Sonnenwende im Öl-Königreich - Saudi-Arabien entdeckt die Solarenergie

Dieses Thema im Forum "Politik, Umwelt, Gesellschaft" wurde erstellt von bushido, 21. September 2010 .

  1. 21. September 2010
    Zuletzt von einem Moderator bearbeitet: 15. April 2017
    Sonnenwende im Öl-Königreich

    21.09.2010, 10:25 Uhr | QUELLE: Spiegel Online, t-online

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    Saudi-Arabien entdeckt die Solarenergie (Foto: imago)

    Spricht man mit Saudis über den Reichtum ihres Landes, so bezeichnen sie das Öl gerne als Geschenk Gottes an das wahhabitische Königreich. Jedoch ist der Wüstenstaat nicht nur mit dem schwarzen Gold, sondern mit einer weiteren, sogar unerschöpflichen Energiequelle gesegnet: der Sonneneinstrahlung. Der Nutzung dieses Potenzials soll nach dem Willen der saudischen Führungselite in der zukünftigen Energieproduktion des Landes eine bedeutende Rolle zukommen.

    Ali ibn Ibrahim al-Naimi, der saudische Erdölminister, setzte die Messlatte für die neue energiepolitische Strategie hoch an. "Saudi-Arabien strebt an, in Zukunft Solarenergie in einem Ausmaß zu exportieren, wie es heute Öl exportiert", verkündete der Minister im Frühjahr dieses Jahres auf mehreren Pressekonferenzen. Das Ziel mag ehrgeizig erscheinen, jedoch ist der Wille zu einer Wende in der Energiepolitik ernst zu nehmen. Ali al-Naimi, dem aufgrund seines Ressorts eine Schlüsselrolle im saudischen Kabinett zukommt, ist kein Mann leichtfertiger Worte. Mit der Umsetzung dieser Strategie wird zudem ein Konzern beauftragt, über dessen Tatkraft und Fachwissen im Königreich kein Zweifel herrscht: Saudi Aramco, die größte Erdölfördergesellschaft der Welt.

    Aus deutscher Perspektive mag es zweifelhaft erscheinen, dass ausgerechnet der saudische Erdölminister und die staatliche Erdölfördergesellschaft zu den Wegbereitern erneuerbarer Energien werden - zumal Saudi-Arabien international als Blockierer weitreichender Klimaschutzabkommen agiert. Die saudische Perspektive jedoch ist eine pragmatische. Hinter dem Interesse an der Solartechnik stehen nicht das Bestreben nach einer ökologischen Wende, sondern ökonomische Überlegungen und energiepolitische Notwendigkeiten. Nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes ist die Energie der Sonneneinstrahlung in Saudi-Arabien mit 2200 Kilowattstunden pro Quadratmeter jährlich mehr als doppelt so hoch wie in Deutschland mit 1000 Kilowattstunden. Solarenergie kann im Königreich folglich deutlich effizienter genutzt werden als in Deutschland.

    Paradox: Saudi-Arabien leidet an Energiemangel

    Das enorme Potential der Solartechnik in Saudi-Arabien gründet jedoch nicht nur auf dieser einfachen Input-Output Rechnung, sondern vor allem auf einem grundsätzlichen Problem saudischer Energie- und Wirtschaftspolitik: Der größte Rohölexporteur der Welt leidet an einem Energiemangel, der die wirtschaftliche Entwicklung des Landes bedroht. Das rapide Bevölkerungswachstum, der steigende Lebensstandard und das starke Wirtschaftswachstum der letzten Dekade ließen den Stromverbrauch um durchschnittlich 7,5 Prozent pro Jahr ansteigen. 2009 führten die Engpässe dazu, dass die maximale Stromproduktion die Nachfrage kaum noch befriedigen konnte und lokale Netze zusammenbrachen.

