#1 22. März 2010 Zuletzt von einem Moderator bearbeitet: 15. April 2017 Ausland Der Präsident hat erreicht, woran Dutzende seiner Vorgänger scheiterten: In den USA kommt die allgemeine Krankenversicherung. Von Martin Klingst, Washington Von Martin Klingst 22.3.2010 - 06:51 Uhr © Jim Watson/AFP/Getty Images {img-src: //images.zeit.de/politik/ausland/2010-03/obama-2/obama-2-540x304.jpg} Triumphal, erleichtert: US-Präsident Barack Obama und Vizepräsident Joe Biden nach der Abstimmung im US-Repräsentantenhaus Um 22.45 Uhr Washingtoner Zeit riss es die demokratischen Abgeordneten im US-Repräsentantenhaus von den Stühlen, Jubel brandete auf. In diesem Moment zeigte die Digitalanzeige im Versammlungssaal an, dass 216 Abgeordnete, das notwendige Quorum, der Jahrhundertreform Barack Obamas zugestimmt hatten. Amerika, das stand ab diesem Moment fest, erhält eine grundstürzende Gesundheitsreform, nicht sofort, aber Schritt für Schritt, und einiges davon schon in diesem Jahr. In absehbarer Zeit werden 32 der insgesamt 47 Millionen nicht versicherten US-Bürger Mitglied einer Krankenkasse sein. Die Kassen dürfen niemanden mehr wegen einer Vorerkrankung abweisen oder wegen zu hoher Arztkosten hinauswerfen. Mehr oder weniger gilt jetzt: Es gibt eine Pflicht, sich zu versichern – und eine Pflicht, zu versichern. Das ist ein historischer Schritt, für Befürworter wie für Gegner. Für die Unterstützer erfüllt Amerika eine längst überfällige Fürsorgepflicht für seine Bürger, ein ebenso moralisches wie ethisches und ökonomisches Postulat. Sie stellen die allgemeine Krankenversicherung in eine Reihe mit der Einführung der Sozialversicherung vor 75 Jahren und der Krankenversicherung für Rentner vor 45 Jahren, ja gar mit der Einführung der Bürgerrechte für Schwarze. Für die Gegner hingegen entfremdet sich Amerika von sich selbst, vom Kern seines Gründungsgedankens und seines Auftrags. Sie erblicken in einer allgemeinen Krankenversicherung einen unzulässigen Eingriff des Staates in das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen, in die Freiheit des Individuums. Für sie schlagen die Demokraten einen gefährlichen, unamerikanischen Weg ein und steuern schnurstracks auf einen bürokratischen, staatlich gelenkten Wohlfahrtsstaat, ja, auf den Sozialismus zu. Vor 100 Jahren hatte Präsident Theodore Roosevelt erstmals eine Reform der Krankenversicherung und Krankenversorgung angemahnt. Viele seiner Nachfolger sahen das ähnlich, unter ihnen auch viele konservative. Am Weitesten reichte der Plan des republikanischen Präsidenten Richard Nixon, der viel weiter ging als das jetzt von den Demokraten gegen den energischen Widerstand der Republikaner beschlossene Gesetz. Aber die meisten Präsidenten wagten nicht zu handeln. Und wer handelte, scheiterte. Barack Obama ist der Durchbruch gelungen. Auch weil erstmals Ärzte- und Krankenhausverbände, Gewerkschaften, viele Unternehmen und die Pharmaindustrie die Reform unterstützten. Den stärksten Widerstand leistete die Versicherungsindustrie. Und dennoch votierte nur eine äußerste knappe Mehrheit für dieses Jahrhundertgesetz. Gerade einmal 219 stimmten dafür, 212 dagegen. Der republikanischen Opposition schlossen sich 34 Demokraten an. Es war ein Tauziehen und eine Zitterpartie, bis zum Schluss. Am Wochenende stießen die Meinungen noch einmal unerbittlich aufeinander. Eine Mehrheit für die Gesundheitsreform war keineswegs sicher, zu viele Demokraten hatten Bedenken; sie zögerten und fürchteten die Rache der Wähler. Am vergangenen Sonnabend trat Präsident Obama noch einmal mit einer aufrüttelnden Rede vor die demokratischen Abgeordneten. Er drängte sie, die Möglichkeit, Geschichte zu schreiben, nicht wieder leichtfertig zu verspielen. Niemand wisse, ob der Wähler den Wandel