Sind Geschlecht und Sexualität frei wählbar?

Dieses Thema im Forum "Politik, Umwelt, Gesellschaft" wurde erstellt von _ViEcH_, 6. März 2012 .

  1. 7. März 2012
    AW: Sind Geschlecht und Sexualität frei wählbar?

    Er fühlt sich also in einem Geschlecht zuhause, dass ihm nicht ansozialisiert wurde. Es muss also irgendwie angeboren sein, wenn sich jmd wie ein Mann verhält, aber weibliche Hormone injiziert bekommt und keine männlichen Geschlechtsorgange hat.
    Naütürlich ist klar, dass Sozialisation das Verhalten beeinflusst. Das bestreitet auch niemand. Wenn die ein Gesellschaft ein Macho-Verhalten belohnt, werden Jungen sind zunehmend wie ein Macho verhalten.
    Es geht hier aber um die Frage, ob Sozialisation oder Biologie ausschlaggebend für das Geschlecht ist.

    Ich weiß ja nicht, wie das bei dir ist, aber ich hatte nie einen Relilehrer, der gesagt hat, es gibt Gott, sondern es wurde nur gesagt "ich glaube an gott".
    Im Übrigen find ich eher deine Argumentation unqualifiziert. Die Frage ob es einen Gott gibt, kann man doch nicht vergleichen mit einer erziehungswissenschaftlichen Grundsatzdebatte.

    Genau.
    Es ist zwar "nur" ein Fallbeispiel, aber wenn der angebliche Beweis für das sozialisierte Geschlecht so krass scheitert, dann hat dies sehr wohl eine Aussagekraft.
     
  2. 7. März 2012
    AW: Sind Geschlecht und Sexualität frei wählbar?

    Ja, das stimmt natürlich. Das war auch eher als vergleichene Aussage zu deiner These gemeint. Damit wollte ich dich provozieren und dir eine Begründung für deine These entlocken.

    Dass es "nur" ein Fallbeispiel ist, ist doch gar nicht mein Hauptkritikpunkt an dem Versuch. Vielmehr dass hier mit Hormonen und Operationen tief in den natürlichen Körperablauf eingegriffen wurde und deshalb das Ergenis an sich nutzlos ist.
     
  3. 8. März 2012
    AW: Sind Geschlecht und Sexualität frei wählbar?

    So ähnlich habe ich mir das auch überlegt, wobei ich(/man?) allerdings nicht abschätzen kann welchen Einfluss die biologischen Faktoren auf das "Wesen" haben und welche Auswirkungen es hat, wenn der Mensch sich auf diese Weise versteht.
    Wie verändert sich denn dadurch das Verständnis von Sexualität und Fortpflanzung?
    Sowas macht mir dann etwas Angst:
     
  4. 8. März 2012
    AW: Sind Geschlecht und Sexualität frei wählbar?

    Genau an solchen Stellen weiter suchen und es wird ein Licht aufgehen.
     
  5. 8. März 2012
    AW: Sind Geschlecht und Sexualität frei wählbar?

    also ich hab das hier gelesen und das macht diesen fall für mich repräsentativ.

     
  6. 8. März 2012
    AW: Sind Geschlecht und Sexualität frei wählbar?

    Und das Bruce Reimer an den gesellschaftlichen Zwängen kaputt gegangen ist, kommt Dir nicht in den Sinn? Zehnmal wahrscheinlicher als alles, was diese Reaktionärin in dem Video erzählt.
     
  7. 8. März 2012
    AW: Sind Geschlecht und Sexualität frei wählbar?

    Halte diesen sog. Beweis für hochproblematisch, da hier so etwas wie ein natürliches Geschlecht hypostasiert wird, welches, je nachdem ob männlich oder weiblich, von der Natur mit spezifischen Charaktereigenschaften ausgestattet sein soll.

    Mädchen mögen Puppen und tragen Kleider, weil sie Mädchen sind und Jungs spielen mit Spielzeugknarren und Autos, weil sie Jungs sind - diese Erklärung mag möglicherweise für einfache Köpfe einleuchtend sein...

    Bin der Meinung, dass die Geschlchteridentität im Rahmen des Subjetivationsprozesses festgelegt wird; vielleicht sollte man hier ansetzen.
     
  8. 8. März 2012
    AW: Sind Geschlecht und Sexualität frei wählbar?

    Dein Geschlecht bestimmt sich anhand deiner Geschlehchtschromosomen und nicht aus den Eigenarten deines Charakters.
     
  9. 8. März 2012
    AW: Sind Geschlecht und Sexualität frei wählbar?

    Bezug zu meinem Beitrag?

    Ich habe lediglich die These infrage gestellt, dass Mädchen Nähmaschinen und Puppen statt Spielzeugknarren und Autos bevorzugen, weil dies bei ihnen von Natur aus so angelegt sei; hier wird unzulässigerweise vom biologischen Geschlecht, dessen Ausbildung natürlich genetischen Gesetzen unterliegt und ohne unser Zutun erfolgt, auf bestimmte soziale Verhaltensmuster geschlossen.
     
