Schweizer Parlament sorgt sich um Kinderschutz im Internet

Dieses Thema im Forum "Netzwelt" wurde erstellt von rainman, 11. Dezember 2007 .

  1. 11. Dezember 2007
    Ein gigantischer Aufwand droht Schweizer Internetprovidern, wenn die Schweizer Regierung (der Bundesrat) eine von den beiden Kammern des Parlaments gut geheißene Motion (parlamentarischer Vorstoß) absegnet und das Stimmvolk nicht das Referendum dagegen ergreift. In der Motion geht es um die "Bekämpfung der Cyberkriminalität zum Schutz der Kinder auf den elektronischen Netzwerken", so der Titel des Vorstoßes des FDP-Ständerats Rolf Schweiger, den der Nationalrat bereits im vergangenen Sommer behandelte. Heute entschied auch die zweite Kammer des Schweizer Parlaments, der Ständerat, die Motion an den Bundesrat zur Ausarbeitung von Gesetzesmaßnahmen beziehungsweise zur weiteren Prüfung der Praktikabilität zu überweisen.

    Die Eingabe besteht aus vier Punkten. Zunächst wird der Bundesrat aufgefordert, eine Vorlage zur Ausdehnung des Verbots von harter grafie zu erarbeiten, wobei neben Herstellung, Vertrieb und Besitz auch "vorsätzlicher Konsum“ unter Strafe gestellt werden soll. Als "harte grafie" definiert das Strafgesetzbuch der Schweiz: "Gegenstände oder Vorführungen [...], die sexuelle Handlungen mit Kindern oder mit Tieren, menschlichen Ausscheidungen oder Gewalttätigkeiten zum Inhalt haben". (Ziffer 3 und Ziffer 3bis, Artikel 197 StGB).

    Laut Bundesrat Christoph Blocher (SVP), Vorsteher des EJPD (Eidgenössisches Justiz- und Polizeidepartement) sei es "nun eine etwas schwierige Aufgabe, dafür zu sorgen, das Gesetz so zu gestalten, dass die Forderungen erfüllt werden, ohne dass viele Leute in den Strafvollzug kommen, nur weil sie beim Surfen im Internet usw. auf solche Kontakte gestoßen sind. [...] An den Nachweis des Konsums beziehungsweise des Vorsatzes müssen daher strenge Anforderungen gestellt werden." Das lässt sich dann möglicherweise schnell auf der Basis eines weiteren Punktes der heute überwiesenen Motion klären. Kommt es nämlich zu Verstößen gegen Ziffer 3 und Ziffer 3bis von Artikel 197 StGB soll künftig sowohl eine Fernmeldeüberwachung als auch eine verdeckte Ermittlung zugelassen werden.

    Mit den zu verabschiedenden respektive zu verschärfenden Gesetzesvorlagen in Zusammenhang stehen die weiteren beiden Punkte der Motion. Sie könnten den Schweizer Internetprovidern noch einiges an Kopfzerbrechen und finanziellen Aufwendungen bescheren, wenn am Ende ein entsprechendes Gesetz in Kraft treten würde. Nicht strittig für Parlament und Bundesrat ist im Moment eine anstehende Überprüfung der Verlängerung der Aufbewahrungsfrist für sogenannte "Logbuchdateien" ihrer Kunden von sechs auf zwölf Monate sowie die Festlegung einer Strafandrohung bei Verletzung dieser Aufbewahrungspflicht.

    Zunächst zu einer weiteren Machbarkeits- und Wirksamkeits-Überprüfung wurden zwei Vorstöße an den Bundesrat weitergeleitet, die aber kaum praktikabel sein dürften. Zum einen sollen die ISPs eine "präventive Kontrolle ihrer Server durchführen, um die Rechtmäßigkeit der dort gespeicherten Daten zu gewährleisten", also regelmäßig ihre zehntausende Webserver und Domains auf "harte grafie" hin absuchen. Noch nicht genug, sollen die ISPs ihren Kunden auch kostenlose Filtersoftware gegen harte grafie inklusive Installationshilfe zur Verfügung stellen.

    In einer weiteren Motion, die als flankierende Maßnahme begriffen wird, sollen in das zu verabschiedende Gesetzespaket auch Maßnahmen gegen "Gewaltdarstellungen in elektronischen Netzwerken" aufgenommen werden. In dieser Motion des Berner Nationalrats Norbert Hochreutener (CVP), bei der der Ständerat heute entschied, sie ebenfalls an den Bundesrat zur weiteren Prüfung zu überweisen, wird gefordert, eventuelle künftig vom Bundesrat zu beschliessende Gesetzesänderungen zur harten grafie im Internet oder auf Mobiltelefonen auch auf Gewaltdarstellungen auszudehnen. Bei den Gewaltdarstellungen denkt Hochreutener außer an brutale Schlägervideos, die etwa mit Handys von Jugendlichen gefilmt werden, auch an "Killerspiele (Ego-Shooter), die realistisch gestaltet und zur Gewalt aufreizen". Aus Gründen der Rechtssicherheit sei allerdings eine Verbotsliste nötig und dazu müsste ein Verbotsverfahren und eine Verbotsinstanz geschaffen werden, erklärt Hochreutener auf einer Themenseite der CVP.

    Bundesrat Blocher, der grundsätzlich beide Vorstöße gut heißt, mahnte die Räte aber auch gleichzeitig "dass wir nicht Gesetze machen sollten, die wir dann nicht durchführen können". Es gäbe in dem Bereich schon eine "eine beträchtliche Zahl von Paragrafen, die nicht umgesetzt werden", da sie wegen des riesigen Prüfungsaufwands zum Teil gar nicht umgesetzt werden könnten. Bezüglich der Gratisabgabe von filtern sei es damit allein nicht getan; soviel wisse man schon heute. "Es bedarf immer auch der Mitwirkung der Eltern, welche bereit und fähig sind, die Netzaktivitäten ihrer Kinder zu kontrollieren."

    Von großen Internetprovidern in der Schweiz waren heute kaum Stellungnahmen zu erhalten. Das zweitgrößte Schweizer Telekommunikationsunternehmen TDC Switzerland (Marke "Sunrise") gab zumindest eine vorsichtige Einschätzung ab: "Nun sind die Fachleute der Departemente gefragt, die für den Bundesrat praktikable Gesetzesvorlagen und die Prüfaufträge ausarbeiten müssen. Deshalb können wir das derzeit noch nicht weiter kommentieren", sagt Michael Burkhardt, Director External Affairs bei der Sunrise Schweiz AG. (Tom Sperlich) / (pmz/c't)

    Quelle:http://www.heise.de/newsticker/meldung/100428
     
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