhängiger wissenschaftlicher Expertise die Entwicklungen im Bereich des internationalen Terrorismus zu reflektieren". Zugleich sollte der Dialog über "die Entwicklung von wirksamen Maßnahmen gegen diese Bedrohung" intensiviert werden. Die Konferenz im so genannten "G6-Rahmen" folgte auf ein Treffen in gleicher Besetzung im Mai in Venedig. Konkrete Beschlüsse sind nicht gefasst worden. Die Debatte über die teils tief in Verfassungsgefüge einschneidenden Vorhaben soll zunächst fortgeführt werden. Schäuble unterstrich, dass "der neue Terrorismus die überkommene Grenze zwischen innerer und äußerer Sicherheit verschwimmen" lasse. Spätestens seit dem 11. September 2001 stelle sich die Frage, wie eine in souveränen Staaten verfasste Weltgemeinschaft auf einen global agierenden Terrorismus effektiv reagieren kann. Das staatliche Gewaltmonopol sei schon längst keine Konstante in der weltpolitischen Beurteilung mehr. Terrororganisationen würden über ein Gewaltpotenzial verfügen, das verheerende Wirkung haben könne. In der G6-Runde sei man sich daher einig, "dass ein strategischer Rahmen zur präventiven Bekämpfung des Terrorismus erforderlich ist". Rechtsstaatlichkeit und effektiver Schutz der Bevölkerung seien dabei keine Gegensätze. US-Heimatschutzminister Michael Chertoff betonte in diesem Sinne, dass alles zum Schutz unschuldiger Menschen getan werden müsse. In einem Interview mit der Wirtschaftswoche warnte Schäuble parallel vor Cyber-Attacken gegen das internationale Finanzsystem. "Gewisse Zentren" desselben würden zu den "kritischen Infrastrukturen" gehören. Es sei "ein reales Risiko", dass diese nicht nur "physischen Angriffen", sondern auch "Hackern oder Attacken von Computer-Viren" ausgesetzt sein könnten. Es sei unbestritten, dass Regierung und Wirtschaft die kritischen Infrastrukturen "stärker gegen Terrorismus schützen müssen". Gleichzeitig verteidigte der Innenminister seine Pläne für Online-Razzien. Es gebe darin "keinen Ansatz für eine flächendeckende Untersuchung von Online-Daten", versuchte er Gegner des Vorhabens zu beruhigen. Im Gesetzesentwurf zu Online-Untersuchungen gehe es "nur um Terrorismusabwehr und nicht um Steuerfahndung" sowie auch "sonst um nichts anderes". Unionspolitiker und Strafverfolger wollten den so genannten Bundestrojaner dagegen auch bei der Bekämpfung einer Reihe anderer Straftaten einsetzen, etwa zur Verfolgung von Kinderpornographie, Wirtschaftskriminalität oder von gewaltbereiten Fußballfans. Dagegen erklärte Schäuble, dass die deutsche Verfassung es "nur unter strengsten Voraussetzungen" zulasse, "in den geschützten Raum der persönlichen Lebensführung einzugreifen". Trotz weiteren Widerständen in Reihen der Sozialdemokraten gegen die Netzbespitzelung zeigte sich der Minister zudem zuversichtlich, dass sich die Koalition beim Streitthema Online-Durchsuchungen im kommenden Jahr rasch einigen wird. "Die Auslassungen der SPD begründen sich doch einzig darin, dass die Sozialdemokraten mit schlechten Umfragewerten kämpfen. In Wahrheit bestreitet die SPD nicht ernsthaft, dass wir die Online-Durchsuchung brauchen". Den vor allem in der Bloggerszene erhobenen Vorwurf, er setze ein Modell der Stasi 2.0 um, bezeichnete Schäuble als irreal. "Die jungen Menschen, die mir derartige Vorhaltungen machen, meinen das ja auch nicht ernst." Aber er wundere sich schon, "wie über die Medien mit offensichtlichen Fehlinformationen solche Hysterie geschürt" werde. Auf einen aktuellen Fall, in dem das Bundeskriminalamt Material aus Stasi-Opferakten interner DDR-Kritiker zur Erstellung eines Personenprofils heranzog, ging der Minister nicht ein. (Stefan Krempl) / (vza/c't) Quelle:http://www.heise.de/newsticker/meldung/99870 + Multi-Zitat Zitieren