honorieren werde, sagte Obama. Doch es gehe in dieser historischen Stunde nicht darum, nach der nächsten Wahl zu schielen, sondern das Richtige für das Land und seine Menschen zu tun. Was er nicht sagte, aber zwischen den Zeilen stand: Dieses Gesetz, diese Abstimmung entschied auch über Wohl und Wehe der Obama-Präsidentschaft. Zuerst überzeugten die Demokraten die Sparkommissare in ihrer Partei, denn die fürchteten, das Gesetz würde den riesigen Schuldenberg weiter anhäufen. Doch die überparteilichen Haushaltskommissare beruhigten mit ihrem jüngsten Bericht: Auf lange Sicht, heißt es da, würde die Reform die Schulden senken – um 1,2 Billionen Dollar. Dann wurden die Abtreibungsgegner ins Visier genommen. Ihre Bedenken: Abtreibungswillige könnten mit den geplanten staatlichen Prämienzuschüssen solche Versicherungen kaufen, die auch für die Kosten einer Abtreibung aufkommen. In letzter Minute versicherte Barack Obama ihnen in einer Erklärung: Es bleibt bei der alten Politik – keine Abtreibung auf Staatskosten. Am Sonnabend, als der Präsident sprach, zogen Tausende Reformgegner vor den Kongress und machten ihrer Wut Luft. Sie riefen: "Kill the bill" und "Wer mit Ja stimmt, dem werden wir es zeigen. Die Rache des Wählers ist gewaltig." Demokratische Abgeordnete, die an ihnen vorbeizogen, wurden abwechselnd als Nazis, als Sozialisten, als Diktatoren oder Mehrheitstyrannen beschimpft. Schwarzen Politikern schleuderte man das furchtbare N-Wort entgegen. "*****r" – so habe ihn seit den Bürgerrechtsprotesten niemand mehr genannt, empörte sich der Abgeordnete John Lewis aus dem US-Bundesstaat Georgia. Bei der Abstimmung im Repräsentantenhaus lagen die Nerven dann blank. Monatelang hatten sich die Parteien befehdet. Als klar wurde, dass die demokratischen Abtreibungsgegner sich mit Obamas Klarstellung zufrieden geben und der Gesundheitsreform über die Klippe helfen würden, brüllte ein aufgebrachter Republikaner: "Babykiller". Im Weißen Haus fiel man sich danach in die Arme. Das Gesetz wird noch in dieser Woche in den Senat gehen. Denn kompliziert, aber wahr: Das Repräsentantenhaus hat der vom Senat verabschiedeten Gesundheitsreform am Sonntagabend nur unter einer Bedingung zugestimmt: dass der demokratisch dominierte Senat seinerseits in den nächsten Tagen Ja zu den Änderungswünschen der Abgeordneten sagt. Der demokratische Mehrheitsführer hat es versprochen. Erleichtert trat Obama kurz vor Mitternacht vor die Kameras und rühmte die Gesundheitsrevolution. Ein Jahr hat er sich ihr gewidmet, sie wird nun kommen. Doch der Streit darüber wird bleiben. Copyright: ZEIT ONLINE Adresse: Die Entscheidung: Obamas Triumph | ZEIT ONLINE .................. dann mal glückwunsch. USA ist auf dem Weg in die erste Welt *hust* Lustig fand ich die "Gegenargumente" Babykiller lol... würde gerne wissen, was hinter den Abtreibungsgegnern steckt. Moralische und religöse Gülle kann ich mir nicht vorstellen, ich denke eher, dass da handfeste interessen stecken. Und wieviel die Amis vor Sozialismus Angst haben fand ich auch belustigend. Alles schöne Polemik, aber dahinter stecken eben Interessen von Krankenversicherungen, die keine Lust haben auf chronisch Kranke, weil sie nur kosten. + Multi-Zitat Zitieren
#2 22. März 2010 AW: US-Gesundheitsreform - Obamas Triumph Sehr schön, da passiert ja doch noch mal was in Amerika.... Ich weiß das eine Bekannte mal ein Unfall da hatte, und musste operiert werden... Das wollte das Krankenhaus erst nach einer gültigen Krankenkassenkarte oder Kreditkarte machen.... + Multi-Zitat Zitieren
#3 22. März 2010 AW: US-Gesundheitsreform - Obamas Triumph oh das passierte mir auch in Brasilien. War das erste mal, dass ich mit solch einem System in Berührung kam. Ich war hochkrank und dann heisst es erstmal Geldabrechnung und dann kommt der Arzt, das ist so hässlich, das kann man sich kaum vorstellen. + Multi-Zitat Zitieren
