Friedes bemerkenswerte Videos auf YouTube zeigen, wie er sich von einigen der giftigsten Schlangen der Welt beißen lässt und überlebt. Oft kommt es zu einem Missverständnis: Er wird nicht sofort als Pionier auf dem Gebiet der Immunologie wahrgenommen. Diese Videos sind jedoch nur die dekorative Oberfläche eines weitreichenden Projekts der Selbstimmunisierung. Es umfasst mehr als 800 Injektionen mit entscheidend steigenden Dosen von mehreren Schlangengiften. Friede hackte effektiv sein Immunsystem – so schuf er wertvolle Antikörper.
YouTube-Video
Die Rolle der Wissenschaftler: Antikörper isolieren und testen
Eine Gruppe von Wissenschaftlern hat mittlerweile die Antikörper aus Friedes Blut extrahiert. Diese Antikörper neutralisieren das Gift von 19 der gefährlichsten Schlangen, die von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als Kategorie 1 oder 2 klassifiziert sind. Zu diesen Schlangen gehören die schwarze Mamba, die Königskobra, die Tiger- und Küstentaipan sowie die Papuanische Schwarze Schlange.
Die Forscher gaben jeden Antikörper Mäusen, die anschließend mit Schlangengift injiziert wurden. Dies ermöglichte es, herauszufinden, welcher Antikörper die neurotoxischen Wirkungen des Gifts am besten neutralisierte. Das ist eine knifflige Angelegenheit – giftige Schlangen produzieren in der Regel zwischen 5 und 70 Protein-Toxine. Durch sein langjähriges Injektionsprogramm diente Friede also als eine Art menschliches Labor, das die Entwicklung der notwendigen Antikörper unterstützte.
Ein potentes Antivenom-Cocktail
Die Experimente an Mäusen führten letztlich zur Entwicklung eines Antivenom-Cocktails. Dieser besteht aus zwei von Friedes Antikörpern und einem kleinen Molekül namens Varespladib – einem Toxinhemmer, der zunehmend als Antivenin behandelt wird. Die Mischung bewährte sich offensichtlich. Sie schützte die Mäuse vor den Auswirkungen von Gift von 13 der 19 untersuchten Spezies und bot teilweise Schutz für die verbleibenden sechs.
Der Hauptautor der Studie, Jacob Glanville, glaubt, dass ein viertes Element in dieser Formel die Entwicklung eines universellen Antivenins ermöglichen könnte. „Als wir bei drei Komponenten angekommen waren, hatten wir einen dramatisch unvergleichlichen Schutz gegenüber 13 der 19 Arten“, sagte er. Mit einem weiteren Agenten könnte die Schutzbreite möglicherweise noch erhöht werden.
Die Auswirkungen auf die Medizin
Trotz der Suche nach diesem zusätzlichen Bestandteil zeigt die Mausstudie, dass die derzeitige Formel ein potentes Werkzeug im Kampf gegen eine Vielzahl von Schlangenbissen darstellen könnte. Die Überprüfung am Menschen könnte eine Notwendigkeit aufzeigen. Eine universell einsetzbare Behandlung würde es Krankenhäusern ermöglichen, eine einzige Formulierung zu lagern. Statt einer Vielzahl fragiler und teurer Antivenine, die nur für spezifische Schlangenarten wirksam sind. Für Länder wie Indien – mit rund 60 Arten giftiger Schlangen – wäre dies revolutionär.
Der Vorteil menschlicher Antikörper
Die Nutzung von Friedes Blut bringt zudem einen wesentlichen Vorteil mit sich. Der gängige Prozess zur Herstellung von Antikörpern betrifft oftmals die Injektion von Pferden oder Schafen mit Schlangengift, um dann die entwickelten Antikörper zu ernten. Allerdings können solche Vorgehensweisen zu Reaktionen bei Menschen führen, die nicht-humanen Antikörpern ausgesetzt sind. Außerdem sind diese Antikörper oft sehr spezifisch für bestimmte Arten oder Regionen.
Ein Ausgangspunkt mit einer Vielzahl menschlicher Antikörper beseitigt das Komplikationsproblem. Friede hat sich einer Vielzahl an Schlangen- und deren Giften ausgesetzt – dadurch wird das Spezifitätsproblem ebenfalls gelöst.
Die nächsten Schritte in der Forschung
Die Forscher planen nun, ihre Arbeit fortzusetzen. Das Ziel ist es, ein echtes universelles Antivenin zu entwickeln – möglicherweise sogar zwei, um die Bemühungen einer anderen Gruppe zu ergänzen, die an einem synthetischen universellen Antivenin arbeitet. Peter Kwong von der Columbia University erklärt: „Wir arbeiten daran, die Reagenzien vorzubereiten, um den iterativen Prozess zu durchlaufen. Das Endprodukt könnte ein einzelnes Pan-Antivenin-Cocktail sein oder zwei: eines für die Elapiden und eines für die Viperiden.“ Diese Fortschritte könnten weitreichende positive Auswirkungen auf die Behandlung von Schlangenbissen weltweit haben.
Fazit: Ein Blick in die Zukunft der Antiveninforschung
Die veröffentlichten Ergebnisse in der Zeitschrift Cell Press markieren einen bedeutenden Schritt in der Erforschung von Antiveninen. Die Arbeiten werden fortgeführt und die Möglichkeiten der Entwicklung eines universellen Antivenins erhöhen sich von Tag zu Tag. Tim Friede bleibt als unorthodoxer, aber visionärer Akteur in diesem faszinierenden Bereich der Wissenschaft in Erinnerung.