    Bisher wird Strom zum Großteil durch Gasturbinenkraftwerke, zu einem geringeren Anteil durch auf fossilen Brennstoffen aufbauenden Dampfkraftwerken und in dünn besiedelten Regionen meist durch Dieselgeneratoren produziert. Die ölbasierte Stromproduktion ist mit hohen Opportunitätskosten verbunden, da das verwendete Rohöl zu hohen Preisen auf dem Weltmarkt verkauft werden könnte. Indes gestaltet sich die Erschließung der saudischen Gasfelder, deren Reserven als die viertgrößten weltweit beziffert werden, seit Jahren als schwieriger und langwieriger Prozess. Die saudische Führung hat angesichts dieser Herausforderungen erkannt, dass eine erfolgreiche wirtschaftliche Entwicklung nur durch eine qualitative und quantitative Ausdehnung der Energieproduktion gesichert werden kann.

    Großes Potential für deutsche Unternehmen

    Neben Aramco sind hiermit auch saudische Ministerien und Behörden befasst, wie etwa die Saudi Arabian General Investment Authority (SAGIA), die als staatlicher Dienstleister ausländischen Investoren den Markteintritt in Saudi-Arabien erleichtert. Dahlia Rahaimy, SAGIA Country Director in Deutschland, hat hierbei insbesondere deutsche Solarunternehmen im Blick: "Der Nutzung der Sonnenenergie kommt in der Zukunft eine entscheidende Bedeutung in der Diversifizierung der Energieproduktion Saudi-Arabiens zu. Momentan sind die Kosten der Solarstromproduktion jedoch sechsmal höher als die der konventionellen Stromproduktion. Die Überwindung dieser Kostendifferenz, die Lösung technischer Probleme und die Fragen der Regulierung des Strommarktes sind für uns die entscheidenden Herausforderungen. Was die technischen Aspekte betrifft, sehen wir hier vor allem für deutsche Firmen mit ihrem Know-how in der Solartechnologie ein großes Potenzial."

    Dieses Leistungsvermögen wird von deutscher Seite verstärkt wahrgenommen. Ende Mai veranstaltete die deutsche Auslandshandelskammer in Riad (GESALO) eine Geschäftsreise zum Thema Solarenergie, an der insbesondere mittelständische deutsche Unternehmen teilnahmen. Marko Ackermann, stellvertretender Leiter der GESALO, bewertet die Geschäftsreise sehr positiv: "Die hieran teilnehmenden deutschen Unternehmen waren beeindruckt vom Potenzial des Landes. Darüber hinaus haben neben den mittelständischen Unternehmen bereits große deutsche Unternehmen der Branche ihr Interesse bekundet und Saudi-Arabien in ihren Fokus genommen." Zu diesen zählt das Hamburger Solarunternehmen Conergy. In Zusammenarbeit mit der saudischen "National Solar System" installierte Conergy auf dem Dach der King Abdullah University of Science and Technology (KAUST) die mit 11.577 Quadratmetern und einer Leistung von zwei Megawatt größte Photovoltaikanlage der arabischen Halbinsel.

    Auf dem Weg an die Weltspitze

    Die Anlage, deren Bau elf Millionen Dollar kostete, versorgt fortan einen symbolträchtigen Ort mit Solarstrom. Die 2009 eröffnete KAUST gilt als der wahr gewordene Traum des saudischen Königs Abdullah. Hier soll nach dem Willen des Monarchen die Zukunft seines Landes beginnen. Zehn Milliarden Dollar insgesamt investierte der saudische Staat mit dem Ziel, aus aller Welt Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Natur- und Ingenieurwissenschaften in die 80 Kilometer nördlich von Dschidda gelegene Hightech-Universität zu locken. Das operative Geschäft, ausgenommen aller Entscheidungen akademischer Art, führt Saudi Aramco. Doch das Königreich möchte Solartechnik nicht nur einkaufen, sondern in Zukunft auch selbst entwickeln und produzieren. So strebt das der KAUST zugehörige Institut Solar and Alternative Energy Science and Engineering an, zu einem internationalen Zentrum der Solarenergieforschung zu werden.