#4 22. März 2010 AW: US-Gesundheitsreform - Obamas Triumph find ich gut dass der obama sowas wichtiges durchbekommen hat... hat ja in letzter zeit ganz schön an rückhalt verloren... aber da er des geschafft hat. aber so ne allgemeine krankenversicherung is was tolles, das werden die da drüben bald merken... + Multi-Zitat Zitieren
#5 22. März 2010 AW: US-Gesundheitsreform - Obamas Triumph wage ich zu bezweifeln. Die Demokraten haben damit selbstmord begangen und die Amerikaner verachten derartigen Sozialismus und Zwangsversicherungen. + Multi-Zitat Zitieren
#6 22. März 2010 AW: US-Gesundheitsreform - Obamas Triumph Das erste Mal das ich mit dir Meinung bin. + Multi-Zitat Zitieren
#7 23. März 2010 AW: US-Gesundheitsreform - Obamas Triumph Ich persönlich halte das ja für das wichtigste, was Obama bisher durchgebracht hat. Meiner Meinung nach hat das Gesundheitssystem dort schon lange eine Reform nötig. Es kann einfach nicht sein, dass Menschen, die wirklich Hilfe brauchen, keine bekommen, weil sie es sich nicht leisten können. Bin mal sehr gespannt, wie der Großteil der Amis das aufnehmen wird. Den Einwand von Tobilein kann ich sehr gut nachvollziehen. Ich hoffe nur irgendwo, dass es nicht passiert. Wenn danach auf Jahre hinweg die Republikaner an der Macht sind.. Neee, nicht gutti. ^^ + Multi-Zitat Zitieren
#8 23. März 2010 AW: US-Gesundheitsreform - Obamas Triumph Wer interessiert an einer anlaufenden, in ähnlicher Form wie hier bestehenden Diskussionen zwischen Amerikanern und anderen Staatsbürgern hat, der kann hier mal reinschauen: Klick. + Multi-Zitat Zitieren
#9 26. März 2010 AW: US-Gesundheitsreform - Obamas Triumph Sein größter Triumph wird sein größter Fall werden, so oder so ähnlich wird es wohl mit Obama laufen. Ich bezweifle, das Amerika für soetwas schon zugänglich ist. Aber ich dachte auch vor der Wahl, sie seien noch nicht bereit für einen schwarzen Präsidenten. + Multi-Zitat Zitieren
#10 26. März 2010 AW: US-Gesundheitsreform - Obamas Triumph Die Reform kommt zu 40-60% vor allem Migranten zugute. Ob sowas in Deutschland gut ankommen würde wage ich zu bezweifeln, in den USA schon dreimal nicht. + Multi-Zitat Zitieren
#11 26. März 2010 AW: US-Gesundheitsreform - Obamas Triumph Ich konnte das ganze Geschrei garnicht nachvollziehen. Wie behindert muss man sein, dass derart dagegen protestiert wird? Ist das irgendein kleines Dorf in Afrika? Amerika tut mir echt leid. Die pure Dummheit. + Multi-Zitat Zitieren
#12 27. März 2010 AW: US-Gesundheitsreform - Obamas Triumph und asozial obendrauf. ich kann es auch nicht so nachvollziehen. Deswegen bin ich der Meinung, dass dahinter einfach knallharte Geschäftsinteressen stehen und dagegen kommt keine Vernunft an + Multi-Zitat Zitieren
#13 28. März 2010 AW: US-Gesundheitsreform - Obamas Triumph Obama bedient die Geschäftsinteressen der Pharmaindustrie mit der Reform. Die Aktien der Pharmahersteller sind nach der Kogressabstimmung alle gestiegen. + Multi-Zitat Zitieren
#14 28. März 2010 AW: US-Gesundheitsreform - Obamas Triumph Ihr wisst schon, dass die Amis schon eine andere Lebenseinstellung haben als Europäer oder? Für die steht Freiheit über allem anderen. + Multi-Zitat Zitieren
#15 28. März 2010 AW: US-Gesundheitsreform - Obamas Triumph wenn das der Fall wäre wären die Amerikaner schon längst auf der Strasse nach all den Einschränkungen und den Verstössen der Bush und Obama Regierungen gegen die Freiheit der Bürger. Aber langsam ändert sich das Bewusstsein dann doch. + Multi-Zitat Zitieren
#16 28. März 2010 AW: US-Gesundheitsreform - Obamas Triumph Ja ok, nach nationaler Sicherheit. + Multi-Zitat Zitieren