  10. 9. März 2012
    AW: Sind Geschlecht und Sexualität frei wählbar?

    Das steht außer Frage, ließ einfach mal die vorherigen Beiträge, da wurde man sich schon einig, dass der Sozialisationsprozess ivm. der Identitäsfindung des Einzelnen ("gender") ein wesentliches Moment bei der eigenen Ausprägung der Geschlechtsidentität findet. Die Frage ist nur: Wenn dieses Moment derart mächtig ist, wohin wollen wir steuern?
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    Wer Ergebnisse der Hirnforschung einsehen möchte, hier gibt es ein relativ breites Kompedium: Sie und Er - Spektrum.de

    Die Sache mit dem Puppen und Autos finde ich selbst unglaubwürdig. Da wir allerdings eine ziemlich wissenschaftsgepolte Gesellschaft sind, kann man diese, teils empirisch reproduzierten Beobachtungen, immer noch als Argument bringen. (bspw: Geschlechterklischees : Männer und Frauen leben in getrennten Welten - Nachrichten Partnerschaft - DIE WELT + Studienfachwahl – typisch Frau, typisch Mann?)

    Aber bei genauerem Hinsehen geht es darum gar nicht. Dieses Thema geht viel weiter.
     
  11. 9. März 2012
    AW: Sind Geschlecht und Sexualität frei wählbar?

    Die Naturwissenschaft ist bei dem Thema besonders kritisch zu betrachten.
    Bei einem Experiment soll herausgekommen sein, dass Affenmännchen lieber mit Autos spielen und Affenweibchen leiber mit Töpfen. Daraus wird geschlossen, dass die Geschlechterrollen natürlich seien. Völlig irre.
    Auch was die Hirnforschung und Verhaltenstests angeht muss man vorsichtig sein. Die Ergebnisse sind längst nicht so eindeutig, wie sie in Focus, Spiegel & co dargestellt werden. Selbst wenn bestimmte Unterschiede zw. den Geschlechtern gefunden wurden, sagt das noch nichts über die Ursache dieser Unterschiede aus.
     
  12. 9. März 2012
    AW: Sind Geschlecht und Sexualität frei wählbar?

    Richtig, diese aber außer Acht zu lassen, und rein soziologischen Aussagen zu folgen bzw. zu "glauben", kann in einem Jahrhundert nach dem Gott für tot erklärt wurde ebenfalls nicht adäquat sein. Auch für den philosophischen Diskurs von Potentialität und Aktualität ist dies meiner Meinung nach von enormer Wichtigkeit.
     
  13. 1. Mai 2012
    AW: Sind Geschlecht und Sexualität frei wählbar?

    Eine sehr gute Einführung zu Theorien der sozialen Konstruktion von Geschlecht hab ich hier gefunden:
    Hanna Meissner: Die soziale Konstruktion von Geschlecht – Erkenntnisperspektiven und
    gesellschaftstheoretische Fragen
    [Link]
    Die beiden Debattenstränge doing gender und Performativität machen deutlich, dass "Geschlecht nicht etwas ist was wir qua körperlicher Ausstattung oder qua Sozialisation (!) haben, vielmehr muss die Geschlechtszugehörigkeit beständig interaktiv hergestellt werden". Um eine gesellschaftlich anerkannte eindeutige Identität zu erlangen sind die Subjekte darauf angewiesen den gesellschaftlichen Normen zu folgen und werden stets als 'Mann' oder 'Frau' angerufen. Geschlecht ist sozial konstruiert und damit prinzipiell gestaltbar, aber enorm wirkmächtig und keinesfalls "frei wählbar". Die so produzierten Ausschlüsse und Zwänge können von Individuen als Einschränkung empfunden werden und zu Widerstand führen, der z.B. darin liegen kann die Geschlechternormen zu ironisieren oder Begriffe durch Verwendung in anderen Kontexten neue Bedeutungen zu geben, wie das z.B. mit dem Begriff "queer" passiert ist. Was nun in empirischen Situationen angemessenner ist, z.B. Identitätspolitik oder Anti-Identitätspolitik, lässt sich auf der theoretischen Ebene jedoch nicht festlegen.

    Um das Moment der Kontingenz deutlich zu machen, fand ich außerdem den Bezug auf die schwarze Feministin Oyewumi aufschlussreich:
    Eine andere Herangehensweise versucht Heinz-Jürgen Voß, der zur Dekonstruktion von Geschlecht auf einer biologisch-medizinischen Ebene promoviert hat (Link) und auch die Einführung zu Geschlecht aus der theorie.org Reihe geschrieben hat (Link). Ganz interessant ist die historische Darstellung der Geschlechtertheorien, z.B. des Ein-Geschlechtermodells, das bis ins 17 Jahrhundert verbreitet war. Auch seine Beiträge zu aktuelleren Diskussionen zeigen, dass die Komplexität der biologischen Geschlechtsentwicklung nur sehr langsam erfasst wird. Grundsätzlich halte ich es aber für relativ hilflos das Geschlecht biologisch dekonstruieren zu wollen, wo es doch eine soziale Konstruktion ist.
     
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