    Ein weiteres Projekt, das in der internationalen Solarbranche für Aufsehen sorgte, ist der Bau einer solarthermischen Anlage auf dem Campus der Princess Noura Bint Abdulrahman University for Women in Riad. Das österreichische Unternehmen GREENoneTEC baut hier mit der britischen Millennium Energy Industries die mit einer Fläche von fünf Fußballfeldern größte solarthermische Anlage der Welt. Im Jahr 2011 soll das 11,5 Milliarden Dollar schwere Projekt abgeschlossen sein und rund 36.000 Personen mit warmem Wasser versorgen. Ein weiteres Projekt der Superlative ist der Bau der weltweit größten solarbetriebenen Meerwasserentsalzungsanlage in der nahe der Grenze zu Kuwait gelegenen Stadt al-Khafji. 2012 soll die vom amerikanischen Konzern IBM und der nationalen saudischen Forschungsbehörde King Abdulaziz City for Science and Technology (KACST) gebaute Anlage mit einer Leistung von 30 Millionen Litern Trinkwasser pro Tag betriebsbereit sein. Angesichts der Wasserknappheit des Wüstenstaates ist insbesondere die energieintensive Meerwasserentsalzung ein vielversprechendes Segment für die Anwendung der Solartechnik.

    Bisher ist die Solartechnik auf wenige Prestigeprojekte beschränkt

    Der Blick auf diese drei Projekte der Superlative sollte jedoch nicht zu übermäßiger Euphorie verleiten. Einen Markt für Solartechnik gibt es nach Einschätzung deutscher Solarunternehmen in Saudi-Arabien noch nicht. Der Einsatz der Solartechnik ist noch auf wenige Prestigeprojekte beschränkt. Hendrik Bohne, Verkaufsleiter der Conergy Renewable Energy Singapore, die als Tochter der Hamburger Conergy zuständig für den pazifischen Raum und den Mittleren Osten ist, geht jedoch von einer breiten Nachfrage nach Solartechnik in Zukunft aus: "Conergy bekennt sich zum Mittleren Osten und Saudi-Arabien im Besonderen, weil wir davon überzeugt sind, dass sich langfristig ein lokaler Markt entwickeln wird. Sicherlich hat KAUST dazu beigetragen, die Idee der Solarenergie in Saudi-Arabien zu fördern."

    Angesichts der energiepolitischen Herausforderungen ist das Potential der Solartechnik im saudischen Königreich enorm. Noch stehen einer breiteren Nutzung Kostenerwägungen und technische Schwierigkeiten entgegen. Die Entschiedenheit der Akteure wie Saudi Aramco und KAUST machen aber deutlich, dass Saudi-Arabien eine energiepolitische Wende zur Solarenergie eingeleitet hat. Die Prestigeprojekte der Universitäten sollen hier als Vorbilder dienen. Fragt man in Saudi-Arabien jedoch nach dem Tag, an dem die Solarstromexporte die Ölexporte übersteigen werden, so wird gern gen Himmel verwiesen: "Allah alam - Nur Gott ist allwissend."

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    Ganz offensichtlich hat Saudi Arabien erkannt, dass das Erdöl nicht mehr ewig reichen wird und somit die Haupteinnahmequelle des Landes eines Tages versiegen wird. Zudem soll der eigene Energiebedarf gesichert werden. Es wird interessant zu sehen sein wie die Staaten im Westen bzw. Indien und China auf die Dauer ihren "Energiehunger sättigen" wollen. Anstatt die Förderung alternativer Energien voranzutreiben wird weiterhin auf die herkömmliche Energiequellen zurückgegriffen, die sowohl eine Gefahr für die Umwelt, wie auch für den Menschen direkt sind.
     
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